Dassendorf. Österreichs Ex-Nationalspieler von der TuS Dassendorf über die EM-Auslosung und was er von der deutschen Mannschaft hält.

„Hammerlos“ (Der Kurier), „Hammer-Gegner“ (Kronenzeitung), „Hammergruppe“ (Salzburger Nachrichten) – Österreichs Tageszeitungen waren sich nach der Auslosung in der Hamburger Elbphilharmonie zur Fußball-Europameisterschaft 2024 einig. Vize-Weltmeister Frankreich, die Niederlande sowie ein Qualifikant, möglicherweise Polen, als Gruppengegner, schwerer hätte es für das Team der Alpenrepublik kaum kommen können. Doch Martin Harnik, 68-facher österreichischer Nationalspieler in Diensten des Fußball-Oberligisten TuS Dassendorf, beruhigt: „Auch in dieser Gruppe kann Österreich weiterkommen!“

Der 36-Jährige hat dabei den besonderen Modus der Fußball-Europameisterschaft im Hinterkopf. Seit 2016 wird die EM mit 24 Mannschaften statt wie früher mit 16 Teams gespielt. „Dadurch ist alles sehr viel stärker aufgebläht“, kritisiert Harnik. „Die Bedeutung der Gruppenspiele ist reduziert.“ Nicht nur die beiden Gruppenbesten, sondern auch noch vier Gruppendritte erreichen das Achtelfinale. Für die Österreicher wäre also selbst dann noch alles drin, falls sie ihr Auftaktspiel gegen Frankreich verlieren sollten.

Martin Harnik: „Das deutsche Team befindet sich in einem Jahrhunderttief“

Besser hat es die deutsche Elf mit den Gruppengegnern Schottland, Ungarn und Schweiz getroffen. Eine Glücksgruppe? „So etwas gibt es im heutigen Fußball nicht mehr“, betont Harnik. „Aber nach dieser Auslosung ist das Erreichen des Viertelfinales für Deutschland wohl Pflicht. Das ist definitiv eine machbare Gruppe, da ist bei Deutschland als Gastgeber ja immer auch viel Euphorie mit im Spiel.“

Auch bei den Amateuren gibt Martin Harnik alles. Hier zieht der Stürmer der TuS Dassendorf (in Weiß) an Hasan Karaca vom FC Türkiye vorbei.
Auch bei den Amateuren gibt Martin Harnik alles. Hier zieht der Stürmer der TuS Dassendorf (in Weiß) an Hasan Karaca vom FC Türkiye vorbei. © BGZ/Hanno Bode | Bode

Gewinnen die Deutschen ihre Gruppe, träfen sie im Achtelfinale wohl auf Dänemark oder Serbien. Wie weit kann es also für die Elf von Trainer Julian Nagelsmann wohl gehen? „Der Anspruch sollte es schon sein, das Halbfinale zu erreichen“, betont Harnik. „Vom Titel brauchen war angesichts der momentanen Umstände nicht zu reden. Die deutsche Nationalmannschaft befindet sich ja in einem Jahrhunderttief.“

Martin Harnik: „An einem guten Tag können die Österreicher jeden schlagen“

Ganz anders die Österreicher, die sicherlich ihre Außenseiterrolle in der Gruppe D lustvoll annehmen werden. Aber sind sie das nach ihren jüngsten Erfolgen überhaupt noch, nur die Außenseiter? „Für mich ist Frankreich der klare Favorit in dieser Gruppe“, schätzt Harnik. „Dahinter kommen von ihrer Klasse her schon die Holländer, aber der Abstand zu den Österreichern ist nicht besonders groß. An einem guten Tag kann Österreich jeden schlagen.“

Er selbst hat sich während seiner eigenen Länderspiel-Karriere einige heiße Duelle mit Frankreich und den Niederlanden geliefert. Das legendärste Spiel von allen fand am 26. März 2008 im Wiener Ernst-Happel-Stadion statt. Harnik hatte einige Monate zuvor sein Länderspiel-Debüt gegeben und dabei gegen Tschechien als Einwechselspieler mit seinem zweiten Ballkontakt den Ausgleich zum 1:1-Endstand erzielt.

Wien 2008: Wie Martin Harnik mit Österreich die Holländer an die Wand spielte

Nun wollte sich der damals 20-Jährige im Frühjahr 2008 für die Europameisterschaft im eigenen Land empfehlen. Doch einen Monat vor dem Holland-Spiel waren die Österreicher daheim in Wien gegen Deutschland mit Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Michael Ballack sang- und klanglos mit 0:3 untergegangen. Und jetzt kamen also die Niederländer mit Stars wie Wesley Sneijder, Clarence Seedorf oder Klaas-Jan Huntelaar in das Ernst-Happel-Stadion.

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Was folgte, war ein kleines Fußball-Wunder: Österreich spielte die Holländer völlig an die Wand, führte nach einer guten halben Stunde schon mit 3:0, bevor Huntelaar zum 1:3-Pausenstand verkürzte. „Mein Teamkollege Sebastian Prödl und ich haben uns in der Kabine angegrinst und gesagt: ,Das kann doch nicht wahr sein!‘“, erinnert sich Harnik. Nach einer guten Stunde wurde der junge Stürmer dann jedoch von Nationaltrainer Josef Hickersberger der Taktik geopfert und ausgetauscht. In der Folge drehte die Niederlande die Partie und gewann noch mit 4:3. „An meiner Auswechslung hat das aber eher nicht gelegen“, schmunzelt Harnik.

Nach der Partie gegen Frankreich ergatterte Harnik das Trikot von Thierry Henry

Auch mit dem Gruppengegner Frankreich verbindet der 68-fache Nationalspieler ganz besondere Erinnerungen. Am 6. September 2008 bezwangen die Österreicher vor 48.000 Zuschauern in Wien Vize-Weltmeister Frankreich mit 3:1. „Das war für uns natürlich ein unglaublicher Start in die Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft, die wir dann aber leider trotzdem verpasst haben“, erinnert sich Harnik.

Fix war der Stürmer damals nicht nur auf dem Platz unterwegs, sondern auch nach dem Schlusspfiff zur Stelle. „Dieses Spiel ist mir auch deswegen besonders gut in Erinnerung geblieben, weil ich hinterher mit Thierry Henry das Trikot getauscht habe“, erzählt Harnik. „Das ist eines der wertvollsten Trikots in meiner Sammlung.“ Henry, der mittlerweile die französische U21-Auswahl trainiert, war 1998 Weltmeister und 2000 Europameister mit der Equipe Tricolore. Im kommenden Sommer werden nun andere Fußball-Geschichte schreiben.