Hamburg. Neue Bewerbung bei der Unesco „nur ein möglicher Weg“ für Bergedorfs Observatorium, so Uni und Behörde. Kulturausschuss schlägt Alarm.
Fassungslos blickt die Mehrheit des neuen Bergedorfer Kulturausschusses auf die Sternwarte: „Der Zustand der Gebäude, des Parks und seiner Wege ist mittlerweile so schlecht, dass wir nicht nur den Traum vom Weltkulturerbe, sondern auch gleich das ganze Observatorium mit abschreiben können“, machte Dr. Geerd Dahms seinem aufgestauten Ärger Luft.
„Seit die Expertenkommission der Kultusministerkonferenz vor zehn Monaten die Bewerbung um den Welterbe-Titel bei der Unesco wegen des heruntergekommenen Zustands der gesamten Anlage gestoppt hat, ist gar nichts mehr passiert“, sagte der Denkmalsachverständige, der für die FDP im Ausschuss sitzt. „Schlimmer noch: Fehlerhafte oder ganz ausgebliebene Reparaturen haben dazu geführt, dass mehrere der historischen Kuppelbauten heute so durchfeuchtet sind, dass ihr Mauerwerk Schaden nimmt, sämtliches Metall rostet, sogar Stromschläge befürchtet werden und der Lippert-Astrograph schon für Besichtigungen gesperrt ist.“
Statt Welterbe-Koordinator eine Projektstelle zur Koordination von Forschung und Lehre in der Sternwarte
Um den Verfall zu stoppen und eine Rettung der gesamten Anlage im Sinne des Denkmalschutzes sowie einer erneuten Bewerbung des 112 Jahre alten Observatoriums auf dem Gojenberg zu ermöglichen, hatte der Kulturausschuss bereits im April einen Welterbe-Koordinator gefordert. Die Antwort von Wissenschaftsbehörde und Universität Hamburg als Eigentümer der Sternwarte will davon nichts wissen. Zwar werde demnach „eine auf zwei Jahre befristete Projektstelle geschaffen“. Ihr Auftrag laute aber nur, ein Konzept für die Einbindung der Sternwarte in die heutige Forschung und Lehre zu erarbeiten.
Am Ende ihrer Antwort macht die Wissenschaftsbehörde dann unmissverständlich deutlich: „Die erneute Weltkulturerbe-Bewerbung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur einer der möglichen Wege, der nach Ausarbeitung des Konzepts weiterverfolgt werden könnte, so dieser empfohlen wird.“ Ob das geschehen wird, also die dafür federführende Kulturbehörde übergeben wird, erscheint unwahrscheinlich. Denn sie blieb schon jenem Termin auf der Sternwarte fern, bei dem am 24. Juni das Schaffen der neuen Projektstelle zwischen Uni und Wissenschaftsbehörde vereinbart worden ist.
Denkmal-Experte: „Vor allem die historischen Gebäude sind bald abgängig“
„Also wird in den kommenden zwei Jahren nun erstmal gar nichts in Sachen Weltkulturerbe Sternwarte unternommen“, fasste Erika Garbers (CDU) im Ausschuss zusammen. Und für Rudi Walter (Linke) ist klar: „Der Universität geht es allein um Forschung und Lehre. Die einzigartige Vergangenheit als weltweit renommiertes Observatorium spielt dort keine Rolle.“
Doch die Zeit drängt, abgewartet werden darf nicht mehr, betont Geerd Dahms: „Vor allem die historischen Gebäude sind bald abgängig“, warnt der Experte beim Blick auf teils verrottende Türen und Fenster, abblätternde Farbe und bröckelnde Sandstein-Gesimse. „Die graue Kuppel des Meridiankreises wirkt wie ein zum Abbruch freigegebenes Gebäude und der Metall-Anbau am Sonnenbau wirkt einsturzgefährdet.“
Ein Blick nach Schwerin: Wie eine erneute Weltkulturerbe-Bewerbung erfolgreich sein kann
Kurzum: Es ist Gefahr in Verzug, sagt Dahms: „Wir brauchen sofort eine Bestandsaufnahme des Zustands der Gebäude und des Geländes nach den unzähligen falsch ausgeführten Baumaßnahmen“, erinnert er daran, dass „nur noch eine einzige der Kuppeln überhaupt geöffnet werden kann“. Deshalb müsse kurzfristig in den Erhalt der Sternwarte investiert werden: „Wir brauchen einen Restaurierungsplan, der finanziell hinterlegt ist“, sagt Dahms. „Mir ist es unbegreiflich, dass sowas nicht längst vom Denkmalschutzamt eingefordert wurde. Immerhin trägt die Sternwarte heute schon den Titel ‚Kulturdenkmal von nationalem Rang‘.“
Wie es nach einer gescheiterten Welterbe-Bewerbung im zweiten Anlauf bei der Unesco doch noch klappen kann, zeigt Schwerin, dessen Schloss und weitere sieben Gebäude in der Altstadt sind im Juli 2024 mit dem Titel ausgezeichnet worden – im zweiten Anlauf. „Dieser Erfolg ist dem Einsatz der Welterbe-Koordinatorin Linda Holung zuzuschreiben, bei deren Stabsstelle alle wichtigen Details zusammenlaufen. Nur halbherzig oder im Dickicht der unwilligen Hamburger Behörden ist auch die dritte Bewerbung der Sternwarte zum Scheitern verurteilt“, sagt Dahms.
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Von Schwerin will nun auch Bergedorf lernen: Für Februar 2025 hat das Bezirksamt Joachim Brenncke eingeladen. Der Architekt ist Vorsitzender des Welterbe-Vereins Schwerin. Geerd Dahms trifft zudem schon in den nächsten Tagen Linda Holung und wird davon im nächsten Kulturausschuss berichten.
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Für ihn ist klar, dass es vielleicht die letzte Chance ist, das Ensemble überhaupt noch zu retten: „Wir müssen sichtbar werden. Sonst passiert das, was 1996 durch den Förderverein der Sternwarte nur ganz knapp verhindert werden konnte: Der Wegzug der Forscher nach Hamburg und der Verkauf des Geländes als nobles Wohngebiet, mit dem schon damals ein zweistelliger Millionenbetrag in die Kassen der Hansestadt gespült werden sollten.“