Hamburg. Sherlock Holmes, Hercule Poirot, Miss Marple, die kennt jeder! Oder etwa nicht? Ein Blick in die berühmten Bücher zeigt Erstaunliches.

Arthur Conan Doyle (1859-1930) mit seinen Sherlock-Holmes-Geschichten und Agatha Christie (1890-1976) mit ihren beiden Detektiv-Figuren Hercule Poirot und Miss Marple sind die großen Klassiker des Krimi-Genres. Unser Bergedorfer Blog „Volkers Welt“ beschäftigt sich heute mit ihren Werken, in denen sich stets alles um eine einzige Frage dreht: „Wer hat’s getan?“ Die Leserschaft fiebert mit, wer sich am Ende wohl als Bösewicht entpuppt. Die große Kunst des Krimiautors besteht darin, eine Auflösung zu präsentieren, die ebenso überraschend wie einleuchtend ist.

Aber ist das alles überhaupt noch zeitgemäß? Wir leben schließlich in einer Welt, in der Informationen binnen Sekundenschnelle verfügbar sind. Und das bezieht sich nicht allein auf das Weltgeschehen. Auch über das Wohl und Wehe unserer Liebsten sind wir dank moderner Kommunikationsmittel jederzeit bestens orientiert. Für Geheimnisse bleibt da kaum noch Platz. Doch Geheimnisse sind das Salz in der Suppe einer jeden Kriminalgeschichte. Moderne Buchautoren haben es daher viel schwerer, überzeugende Plots zu verfassen als ihre großen Vorbilder aus früheren Zeiten.

Krimi-Klassiker: Welche sich lohnen und welche nicht

Doch die alten Geschichten, in denen es weder Handys noch Internet gibt, sind unterhaltsam. Immer wieder mal legen Verlage daher Gesamtausgaben der Werke von Conan Doyle und Christie auf. Besonders prächtig geraten ist die achtbändige Sherlock-Holmes-Gesamtausgabe, für die der Coppenrath Verlag 2024 mit dem „Blauen Karfunkel“ der Sherlock-Holmes-Gesellschaft ausgezeichnet wurde. Der Anaconda Verlag hat eine dreibändige Gesamtausgabe auf dem Markt.

Evil Under The Sun
Peter Ustinov schwitzt in seiner Rolle als Hercule Poirot im Film „Das Böse unter der Sonne“ von 1982. Der sehr sehenswerte Film ist weiter unten als Video eingebunden. © picture alliance/United Archives | IFTN

Der Kanon der Sherlock-Holmes-Geschichten umfasst neben 56 Kurzgeschichten auch die vier Romane „Eine Studie in Scharlachrot“ (1887), „Das Zeichen der Vier“ (1890), „Der Hund der Baskervilles“ (1902) sowie „Das Tal der Angst“ (1915). Natürlich hatte es auch vor Arthur Conan Doyle schon Kriminalgeschichten gegeben, doch oft beruhte die Lösung der Fälle dabei auf Zufällen. Conan Doyles neuer Ansatz bestand darin, die Auflösungen streng logisch herbeizuführen.

Die Sprache der Krimi-Klassiker ist in die Jahre gekommen

Doch man muss sich klar machen, dass die über 100 Jahre alte Geschichten sprachlich in die Jahre gekommen sind. Auch das Erzähltempo war damals ein ganz anderes als heute. Schauen wir uns zum Beispiel den Beginn des allerersten Sherlock-Holmes-Romans „Eine Studie in Scharlachrot“ an. Es schreibt Holmes’ Assistent Dr. Watson: „Im Jahre 1878 erwarb ich den Grad eines Doktors der Medizin an der Universität London und begab mich nach Netley, um an dem Lehrgang teilzunehmen, der für Ärzte der Armee vorgeschrieben ist.“ Langweiliger kann man ein Buch nicht beginnen.

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Ist es also ein Wunder, dass „Eine Studie in Scharlachrot“ bei seinem Erscheinen weitgehend unbeachtet blieb, ebenso wie der Folgeroman „Das Zeichen der Vier“? Beide Bücher sind rund 180 Seiten dick. Erfolg hatte Arthur Conan Doyle erst, als er Holmes seine Fälle deutlich schneller lösen ließ, nämlich in einer Kurzgeschichte von etwa 35 Seiten mit dem Titel „Ein Skandal in Böhmen“. Sie erschien 1891 in „The Strand Magazine“ und erreichte auf Anhieb ein breites Publikum. Das war sicherlich auch Holmes’ charismatischer Gegenspielerin Irene Adler zu verdanken, die nur in dieser einen Geschichte auftaucht und Holmes austrickst.

Sherlock Holmes als Kassenschlager: Lange Schlangen vor den Zeitungskiosken

Fortan gab es in London an jedem Monatsanfang dasselbe Bild: Vor den Zeitungskiosken bildeten sich lange Schlangen, die häufig zwei, drei Blocks weit reichten. Und nicht nur in London, in ganz Großbritannien war es so. Alle waren in diesen Tagen ganz versessen darauf, das neueste Exemplar des „Strand Magazine“ zu erhaschen, um von den Abenteuern des Sherlock Holmes zu lesen. Man kam mit dem Drucken kaum nach. Über 500.000 Hefte gingen damals jeden Monat über den Ladentisch.

Arthur Conan Doyle und Agatha Christie
Agatha Christie und Arthur Conan Doyle sind die berühmtesten Krimi-Autoren aller Zeiten. Ihre Werke begeistern auch viele Jahrzehnte später noch die Leserschaft. © picture allance | picture allliance

Die Figur des Sherlock Holmes ist Arthur Conan Doyles Chirurgie-Professor Joseph Bell (1837-1911) nachempfunden, der die Fähigkeit besaß, aus Kleinigkeiten wichtige Rückschlüsse zu ziehen. Über zwei Jahre lang produzierte Conan Doyle eine Holmes-Geschichte nach der anderen. Immer wieder versuchte er, sich durch Forderung von immensen Honoraren von dieser Last zu befreien, doch das „Strand Magazine“ zahlte jeden Preis, weil die Verkaufszahlen alle Rekorde brachen.

Wie Conan Doyle seine Romanfigur Sherlock Holmes sterben und wieder auferstehen ließ

Schließlich wurde es dem Schriftsteller zu viel, und er ließ seine Hauptfigur mit seinem Gegenspieler Professor Moriarty die Reichenbachfälle hinunterstürzen. „Killed Holmes“, notierte Conan Doyle daraufhin im Dezember 1893 in seinem Tagebuch. Die Leser waren entsetzt, viele trugen Trauerflor wegen des Todes ihres Lieblingshelden, und 20.000 Abonnenten kündigten das „Strand Magazine“. Acht Jahre später wandte sich Conan Doyle in dem Roman „Der Hund der Baskervilles“ wieder Holmes zu. Nun wurde der Detektiv für ihn zu einem Begleiter für das ganze Leben. 1927, drei Jahre vor dem Tod Conan Doyles, erschien die letzte Holmes-Geschichte „Shoscombe Old Place“.

Es war die Zeit, in der der Stern einer anderen Autorin aufging: Agatha Christie. Im Jahr 1928 unternahm die Britin eine Reise mit dem Orient-Express nach Bagdad, um sich von den Strapazen ihrer gescheiterten Ehe zu erholen. Es war die Inspiration zu ihrem berühmtesten Kriminalroman „Mord im Orient-Express“, der 1934 erschien. Die Ermittlungen in einem mysteriösen Mordfall führt ihr belgischer Detektiv Hercule Poirot, der schon 1920 die Hauptfigur in ihrem allerersten Roman „Das fehlende Glied in der Kette“ gewesen war.

Agatha Christie verschwand spurlos, Arthur Conan Doyle suchte nach ihr

Größere Bekanntheit hatte Christie 1926 mit dem Buch „The Murder of Roger Ackroyd“ erlangt, der in Deutschland unter dem Titel „Alibi“ erschien. In dieser Zeit geschah etwas Merkwürdiges: Agatha Christie verschwand im Dezember 1926 in Berkshire und blieb für zehn Tage unauffindbar, bevor sie 340 Kilometer entfernt in einem Hotel in Harrogate entdeckt wurde. Bis heute weiß niemand, wo sie in dieser Zeit war. Interessant ist, dass sich an der groß angelegten Suchaktion nach der britischen Schriftstellerin auch Arthur Conan Doyle beteiligte. So gibt es eine direkte Verbindung zwischen den berühmtesten Krimi-Autoren aller Zeiten.

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Agatha Christie hat insgesamt 66 Romane geschrieben, die alle mehr oder weniger nach demselben Prinzip funktionieren: Sie führt eine Reihe von Figuren ein, die alle nach und nach verdächtig gemacht werden, bevor sie schließlich die oft verblüffende Auflösung präsentiert. In 33 Büchern ermittelt Hercule Poirot, in 20 Romanen die altjüngferliche Miss Marple, die 1930 in dem Roman „Mord im Pfarrhaus“ ihren ersten Auftritt hatte. Bei Hoffmann und Campe sind die Agatha-Christie-Romane auch heute noch zu bekommen.

Besonders pfiffig ist die Auflösung des Romans „Mord im Spiegel“

Wer noch nie etwas von ihr gelesen hat, sollte mit den bekanntesten Werken anfangen. Neben „Mord im Orient-Express“ sind das „Der Tod auf dem Nil“, „Das Böse unter der Sonne“ und „16.50 Uhr ab Paddington“. Besonders gelungen findet der Autor dieser Zeilen die Auflösung in „Mord im Spiegel“. Die Verfilmung mit Angela Lansbury, Rock Hudson, Elizabeth Taylor, Kim Novak und Tony Curtis ist hier verlinkt.

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Der Stil von Agatha Christie ist deutlich angenehmer zu lesen als der von Arthur Conan Doyle. Man merkt ihren Büchern an, dass sie erst ein knappes halbes Jahrhundert später erschienen sind. Alles wirkt etwas moderner. Gern geht sie auf spöttische Distanz zu ihren Figuren, so wie etwa in „Mord im Orient-Express“: „Worauf der Fremde (ein gewisser Hercule Poirot) eine geziemende Antwort gab. Worauf der General wiederum etwas Geziemendes erwiderte. Und so hatten sie unter Austausch weiterer Artigkeiten, in denen Wörter wie Frankreich, Belgien, Ruhm und Ehre vorkamen, einander herzlich umarmt.“ Hübsch ist auch der Start in den Roman „Der Todeswirbel“: „In jedem Club gibt es ein Mitglied, das allen anderen auf die Nerven geht. Der Coronation Club bildete da keine Ausnahme.“

Übrigens: Für alle diejenigen, die lieber hören als lesen: Bei Audible sind viele Sherlock-Holmes-, Hercule-Poirot- und Miss-Marple-Geschichten im kostenlosen Probeabo enthalten. Aber ob Ihnen dann nicht die kleinen Feinheiten entgehen, die zur Lösung des Falls unabdingbar sind, das müssen Sie schon selbst ausprobieren.