Hamburg. Jessica von Allesch ist in Schulen unterwegs, um über Gesundheit aufzuklären. Warum sie soziale Medien bei diesem Thema kritisch sieht.
Zu viel Naschen, zu viele zuckerhaltige Softgetränke: Kinder und Jugendliche ernähren sich häufig ungesund. Durch die Pandemie habe sich das Problem verstärkt, weil in den Lockdowns Sportangebote ausblieben und sich der Nachwuchs weniger bewegt hat, weiß Jessica von Allesch. Die 40-Jährige ist zertifizierte Ernährungsberaterin für Kinder und regelmäßig als Gesundheitsförderin des Projekts Klasse 2000 an Grundschulen im Einsatz.
Projekt Klasse 2000 kümmert sich seit 31 Jahren um das Wohlergehen junger Menschen
Computerspiele und Social Media, also das, was sich am Handy- und Computerbildschirm abspielt, ist ein großes Problem besonders für junge Menschen, die leicht zu beeinflussen sind: Internet-Plattformen wie TikTok, die vor allem Menschen unter 23 Jahren ansprechen, wollen die User möglichst lange vor dem Bildschirm halten, um Werbung zu verkaufen.
„Dort bewerben Influencer Softdrinks und Süßigkeiten. Das ist leider ein riesiger, wachsender Markt“, sagt Jessica von Allesch. Sie weiß von ihren Schülern, dass das System funktioniert: „Die Kinder reden davon. Viele sitzen täglich mehrere Stunden vor dem Bildschirm.“ In dieser Zeit werde auch viel Ungesundes geknabbert: „Der Körper nimmt Nahrung dann anders wahr, als wenn man sie am Tisch sitzend, bewusst zu sich nimmt. Das Sättigungsgefühl setzt später ein.“
Beiträge der Influencer beeinflussen die Schüler
Experten, etwa vereint in der unabhängigen, kritischen Organisation Foodwatch, die sich um Lebensmittelsicherheit kümmert, haben das Problem der Influencer längst erkannt. Sie verfassten kürzlich einen Brandbrief an die Bundesregierung und fordern, dass es keine an Kinder gerichtete Werbung für gezuckerte Produkte mehr geben darf.
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Insgesamt 13 Grundschulklassen an vier verschiedenen Schulen in Hamburg werden von Jessica von Allesch zwei- bis dreimal im Schuljahr besucht. Ihren ersten Einsatz als Gesundheitsförderin hatte Jessica von Allesch vor vier Jahren in der Schule Zollenspieker, in der sie auch heute noch Kindern spielerisch Kenntnisse über gesunde Ernährung sowie Bewegung und Entspannung vermittelt. In Zollenspieker betreut sie sechs Klassen in den Jahrgängen zwei, drei und vier, „von 2023 an eventuell auch eine erste Klasse“, sagt sie.
Die Kinder lernen auch Strategien, um Konflikte zu lösen
In ihrem Gesundheitsunterricht geht es etwa um die Knochen und Organe des Körpers, um den Weg der Nahrung durch den Körper, um Techniken, um ruhig zu atmen und um Übungen, um zur Ruhe zu kommen. „Die Kinder sollen von klein auf an lernen, für sich selbst gut zu sorgen. Die Kinder lernen, in welchen Lebensmitteln viel Zucker und Fett steckt und welche Bewegungen „Super-Fitmacher“ sind (etwa Treppensteigen, Radfahren und Klettern).
Die Jahrgänge drei und vier beschäftigen sich auch mit Strategien, um Konflikte zu lösen, lernen, welche Gefühle es überhaupt gibt und Tricks, um sich selbst mehr zu mögen. Auch wie sie Dinge kritisch hinterfragen und wie sie „nein“ sagen können, wenn es darauf ankommt, erfahren die Kinder. Es geht auch um die psychische Gesundheit“, sagt die Gesundheitsförderin.
Ein Gefühlebuch und eine Wohlfühlwaage kommen zum Einsatz
Um zu verdeutlichen, etwa dass der Dünndarm Nährstoffe aus dem Essensbrei im Körper zieht, dass Vitamine für die Muskulatur („zum Sport treiben“), für die Knochen („damit der Köper nicht zusammenklappt“) und auch für das Gehirn („zum Denken“) wichtig sind, arbeitet Jessica von Allesch mit bunten Heften und Postern, großformatigen Zeichnungen der Organe und Drehscheiben, mit deren Hilfe sich die Kinder gesunde Mahlzeiten basteln können.
Ein „Gefühlebuch“ und eine „Wohlfühlwaage“ kommen ebenso zum Einsatz wie ein kleiner Massageball, den man kneten kann, wenn man wütend ist. „Wenn gewünscht, wird auch gemeinsam gefrühstückt – natürlich nur mit gesunden Zutaten.
Besuch der Ernährungsberaterin ein „Highlight“ für die Kinder
Jessica von Allesch ist oft erstaunt, wie weit viele Kinder schon seien: „Einige wissen schon sehr viel und brauchen mehr Input.“ Andere müssten erst noch lernen, dass es einem nach vier Stunden Zocken am Computer schlecht geht, weil Bewegung fehlt oder dass das Vernaschen von drei Tafeln Schokolade zu Bauchschmerzen führt.
Die Kinder würden das von der Gesundheitsförderin vermittelte Wissen anders speichern als den im regulären Unterricht behandelten Lernstoff, weiß Jessica von Allesch: „Für sie ist mein Besuch ein Highlight, denn ich bin nur zwei-, dreimal im Schuljahr bei ihnen, habe auch kleine Geschenke dabei. Die Abwechslung macht den Unterschied.“ Ihr Gesundheits-Unterricht sei ergänzend, „denn in der Regel lernen die Kinder auch im regulären Unterricht etwas über Ernährung“.
Der 1991 in Nürnberg gegründete Verein Klasse 2000 erreicht laut Jessica von Allesch bundesweites jährlich im Durchschnitt eine halbe Million Grundschüler. „Das Projekt wird langfristig wissenschaftlich begleitet. Der nachhaltige Effekt ist nachgewiesen: Kinder, die von dem Projekt im Unterricht begleitet wurden, konsumieren in ihrer Jugend weniger Alkohol und Drogen, ernähren sich gesünder und bewegen sich mehr.“
Projekt Klasse 2000 sucht weitere Gesundheitsförderer
Für sein Präventionsprogramm sucht der Verein weitere Gesundheitsförderer, weiß Jessica von Allesch. Voraussetzung ist eine Ausbildung etwa im pädagogischen oder im Gesundheitsbereich. Die Einsätze an den Schulen werden mit einer Aufwandsentschädigung vergütet. Zur Finanzierung des Projekts ist man auf Spenden angewiesen. Mady und Stefan Kahl, Betreiber eines Bauernhofes in Kirchwerder, und Marco Blättermann, Leiter einer Fünfhausener Versicherungsagentur, sowie die Vierländer Naturkita haben jeweils 220 Euro gespendet – so viel Geld wird benötigt, um einer Klasse den Extra-Unterricht über ein Jahr zu ermöglichen.
Jessica von Allesch, Mutter zweier Kinder im Grundschulalter, betreibt als Ernährungsberaterin weitere Projekte – Internet: www.highqkids.de. Weitere Infos zu dem Grundschulprojekt finden sich unter www.klasse-2000.de.