Dassendorf. Der Ex-Profi schraubt seine Konto auf 43 Treffer. Dabei hatte die Partie gegen Victoria schlecht für die TuS Dassendorf begonnen.
Der Abend, an dem Martin Harnik Geschichte schreiben sollte, begann für seine TuS Dassendorf mit Pleiten, Pech und Pannen. Zunächst streikte der Drucker des Fußball-Oberligisten, sodass weder die versammelte Journaille noch Stadionsprecher Niels Jürgens mit einer Mannschaftsaufstellung der Nachholpartie gegen den SC Victoria versorgt werden konnten. 120 Sekunden nach dem Anpfiff klatschte dann ein strammer Schuss von Harnik ans Lattenkreuz, bevor die Gäste durch Luca Ernst in Führung gingen (7.).
Sieben Minuten später drosch „Vicky“-Keeper Dennis Lohmann das Spielgerät über die Werbebande in Richtung des Hügels hinter den Auswechselbänken. „Der Ball ist kaputt“, erklärte der Schlussmann seinen Schuss ins Nirwana. Eine leere Druckerpatrone, kein Fortune beim Abschluss, keine Luft mehr auf der „Pille“ und dazu ein TuS-Team, das in der Rückwärtsbewegung eklatante Schwächen zeigte. Vieles deutete zunächst darauf hin, dass Dassendorf einen komplett gebrauchten Tag erwischt hatte.
Bisherige Bestmarke stammt aus der Saison 1981/82
Aber es gab ja noch „Hanno“, wie Harnik am Wendelweg gerufen wird. Der Torhunger des langjährigen Bundesliga-Profis (VfB Stuttgart, Werder Bremen), Ex-Stürmers des HSV und früheren österreichischen Nationalspieler war wieder einmal nicht zu stillen. Mit drei Treffern hatte der 35-Jährige nicht nur großen Anteil am 5:2-Erfolg des Meisters, sondern schraubte sein Torkonto auch auf sagenhafte 43 „Buden“. Damit stellte Harnik einen neuen Rekord in Hamburgs Beletage auf. Die bisherige Bestmarke stammte aus der Saison 1981/1982, als Peter Hartwig (Hummelsbütteler SV) 41 Mal ins Schwarze getroffen hatte.
TuS-Kapitän Martin Harnik freut sich über den neuen Rekord
„Es freut mich natürlich. Es ist was Großartiges, einen Rekord, der so lange Bestand hatte, zu brechen. Und jetzt heißt es, diesen auszubauen“, sagte der TuS-Kapitän. Wie sehr das Feuer noch in ihm lodert, zeigte sich in den Schlussminuten des Duells mit „Vicky“, als er ausgewechselt auf der Ersatzbank saß und jede Aktion seiner Teamkameraden emotional kommentierte.
Dabei bestanden am Sieg der Elf des Trainer-Duos Peter Martens/Thomas Hoffmann beim Stand von 5:2 zu diesem Zeitpunkt schon keine Zweifel mehr. Denn im zweiten Durchgang brachen die Gäste vor 228 Zuschauern am Wendelweg ein, während Dassendorf sich erheblich zu steigern wusste.
„In der Halbzeitpause ist die Kabinentür unter Umständen zu Bruch gegangen“
„Das war ein ganz schöner Krimi. Zur Wahrheit gehört halt auch die erste Halbzeit. Wenn es ganz dumm läuft, gehen wir mit 1:4 in die Pause“, sagte Harnik mit Blick auf die ersten 45 Minuten, in denen die Gastgeber erhebliche Defizite in der Arbeit gegen den Ball zeigten.
„Wie wir verteidigt haben, das hat mit einer Spitzenmannschaft nichts zu tun“, kritisierte Martens. Sein gleichberechtigter Trainer-Partner Hoffmann gab nach der Partie offen zu, ob des Abwehr-Chaos’ Sachbeschädigung betrieben zu haben: „In der Halbzeitpause ist die Kabinentür unter Umständen zu Bruch gegangen, könnte sein.“
Nach einer emotionalen Pausenansprache riss sich die TuS zusammen
In Abwesenheit des Gelb-gesperrten etatmäßigen Abwehrchefs Maximilian Ahlschwede sowie des ebenfalls unverzichtbaren zentralen Mittelfeldakteurs Hendrik Dettmann (verletzt) war die TuS im ersten Durchgang ein ziemlich fragiles Gebilde. Ernst schlug mit seinem 1:0 früh Kapital aus den sich ergebenden Räumen. Harnik konnte den Rückstand zwar egalisieren, nachdem sich „Vicky“-Keeper Dennis Lohmann und Alexander Brock bei einem Abwehrversuch gegenseitig behindert hatten (28.), aber nur 60 Sekunden später sorgte Nick Scharkowski für die erneute Gäste-Führung. Hätte der Angreifer kurz vor der Halbzeit nicht am leeren Tor vorbeigeschossen (45.+3), „wäre das Spiel wahrscheinlich tot gewesen“, wie Hoffmann sagte.
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Nach seiner - gelinde ausgedrückt - emotionalen und kurzen Pausenansprache riss sich die TuS zusammen. In Abschnitt zwei initiierte der Meister Angriffe im Minutentakt und kam durch Mattia Maggio zum 2:2 (62.). Dessen Schwager Harnik, mit dem sich der einst ebenfalls beim HSV unter Vertrag stehende Offensivmann im ersten Abschnitt verbal angelegt hatte, war zuvor elfmeterreif zu Boden gerissen worden. Kurz darauf gelang Maggio auf Vorlage des eingewechselten Tarec Blohm mit einem wuchtigen Schuss die erstmalige Führung für die Hausherren (66.).
TuS Dassendorf dreht auf und demoralisiert Victoria
Nun war Dassendorf nicht mehr zu stoppen - und Victoria demoralisiert. Nach einem unlauteren Einsteigen von Nikolas Mallwitz an Harnik entschied Schiedsrichter Fabian Porsch (Barsbütteler SV) auf Strafstoß, den der Gefoulte selbst zum 4:2 verwandelte (67.). Neun Minuten später sorgte der TuS-Kapitän dann mit einem Schuss im Fallen für den Endstand, bevor er bald darauf unter dem Applaus seiner Teamkameraden und der Zuschauer ausgewechselt wurde.
„In der zweiten Halbzeit haben wir genau das gezeigt, was wir in so einer Situation zeigen müssen: Absoluten Willen, Leidenschaft und gemeinsames Verteidigen. Und dann haben wir auch die ganz wichtigen Tore gemacht, die wir auf dem Weg zur Meisterschaft benötigen“, sagte der Matchwinner. Noch hat die TuS zwar drei Zähler Rückstand auf Spitzenreiter TSV Sasel, aber auch noch eine Nachholpartie in der Hinterhand und nun - auch dank Harnik - bereits die bessere Tordifferenz im Vergleich zum Tabellenführer. Der Tag, der so schlecht begonnen hatte, wurde dann also doch noch richtig schön für Dassendorf und seinen neuen Rekordhalter Martin Harnik.
TuS Dassendorf:Kalk (3) - Kleine (3), Muhlack (3), Aust (3), K. Carolus (3) - Doege (2), Lam (3) ab 79. Möller (-), R. Carolus (2) ab 83. Thomas (-), Maggio (2) ab 83. Zalli (-), Kurczynski (3) ab 46. Blohm (2) - Harnik (1) ab 87. Feldpausch (-).