Hamburg. Amateurfußball unter Druck: Spitzenspiel des ETSV Hamburg war gleich bei drei Wettanbietern im Programm. Was die Betroffenen sagen.
Der Wettskandal hat den Hamburger Amateurfußball fest im Griff, seitdem die „Hamburger Morgenpost“ über bundesweit 17 unter Manipulationsverdacht stehende Fußballspiele berichtet hatte. Zumal auch zwei Partien aus der Oberliga Hamburg unter den Begegnungen sein sollen. Auch unter den rund 250 Zuschauern des Schlagerspiels zwischen dem ETSV Hamburg und Eimsbütteler TV (4:5) wurden die Vorkommnisse heiß diskutiert.
Gleich an drei Oberliga-Schauplätzen, in Niendorf, Sasel und Altona, waren zuvor Datenscouts enttarnt und von der Anlage verwiesen worden. Sie hatten das Spielgeschehen per Handy in Echtzeit ins Internet übermittelt. Das ist die Basis dafür, dass sogenannte Livewetten auf ein Spiel abgeschlossen werden können, also man zum Beispiel kurz vor Schluss einer Partie darauf setzen kann, ob in der Nachspielzeit noch das entscheidende Tor fällt.
Wettskandal Amateurfußball: So leicht ist es, auf Oberligaspiele zu setzen
Wetten auf Amateurfußballspiele sind in Deutschland laut Glücksspielstaatsvertrag untersagt. In der altehrwürdigen Arena an den Sander Tannen, die zum ersten Mal Schauplatz eines Heimspiels des ETSV Hamburg war, schaute das Ordnungspersonal folglich ganz besonders genau hin, ob sich im Publikum jemand befand, der das Spielgeschehen über sein Smartphone an einen Wettanbieter weitergab. Das war offenbar nicht der Fall.
Gewettet werden konnte trotzdem. Bei mindestens drei Anbietern – jeweils mit Sitz auf der Karibikinsel Curaçao – war die Partie vor dem Anpfiff im Angebot. Auch die Möglichkeit von Livewetten war offeriert worden. Was ebenfalls merkwürdig war: Die Quote auf einen Erfolg der Gäste vom Eimsbütteler TV erhöhte sich am Spieltag von drei Euro auf fast sechs Euro. Für einen Sieg der Gastgeber gab es hingegen nicht einmal zwei Euro für einen eingesetzten Euro. „Ich bin schockiert, dass man online auf unser Spiel wetten kann“, sagte ETSV-Sportchef Sascha „Jassi“ Huremovic.
ETSV-Sportchef Huremovic: „Wir sind bei dem Thema alle hellwach.“
Zumindest bei einem der neun Oberligaspiele, nämlich der Partie zwischen dem FC Türkiye und dem TSV Buchholz 08 (5:3), war am vergangenen Spieltag sogar tatsächlich ein Datenscout aktiv, der offenbar nicht enttarnt wurde. Dort waren Livewetten möglich, denn Geschehnisse wie Ballbesitz, Angriff, Eckstoß wurden in Echtzeit übertragen. Bei den Partien in Dassendorf (3:1 gegen Paloma) und in Halstenbek-Rellingen (6:3 gegen Süderelbe) waren hingegen von vornherein keine Echtzeit-Wetten angeboten worden – möglicherweise wegen der abgelegenen Spielorte.
ETSV-Sportchef Huremovic ist davon überzeugt, dass kein Kicker aus seiner Mannschaft auf ein eigenes oder ein anderes Spiel aus der Oberliga wetten würde. „Aber wir sind bei dem Thema alle hellwach“, betont der 55-Jährige. „Und sollten wir nur ansatzweise Verdachtsmomente haben, ist derjenige ab sofort kein Teil mehr unseres Teams.“ Da Wetten auf Amateurspiele verboten sind, käme auf den betreffenden Kicker zudem auch noch ein Strafverfahren zu.
Geld für Niederlagen: Die Gefahr von Manipulationen spielt immer mit
Solange aber ausländische Anbieter Partien aus dem Amateurbereich im Angebot haben, ist wohl zumindest mit der Möglichkeit von Manipulationsversuchen zu rechnen. Huremovic, früher Trainer und Sportchef bei Hamm United, erinnert sich: „Als ich schon nicht mehr bei dem Verein war, wurde mir erzählt, dass dort einmal jemand in die Kabine gekommen und Geld geboten haben soll, wenn sie das Spiel verlieren. Nach der Partie haben dann zwei Spieler erzählt, dass sie Geld geboten bekommen haben, falls sie dafür sorgen würden, dass ihr Team verliert.“
„So etwas ist einfach niederträchtig und charakterlich ganz schlimm“, zürnte ETSV-Coach Berkan Algan. „Wenn man so charakterlos ist, ein Spiel zu verkaufen, dann hat das mit dem Sport, den wir kennen, überhaupt nichts zu tun.“ Algan bedauerte, dass die vielen fairen Amateursportler unter solchen Diskussionen zu leiden hätten. „So ein Thema brauchen wir nicht“, stellte er klar. „Wir haben beim ETSV andere Themen. Wir müssen die Abwehr stabilisieren.“
Eimsbütteler TV nutzt eiskalt die Fehler des ETSV Hamburg
Denn wie zuvor bei der 2:4-Niederlage in Buchholz leistete sich sein Team zu viele leichte Ballverluste, zeigte Schwächen im Rückzugsverhalten und war zu oft zu weit von den Gegenspielern entfernt. Der spielstarke ETV nutzte das eiskalt aus. Eugenio Lopes traf bereits mit dem ersten Angriff zum 1:0 (1.). Nach dem Ausgleich durch Benjamin Mashollaj (6.) brachte Piet Scobel den Regionalliga-Absteiger erneut in Führung (18.). Abermals schlugen die „Eisenbahner“ durch Antonio Verinac zurück (32.), wieder hatte Eimsbüttel die richtige Antwort: Scobel sorgte per Kopfball für die 3:2-Halbzeitführung (45.+5.). ETSV-Keeper Malte Schuchardt war fassungslos: Von vier Abschlüssen des ETV vor der Pause landeten drei im Netz.
Auch interessant
- Drachen steigen lassen – Ein Spaß für die ganze Familie
- Paralympics – Wie zwei Bergedorferinnen die Spiele erlebt haben
- Eiscreme – Verblüffendes über die süße Verführung im Sommer
Nach dem Seitenwechsel konnten die Gäste dann gegen noch schläfrige Hausherren durch Michael Gries (46.) und Scobel (49.) sogar auf 5:2 erhöhen. Damit schien die Entscheidung an den Sander Tannen bereits gefallen zu sein. Doch die Algan-Elf zeigte Moral, verkürzte durch Oskar Lenz (56.) und Vedat Düzgüner (71.) auf 4:5, war in der Schlussphase dem Ausgleich ganz nah, doch das Happy End blieb aus.
ETSV-Abwehrmann Bujar Sedija droht monatelang auszufallen
Doch nicht nur die Niederlage war bitter für den ETSV Hamburg. Defensivspezialist Bujar Sejdija verletzte sich kurz vor der Halbzeit in einem Zweikampf schwer am Knie. Der 26-Jährige wurde lange in der Umkleidekabine behandelt und nach dem Schlusspfiff mit Blaulicht abtransportiert. Es besteht Verdacht auf einen Kreuzbandriss, wodurch Sedija nun mehrere Monate lang ausfallen könnte.
ETSV Hamburg: Schuchardt – Freese, Siemsen, Hertner – Sejdija (38. Düzgüner), Can, Schubert-Abubakari, Ogara (62. Borck), Lenz (83. Kretschmar) – Mashollaj (62. Zimmermann), Verinac (62. Petrick).