Hamburg. Auf dem Friedhof steht der Sockel eines riesigen Nazi-Monuments. Aber neu genutzt. Historikerin Dr. Christel Oldenburg verrät mehr.
Kriege und ihre angeblichen Helden haben neuerdings wieder Hochkonjuktur – überall in der Welt, außer vielleicht in Deutschland. Doch das war auch hier schon häufiger mal ganz anders, nicht nur unter den Nazis: Bergedorfs prominenten Spuren des Heldengedenkens und seiner Folgen geht Historikerin Dr. Christel Oldenburg am Sonnabend nach – bei ihrem Rundgang über den Friedhof an der August-Bebel-Straße. Zusammen mit Wolfgang Charles, Grünchef im Bezirksamt, startet sie am 9. November um 14 Uhr an der historischen Kapelle I, August-Bebel-Straße 200.
Die gut eineinhalbstündige Tour führt dabei zwar nur über den Friedhof, nimmt aber von hier aus ganz Bergedorf und seine Vergangenheit in den Blick. Das gilt schon von der ersten Station an, dem Mahnmal für die Toten des Ersten Weltkriegs, das nur wenige Meter neben der Kapelle I liegt. „Den Opfern“ steht nüchtern auf dem Monument, das Bergedorfs Bürgermeister Wilhelm Wiesner hier 1923 im Kreis seiner damals regierenden SPD-Genossen einweihte. Die bürgerlichen Parteien, deren Mitglieder seinerzeit oft parallel in sogenannten Kriegervereinen aktiv waren, blieben der Zeremonie fern.
Bergedorfs Kriegervereine wünschen sich Heldengedenken – Sozialdemokraten halten dagegen
„Ihnen war der Spruch nicht heroisch genug. Sie hatten sich wenigstens etwas mit ‚Helden‘ gewünscht und gefordert, das Denkmal an einem zentralen Ort aufzustellen. Etwa vor der Kirche St. Petri und Pauli oder am Schloss“, weiß Christel Oldenburg aus Unterlagen im Alfred-Dreckmann-Archiv am Gojenbergsweg. „Doch die Sozialdemokraten und auch die anderen linken Parteien im Bergedorfer Stadtrat setzten sich durch, weil sie einen Ort für die Trauer schaffen wollten und nicht einen für neues Säbelrasseln.“
Das änderte sich aber 1933: „Jetzt sind wir an der Reihe“, nahmen die Nazis und ihre Sympathisanten den alten Streit wieder auf, beschlossen die Vernichtung des „Schandmals“ auf dem Friedhof und den Bau eines monumentalen Kriegerdenkmals im Park am Schillerufer. 1935 stand dort dann tatsächlich ein fast zehn Meter hohes Denkmal mit bewaffnetem Soldat und der Aufschrift „Unseren gefallenen Helden 1914-1918“.
Unter dem monumeltalen Soldatendenkmal wurde Bergedorfs Park am Schillerufer Aufmarschplatz der Nazis
In der Folge sollte es das Schillerufer, Mitte der 1920er-Jahre von der SPD als Liegewiese für die benachbarte Flussbadeanstalt Bille-Bad geschaffen, zum Aufmarschplatz für Bergedorfs Nazi-Umzüge machen. Und ab 1938 auch zu Ort der Waffenschau, weil jetzt die Wehrmacht mit Soldaten und Kanonen aus den frisch bezogenen Wentorfer Kasernen zu jedem Anlass in Bergedorf aufmarschierte. Die 1933 beschlossene Vernichtung des „Schandmals“ auf dem Friedhof geriet dagegen in Vergessenheit. Es blieb unangetastet.
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Das Krieger-Monument am Schillerufer sollte den Zweiten Weltkrieg allerdings nicht lange überleben. Wieder waren es SPD und KPD, die jetzt in engem Schulterschluss mit der britischen Besatzungsmacht dafür sorgten, dass der steinerne Soldat schnell verschwand. Sein mächtiger Sockel fand allerdings eine prominente Wiederverwertung: „Er wurde zum Gedenkstein für den Sowjetischen Ehrenfriedhof umfunktioniert“, hat Christel Oldenburg anhand eines Schriftverkehrs von 1946 erforscht. „So fand ausgerechnet ein zentrales Stück der Bergedorfer Nazigeschichte den Weg in die Erinnerungskultur auf dem Friedhof. Konkret sogar als Gedenkstein an die Opfer des KZ Neuengamme und der Zwangsarbeit in Bergedorf.“
Das Ehrenmal wird die letzte Station des Rundgangs am Sonnabend sein. Dort erwartet die Teilnehmer auch eine Inszenierung von Schülern der Stadtteilschule Bergedorf um Lehrerin Gisela Schmidt. Die Teilnahme am Rundgang ist kostenlos, eine Anmeldung nicht erforderlich. Das Projekt gehört zum Programm der Bergedorfer Wochen des Gedenkens, die noch bis zum 23. November laufen.