Hamburg. Die Bauarbeiten für das neue Clippo haben begonnen. Warum sich die vielen Jugendlichen in Boberg dennoch nicht zu früh freuen sollten.
Wärmepumpe, Solarzellen und Holzbauweise, dazu die so sehr gewünschte Liftanlage … eigentlich ist an nahezu alles gedacht worden beim Neubau des Jugendzentrums Clippo am Bockhorster Weg. Demnächst soll das Fundament gegossen werden für den Boberger Treff, der rund 1,67 Millionen Euro kosten wird. Bloß in das eigentliche Fundament wird offenbar nicht investiert, in die pädagogische Jugendarbeit.
„Eine halbe hauptamtliche Stelle ist nicht ausreichend, es braucht eine weitere Stelle für einen Sozialpädagogen“, hatte Stefan Baumann bereits Ende Februar dem Jugendhilfeausschuss geklagt. Der Leiter des Clippo versucht zwar, die Boberger Kinder und Jugendlichen während der Bauarbeiten im Lohbrügger Jugendtreff zu betreuen und bis zum Neustart bei der Stange zu halten. Aber mit Blick auf Zuwanderung und Corona sei die Arbeitsverdichtung doch immens. Mit der aktuellen halben Personalstelle jedenfalls könne man das neue Haus bloß an zwei Tagen öffnen.
Neuer Jugendtreff: Nur eine halbe Personalstelle für das Clippo in Boberg
Wurden tatsächlich 1,67 Millionen Euro aus verschiedenen Fördertöpfen zusammengekratzt, damit das neue Clippo nur zwei Tage pro Woche öffnet? „Attraktive Freizeit- und Jugendangebote in allen Stadtteilen Hamburgs zu erhalten und auszubauen, ist uns ein zentrales Anliegen“, hatte Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) zuletzt noch betont. Man wolle die soziale Infrastruktur in Boberg „bedarfsgerecht weiterentwickeln“. Immerhin fließt mit rund 1,13 Millionen Euro der Löwenanteil aus dem Stadtentwicklungsfonds.
Dass jedoch grundsätzlich die offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) strukturell unterfinanziert ist, wird in Bergedorfs Lokalpolitik seit Jahrzehnten kritisiert. Die jüngste Anfrage an Hamburgs Sozialbehörde mit Bitte um Aufstockung der Rahmenzuweisungen erntete jedoch bloß ein amtliches Achselzucken: Im Vergleich zu 2022 seien die Gelder „um zehn Prozent auf insgesamt über 40 Millionen Euro erhöht worden“, antwortet die Behörde – und betont: „Die Verantwortung für die Planung der Angebote obliegt den Bezirksämtern.“
Bezirksversammlung fordert: Sozialbehörde möge ihre Sichtweise begründen
Paul Veit (SPD) Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, ärgert sich: „Das sind doch nur Textbausteine!“ Veit ließ einen einstimmigen Beschluss nun von der Bezirksversammlung beschließen: „Wir fordern die Sozialbehörde auf, ihre Sichtweise zu begründen. Denn eine Investition in nur eine Zwei-Tage-Öffnung wäre sehr schade.“
So sieht es auch Cornelia Frieß von den Linken, langsam etwas müde: „Es ist auch mit wechselnden Mehrheiten immer das gleiche Spiel, und alle schweigen. Es braucht schlichtweg mehr Zuwendungen, damit alle Bergedorfer Einrichtungen auch personell gut auskommen.“ Nun also seien erneut die Kollegen in den Bürgerschaftsfraktionen gefragt, für eine Mittelerhöhung zu kämpfen, so Frieß: „Sie werden aufgefordert, den Haushaltsvoranschlag der Behörde entsprechend nachzubessern.“
Clippo-Betreiber kritisiert „Pingpong-Spiel zwischen Behörde und Bezirksamt“
Darauf hofft naturgemäß auch Sandra Kloke, die Geschäftsführerin des Trägervereins InVia, der die beiden Clippos betreibt: „Vorher konnten wir in Boberg wenigstens noch mit Drittmitteln arbeiten, bekamen zeitlich befristete Fördermittel aus dem Quartiersfonds und Geld für Flüchtlingsarbeit. Aber das ist ja jetzt alles eingefroren.“ Und selbst mit Honorarkräften sei schon alles mit der heißen Nadel gestrickt gewesen, denn „eigentlich darf ein pädagogischer Mitarbeiter allein ja gar nicht arbeiten. Was ist denn, wenn ein Kind mal stürzt?“
Sandra Kloke kennt „das alte Pingpong-Spiel zwischen Behörde und Bezirksamt“ zur Genüge: „Um die Kuh vom Eis zu ziehen, müsste der Bezirk das Budget mal anders verteilen. Das ging ja auch beim Haus der Jugend in Rothenburgsort, das entkommunalisiert wurde. Da sind dann bezirkliche Stellen über eine Ausschreibung an freie Träger gegangen.“
„Keine Kannibalisierung“: Bezirkspolitiker wollen Mittel nicht anders verteilen
Hier aber merken Bergedorfer Lokalpolitiker wie Cornelia Frieß auf und warnen: „Es darf keine Kannibalisierung im Bezirk geben“, betont sie energisch mit Blick auf andere Einrichtungen, die sich ebenfalls mehr Personal wünschen.
Bleibt also abzuwarten, wie Mitte nächsten Jahres, wenn der Boberger Bau hoffentlich fertig sein wird, die große Küche belebt wird. Wie viele Zehn- bis 17-Jährige sich im gemütlichen Rückzugsraum entspannen, auf der Terrasse sitzen oder die beiden Gruppenräume im ersten Stock nutzen. Jedenfalls werden sie froh sein, sich endlich wieder in Boberg treffen zu können, schließlich musste ihr bloß zehn Jahre altes Clippo schon Ende 2021 wegen baulicher Mängel geschlossen werden.
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Eine Schließung kann aber auch mit dem schicken Neubau passieren, warnt InVia-Geschäftsführerin Sandra Kloke: „Das ist doch alles ein Wahnsinn. Auch bei einer nur halben Personalstelle müssen wir natürlich mit Urlaub und Krankheit rechnen. Dann bleibt der Treff wohl komplett geschlossen, obwohl uns aktuell täglich 70 Jugendliche die Bude einrennen.“