Hamburg. HAW-Forscher betreuen Projekt über veränderte Landnutzung in Europa. Wie sich das Klima der Hansestadt voraussichtlich verändern wird.
Gibt es bald Aprikosen aus den Vier- und Marschlanden? Oder dort gar Anbau von Oliven und Wein? Wie sich das Klima in den nächsten Jahrzehnten verändern wird, hat großen Einfluss auf die Landwirtschaft: „Ab 2031 bis 2100 wird sich das Hamburger Klima voraussichtlich wie in Südwest-Frankreich entwickeln“, meint Jasmin Röseler, die an der Lohbrügger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) forscht. Mit Blick auf historische Daten fand sie südlich der Region Bordeaux eine Vergleichsregion: „Unser Hamburger Klima könnte sich bis Ende des Jahrhunderts so verändern, dass Zustände wie an der französischen Atlantikküste herrschen.“
Der Blick auf unsere europäischen Nachbarn und deren Landnutzung steht im Vordergrund bei dem großen EU-Forschungsprojekt „Europe-Land“, das bis Mai 2027 immerhin 6,8 Millionen Euro ausgeben darf. „Wir sind 13 Partner aus zwölf Ländern und wollen eine europäische Datenbank zusammentragen und öffentlich machen“, erklärt Wissenschaftskollegin Franziska Wolf, die an der Lohbrügger Hochschule die Abteilung Klimawandel und Gesellschaft leitet. Aktuell befragt die 48-Jährige in allen deutschen Bundesländern ab, wo es noch „Düngemittel-Hotspots“ gibt, wo Viehzucht betrieben wird und wo sich die traditionelle Landwirtschaft hin zum ökologischen Ackerbau verändert hat.
Klimawandel: Wachsen bald Aprikosen am Hamburger Elbdeich?
Wichtig ist die Frage, wie sich politische Entscheidungen auf die landwirtschaftliche Struktur ausgewirkt haben: Welchen Einfluss hatte die Gesetzgebung und war sie wirklich effektiv? „Wir können erkennen, was das Naturschutzgesetz von 2000 bewirkt hat, ob Betriebe pleite gegangen sind, wie viel Ackerfläche umgewandelt wurde.“ Vielleicht, so die Wirtschaftswissenschaftlerin, gab es ja auch widersprüchliche Gesetze, die EU-weit harmonisiert werden könnten. Jedenfalls können die Daten eine „politische Handreichung für politische Entscheider“ sein: „Wir müssen über mögliche Zukünfte sprechen und entwickeln Klimamodelle, die von einer Erwärmung von 1,5 Grad ausgehen, von 2,7 Grad und von 3,5 Grad Celsius.“
Wächst der Mais in Norddeutschland noch im Jahr 2050? Welche Getreideart ist dann noch widerstandsfähig? Welches Gemüse wird dann am besten in den Vier- und Marschlanden gedeihen? „In Ostdeutschland hatten wir eine große Dürre, im Süden ist es extrem nass geworden“, sagt Franziska Wolf: „Was wollen die Bauern anbauen, wenn sie sich künftig auf Subventionen bewerben? Derzeit werden die Fördermittel ja nach Flächengröße vergeben, aber das könnte sich ändern, wenn zum Beispiel mehr auf erneuerbare Energien gesetzt wird, das Gemüse etwa unter Solarpanelen gedeiht.“
Mit dem Wissen, dass die Land- und Forstwirtschaft „ein Viertel der gesamten globalen Treibhausgasemission“ verursache, werde das Thema Nachhaltigkleit immer dringlicher, müsse mit Naturschützern, Bauern- und Industrieverbänden gesprochen werden, nicht zuletzt über das neue Renaturierungsgesetz zum Klima- und Artenschutz. „Demnach sollen zunächst 30 Prozent der Landfläche als geschützte Gebiete umgewandelt werden. Da stellt sich die Frage, ob wir Ackerland verwildern lassen und Moorflächen in ihren ursprünglichen Zustand verwandeln“, so Projektleiterin Wolf, die sich für eine EU-weite Bestandsaufnahme auch von ehemaligen Mooren (als potentielle CO2-Speicher) einsetzt. Bis 2050 schließlich sollen alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme wiederhergestellt werden, wohlgemerkt in allen EU-Mitgliedsstaaten.
Hamburger Klimadaten zur „Resilienz der Stadt“
Wie schwierig das wird, zeigt allein der Blick auf den Stadtstaat Hamburg, der derzeit 60,2 Prozent seiner Flächen bebaut hat und über absolut keine Brachflächen verfügt. 26,7 Prozent dienen der Landwirtschaft, dazu kommen Waldgebiete (6,1%) und Feuchtgebiete (7 Prozent). „Unser Projekt ist rein forschungsbasiert, ohne Behördenvertreter“, betonen die Wissenschaftlerinnen und ahnen doch, dass sich auch städtische Verteter längst um den Klimawandel sorgen. Erst vor wenigen Wochen veröffentlichte die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) neue Erkenntnisse, um „Rückschlüsse auf die Resilienz der Stadt“ zu ziehen.
Von insgesamt 40 Indikatoren stellen acht die Klimaentwicklung (Temperatur, Regen, Sonnenschein) dar, 28 Indikatoren zeigen die Folgen, die der Klimawandel in Hamburg auslöst (beispielsweise Gebäudeschäden, Trinkwasserbedarf, Sturmfluten), und vier Indikatoren flankieren Stadtentwicklungsparameter wie die Bevölkerungsentwicklung oder die Versiegelung. Neu dazu kam die Zahl von vertrockneten Straßenbäumen, die gefällt werden mussten und die Zahl der Hitzetoten.
Schattige Plätze und Wegeverbindungen
Der scheidende Umweltsenator Jens Kerstan wünscht ein „hitzeangepasstes Stadtklima“: „Der Ausbau der blau-grünen Infrastruktur und das Schaffen von schattigen Plätzen und Wegeverbindungen müssen in den nächsten Jahren sichtbar und spürbar vorangetrieben werden.“ Das Klimainformationssystem steht übrigens allen Hamburgerinnen im Internet unter www.hamburg.de/klimainformationssystem zur Verfügung. Hier lassen sich auch die Starkregengefahrenkarte oder die Stadtklimaanalyse einsehen.
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Ihr Projekt über den Klimawandel und die veränderte Landwirtschaft wollen die HAW-Forscherinnen auch am Mittwoch, 6. November, beim HAW-internen Nachhaltigkeitstag vorstellen. Auf dem Lohbrügger Campus geht es um die Nachhaltigkeit an der Hochschule selbst, werden Bachelor- und Masterarbeiten sowie Promotionsvorhaben, die sich auch mit diesem Thema beschäftigen, vorgestellt. Dazu gibt es eine Bilderausstellung zum Thema Plastikmüll und Klimawandel.