Hamburg. Geräucherte Kartöffelchen sind die Spezialität des urigen Restaurants am Moorfleeter Deich. Nun könnten sie noch bekannter werden.
Wer den Gastraum des Restaurants Zum Eichbaum betritt, der kann nicht nur unter der Decke viele Zeugnisse der Vergangenheit, wie einen alten Nachttopf, ausrangierte Boxhandschuhe oder Suppenkellen entdecken. Auf dem Weg zu den Waschräumen erinnern Bilder an den ehemaligen Chef des Hauses, Horst Walter, der Anfang 2019 im Alter von 71 Jahren gestorben ist. Neben den Klitschko-Brüdern und Ex-HSV-Trainer Bruno Labbadia ist dort auch Uwe Seeler (✝) mit dem Gastwirt zu sehen.
Die HSV-Legende war früher in dem Restaurant zu Gast und soll bekennender Fan der „Mini Smokys“, der Spezialität des Hauses, gewesen sein, erzählt man sich noch heute gern unter den Stammgästen. So steht es außer Frage, dass die geräucherten Kartöffelchen mit hausgemachtem Knobi-Dip noch immer als „Appetizer“ serviert werden, selbst wenn längst ein neuer Chef die Fäden in der Hand hält.
Auch HSV-Legende Uwe Seeler war ein Fan der „Mini Smokys“
Das Räuchern über Buchen- oder Eichenholz und einer Gewürzmischung gibt den kleinen Pellkartoffeln, die vom Hof Posewang in Oststeinbek bezogen werden, ihre ganz besondere Note. Verpackt im vakuumierten Beutel können 500 Gramm der „Mini Smokys“ für 5 Euro inklusive Dip auch mit nach Hause genommen werden. Und das würden Gäste regelmäßig in Anspruch nehmen und auch andere Besucher den Weg in das Lokal finden, weil ihnen die Räucherkartoffeln empfohlen worden sind, weiß Florent Musa.
Der 25-Jährige ist seit gut vier Jahren Chef des Traditionshauses am Moorfleeter Deich 477 und hat längst erkannt, dass noch mehr Potenzial in den kleinen Kartoffeln steckt. Deswegen sollen sie noch größer herauskommen, wie Musa verrät. Er habe in diesem Jahr bereits Analysen im Labor durchführen lassen, um sie vielleicht schon im nächsten Jahr über regionale Supermärkte an die Kunden zu bringen.
Warum für jemanden arbeiten, wenn man sein eigener Chef sein kann?
Als der gelernte Koch, der im Hotel Hafen Hamburg ausgebildet wurde und kurzzeitig auch in der Schweiz tätig war, im September 2019 das urige Restaurant übernahm, da startete er voller Tatendrang in die Selbstständigkeit. Unwissend, was wenige Monate später über die Welt und auch die Gastronomie hereinbrechen würde. Es sei schon eine Herausforderung gewesen, die Motivation während der Corona-Pandemie aufrecht zu halten, gibt Florent Musa zu.
Doch die Gastronomie ist seine Leidenschaft: Er ist quasi im Betrieb seines Vaters, Sabri Musa, aufgewachsen. Der betreibt seit etwa 20 Jahren das italienische Restaurant Mediterran an der Autobahnauffahrt Curslack. Sein Vater sei sein Vorbild in Sachen erfolgreicher Selbstständigkeit und habe ihn dazu inspiriert, ein eigenes Lokal zu übernehmen. Als Sabri Musa vor ein paar Jahren seinen Sohn fragte, ob er nicht auch Lust auf ein eigenes Restaurant habe, ließ die Antwort nicht lange auf sich warten: „Warum für jemanden arbeiten, wenn man sein eigener Chef sein kann?“, stellte Florent Musa fest.
Chef würde auch gern in die Nähe seines Restaurants ziehen
Nachdem die Pandemie überwunden war, folgten jedoch ständig neue Hürden: Erst explodierten die Gas- und Strompreise zu Beginn des Kriegs in der Ukraine und nun, wo sich das wieder ein wenig gelegt habe, droht mit der Rückkehr zur Mehrwertsteuer von 19 Prozent ab Januar die nächste große Herausforderung. „Wir werden unsere Preise aber trotzdem erst einmal nicht erhöhen“, sagt Florent Musa.
Weder das Restaurant noch Allermöhe und die weitere Umgebung hat Florent Musa gekannt, als seine Familie das in den 1930er-Jahren erbaute Haus am Moorfleeter Deich vor vier Jahren kaufte. Darin war einst eine Bäckerei beheimatet. In den 60er-Jahren eröffnete dann eine Kneipe, die bereits den Namen Zum Eichbaum trug. Mittlerweile fühlt sich Florent Musa, der in Wentorf aufwuchs und heute in Bergedorf wohnt, dort längst pudelwohl. So sehr, dass er auch gern in die Nähe seines Restaurants ziehen würde. „Aber bisher habe ich noch nichts Passendes gefunden“, sagt er.
Seit diesem Jahr gibt es im Zum Eichbaum auch einen Mittagstisch
Nachdem er das Restaurant übernommen hatte, wurde renoviert, ohne den Charme des Gastraums zu verändern. Decke und Wände bekamen einen hellen Anstrich, und die Dekoration unter der Decke wurde aufgeräumt. Schließlich brauche es nicht zehn Suppenkellen oder fünf Nachttöpfe, sondern reiche je ein Exemplar. Trotzdem werde er immer mal wieder von Gästen gefragt, ob er noch mehr „Zeugnisse der Zeit“ gebrauchen könne. Der Chef hat dann eine Antwort parat: „Sobald Sie etwas finden, was noch nicht unter der Decke hängt, können wir darüber reden.“
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Bis zu 45 Sitzplätze gibt es in dem Restaurant, die am Abend vornehmlich von Stammgästen besetzt werden, berichtet Florent Musa. In den Sommermonaten ist das Lokal auch bei Radfahrern beliebt, die bei ihrem Ausflug über den Moorfleeter Deich dort einkehren. In diesem Jahr wurde auch ein Mittagstisch eingeführt: Von Dienstag bis Freitag gibt es in der Zeit von 12 bis 15 Uhr Gerichte ab 8,90 Euro, wahlweise mit einer kleinen Suppe oder einem kleinen Salat des Hauses. Das ziehe vor allem Gäste an, die im Gewerbegebiet Allermöhe arbeiten. Im nächsten Jahr soll es den Mittagstisch in jedem Fall weiterhin geben, kündigt der Chef an.
Auch an den Weihnachtsfeiertagen und Silvester ist das Restaurant geöffnet
Im Zum Eichbaum werden überwiegend Fleischgerichte bestellt, wie die hausgemachte Rinderroulade, ein echtes Wiener Schnitzel vom Kalb oder gebratene Kalbsleber, die mit Zwiebeln, Kartoffelpüree und Apfelmus serviert wird. Auf Vorbestellung gibt es derzeit auch das traditionelle Gänse-Essen für vier Personen. Zur vom Koch tranchierten Gans gibt es hausgemachten Rotkohl, Portwein-Sauce, Rosenkohl, karamellisierte Maronen und handgedrehte Kartoffelklöße sowie eine Flasche Rotwein für 189 Euro.
Geöffnet ist das Restaurant täglich außer montags von 12 bis 21 Uhr. Auch am ersten und zweiten Weihnachtstag, jeweils 12 bis 21 Uhr, kann im Restaurant geschlemmt werden. „Wir haben noch Kapazitäten frei“, sagt Florent Musa. Ebenso an Silvester, wo die Gäste erfahrungsgemäß zum Essen kommen, um dann den Jahreswechsel nicht mehr im Restaurant zu verbringen. Heiligabend und Neujahr bleibt das Restaurant geschlossen.