Hamburg. Nach 17 Jahren im Landesparlament zieht sich Dr. Christel Oldenburg (SPD) zurück. Beherztes Plädoyer für Ende des Teilzeit-Parlaments.

Der Tipp ihres Professors, sich in der SPD zu engagieren, kam bei Christel Oldenburg gar nicht gut an: „Ich war beleidigt“, erinnert sich die mittlerweile langjährige Sozialdemokratin: „Damals habe ich mich viel weiter links gesehen, bei den jungen Grünen etwa oder in Bewegungen, die anno 1991 noch revolutionärer unterwegs waren. Aber doch nicht bei einer Mainstream-Partei wie der SPD.“ Doch zwei Jahre später ist es dann doch geschehen – und heute kann Dr. Christel Oldenburg sogar auf 17 Jahre als SPD-Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft zurückblicken.

Doch ihren Sitz im Landesparlament wird die 63-Jährige räumen. Bei der Hamburg-Wahl am 2. März 2025 kandidiert sie nicht mehr. „Es ist über die Jahre immer mehr Arbeit geworden, als Abgeordnete in diesem letzten Teilzeit-Parlament Deutschlands verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Neben dem eigentlichen Job sind das locker 30 bis 40 Stunden pro Woche. Und selbst wenn wir alle unseren eigentlichen Beruf auf die Hälfte oder vielfach auch ein Viertel reduziert haben, kommt man locker auf 60 Stunden Gesamtarbeitszeit, davon sehr viel auch am Wochenende.“

Zu viel Arbeit neben dem eigentlichen Job: „Bürgerschaft braucht Vollzeit-Politiker“

Christel Oldenburg gesteht, der politischen Arbeit schon jetzt mehr als eine Träne nachzuweinen. Aber die ständig wachsende Flut an Drucksachen, die immer umfangreicheren Vorbereitungen auf die stetig gewachsene Zahl von Ausschuss-Sitzungen lasse verantwortungsvolles Arbeiten kaum noch zu. „Zu vieles bleibt liegen, entweder im Amt, im Beruf oder privat“, sagt Christel Oldenburg, die ausdrücklich dafür plädiert, auch die Bürgerschaft zum Berufsparlament zu machen. „Gern mit der Reduzierung von derzeit 123 Abgeordneten auf nur noch 80.“

Selbst wenn das ein heißes Eisen sei, das auch in der SPD-Fraktion sehr kontrovers diskutiert werde: „Ich selbst habe ja viele Jahre dafür plädiert, das Teilzeit-Parlament zu erhalten, um den Kontakt der Bürgerschaftsabgeordneten zur Arbeitswelt nicht zu verlieren. Aber das passt heute nicht mehr zusammen“, weiß Christel Oldenburg, die nun selbst einen Schlussstrich zieht, um „endlich als Historikerin im Dienst des Bezirksamts Bergedorf wieder mehr forschen zu können“.

Als Historikerin im Dienst des Bezirksamts die Geschichte des Bergedorfer Friedhofs aufarbeiten

Im Rathaus hat sie die Stabsstelle für kulturhistorische Dokumentation inne, die sich in Kooperation mit dem Bund Deutsche Kriegsgräberfürsorge um die Aufarbeitung der Geschichte des Bergedorfer Friedhofs und dem weitgehend unerforschten Leben der hier auf zahlreichen Gräberfeldern etwa aus dem Zweiten Weltkrieg beerdigten Menschen kümmert. Gerade ist dazu aus Oldenburgs Feder die Broschüre „Bergedorfer Friedhof – Ort der Erinnerung“ entstanden.

Dr. Christel Oldenburg
Gibt nach 17 Jahren ihr Bürgerschaftsmandat auf: Dr. Christel Oldenburg (SPD). © BGZ / Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

Ohnehin hat die Historikerin eine weitreichende Forschung zu Bergedorfs Vergangenheit vorzuweisen. Nicht zuletzt aus den gut 28 Jahren von 1993 bis 2022, in denen sie als Archivarin des Bergedorf-Museums im Schloss tätig war. Unter anderem forschte sie zur Holzhandlung Behr, zum Bau der Bergedorfer Straße als Durchbruch durch die 300 Jahre alte Vorstadt und nicht zuletzt natürlich auch zur Geschichte der SPD an Bille, Elbe und deutschlandweit.

Viele Studien von Christel Oldenburg zur SPD in Hamburg und Bergedorf

Aus den Ursprüngen ihrer Forschung zur Sozialdemokratie stammt auch die 1991er-Empfehlung ihres Professors Arnold Sywottek, sich in der Partei zu engagieren: „In meiner Examensarbeit an der Uni Hamburg hatte ich mich mit der Trennung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes SDS von der SPD anno 1960 befasst“, erinnert sich Christel Oldenburg. „Er meinte, ich hätte so gut sozialdemokratisch argumentiert, dass ich gut in die Partei passen würde. Dabei war ich damals in der sehr linken Kulturgenossenschaft Lohbrügger Wasserturm aktiv“, sagt die gebürtige Geesthachterin, die dort 1981 ihr Abitur gemacht hat, bevor sie in links-grüne WGs nach Bergedorf zog.

Dr. Christel Oldenburg (l.), hier mit der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Britta Schlage, hat im Buch „Unbeugsam und leidenschaftlich“ große Teile der Geschichte der Bergedorfer Sozialdemokratie aufgearbeitet.
Dr. Christel Oldenburg (l.), hier mit der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Britta Schlage, hat im Buch „Unbeugsam und leidenschaftlich“ große Teile der Geschichte der Bergedorfer Sozialdemokratie aufgearbeitet. © Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

Doch letztlich scheint ihr Professor recht gehabt zu haben: Acht Jahre nach dem Eintritt in die SPD zog Christel Oldenburg für die Bergedorfer Genossen ab 2001 für drei Jahre in die Bezirksversammlung ein. Als 2004 ihre Kandidatur für die Bürgerschaft scheiterte, vollendete Christel Oldenburg ihre Doktorarbeit zur maßgeblich aus Hamburg forcierten Formierung der Sozialdemokratie zur Volkspartei: „Die Hamburger SPD von 1950 bis 1966 – Tradition und Modernität“.

„Bergedorf ist mehr, als bloß die Hamburger Provinz

Seit 2008 sitzt Oldenburg für die Genossen nun in der Bürgerschaft, hat als engagierte Kulturpolitikerin zunächst für die letztlich erfolgreiche Herauslösung der Bergedorfer Museen aus der Stiftung Historische Museen Hamburg gekämpft. „Und seit dem Machtwechsel von der CDU zurück zur SPD im Jahr 2011 dann ganz besonders für die Aufstockung der Hamburger Zuweisungen für die Kulturlandschaft in den Bezirken – natürlich vor allem für Bergedorf“, gesteht die Sozialdemokratin, die bis heute auch im SPD-Fraktionsvorstand der Bürgerschaft, im Stadtentwicklungsausschuss des Landesparlaments und seit 2020 auch im landesübergreifenden Ausschuss Hamburg-Schleswig-Holstein sitzt, wo sie als Sprecherin der Hamburger SPD wirkt.

Viele Posten, die Christel Oldenburg nach eigenen Worten stets ganz bewusst als Kämpferin für Bergedorf und seine Besonderheiten als gefühlte Stadt in der Metropole Hamburg ausgefüllt hat: „Das ist gar nicht einfach, wenn einem immer selbstbewusste Vertreter von angeblich wichtigeren Bezirken wie Eimsbüttel oder Altona gegenübersitzen“, was sie besonders zufrieden mit ihren Erfolgen macht: „Kontinuität bringt Erfolg. Viele mussten erkennen, dass Bergedorf etwas ganz Besonderes in der Metropole ist und nicht etwa bloß die Hamburger Provinz.“

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Das gelte auch für die finanzielle Ausstattung der hiesigen Stadtteilkultur: „Es ist deutlich mehr geworden, auch wenn es natürlich nie auskömmlich ist“, weiß Christel Oldenburg, die darin auch ein großes, bisher nicht gehobenes Potenzial sieht: „Es muss darum gehen, das kulturelle Profil Bergedorfs zu schärfen oder überhaupt erstmal festzulegen, was das eigentlich sein kann.“ Schließlich gebe es mit dem neuen Körberhaus, dem Museum im Schloss, der Lola, dem Kultur- & Geschichtskontor sowie zahlreichen anderen Akteuren bis hin zur Bergedorfer Club-Szene eine ganze Reihe von einzelnen Akteuren. Gemeinsam könnten sie weit mehr erreichen, als bis heute gelungen ist.

Christel Oldenburg selbst wird sich derweil wieder verstärkt der Forschung zuwenden. Und hat das sogar schon getan: Mit dem Aufsatz „Kriegsende und Wiedergründung: SPD, KPD und Gewerkschaften“ ist sie bei der Ausstellung „80 Jahre Kriegsende“ vertreten, die ab April 2025 an der Helmut-Schmidt-Universität zu sehen ist. Zudem hat sie erste Grundlagen für ein Forschungsprojekt zur Hamburger Feuerwehr im Dritten Reich zusammengetragen. „Es ist wunderbar, das alles künftig wieder ganz in den Mittelpunkt meines Arbeitsalltags stellen zu können“, tröstet sich Oldenburg über das absehbare Ende ihrer Zeit als Bürgerschaftsabgeordnete hinweg. „Im Hintergrund werde ich aber sicher weiter für die SPD tätig bleiben.“