Hamburg. Bau der Jugendanstalt Hamburg kostet 164 Millionen Euro. 2026 sollen die Bauarbeiten beendet sein. Wie es auf der Baustelle vorangeht.
Eine der größten Baustellen in der Hansestadt Hamburg befindet sich aktuell am Dweerlandweg, direkt neben der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder. Dort entsteht ein neues Gefängnis für männliche jugendliche und heranwachsende Straftäter. Es soll das modernste Jugendgefängnis Deutschlands werden und die in die Jahre gekommene JVA auf der Elbinsel Hahnöfersand (Gemeinde Jork, Niedersachsen) ersetzen. Ende 2026 sollen die Bauarbeiten beendet sein. Die Inbetriebnahme auf dem etwa acht Hektar großen Areal ist für Anfang 2027 geplant.
Der die JVA umlaufende Graben wurde erweitert und umschließt nun auch die künftige Jugendanstalt Hamburg. Die graue, hohe Mauer, die die JVA umgibt, wurde ausgeweitet. Innerhalb der Mauer wird der Erwachsenenvollzug durch einen hohen Zaun von der Jugendanstalt getrennt. Für die jungen Straftäter entstehen derzeit vier Hafthäuser. Sie werden in „Schwalbenschwanz“-Form errichtet: Die Stationen teilen sich jeweils in zwei Flügel auf, die in einem rechten Winkel zueinander stehen und nach Bedarf voneinander abgetrennt werden können. In der Mitte befindet sich die Aufsicht, von der aus beide Flügel und somit beide Wohngruppen gleichzeitig einsehbar sind, heißt es aus der Justizbehörde.
Jugendgefängnis Billwerder: Das erste Hafthaus steht bereits
Von einem Hafthaus steht bereits der Rohbau, von den anderen drei gibt es erst die Fundamente. „Gebaut wird von Süd, wo sich der Eingang befindet, nach Nord“, sagt Michael Bartholomäus, der in der Justizbehörde das Projekt Justizvollzug 2020 und somit auch das Bauprojekt in Billwerder leitet. Das Gelände soll von Grünflächen geprägt werden, betonte Justizsenatorin Anna Gallina (Bündnis 90/Die Grünen) bei der Grundsteinlegung vor einem Jahr.
Wegen der eingeschränkten Tragfähigkeit des Untergrundes in Billwerder werden die Gebäude der Jugendanstalt Hamburg auf Pfählen errichtet. Die erforderlichen Rammpfähle waren bis zum Herbst 2023 in den Boden eingebracht worden. Kurz darauf starteten die Arbeiten am Rohbau. Insgesamt 14 Gebäude sollen auf dem Gelände entstehen, darunter auch zwei Blockheizkraftwerke, eines innerhalb und eines außerhalb der Gefängnismauern, sowie ein sogenanntes Berufsentwicklungszentrum mit Werkstätten für diverse Gewerke und EDV-Schulungsräumen. Ein Beratungszentrum für externe Mitarbeitende wie Suchthelfer oder Seelsorger wird für bessere Arbeitsmöglichkeiten vor Ort sorgen.
Neben einer Freifläche entstehen eine Turnhalle und ein Multifunktionsgebäude
Die Gebäude werden klima- und energieeffizient umgesetzt. Die Dächer sollen zu 50 Prozent begrünt und teilweise mit einer Photovoltaikanlage mit einer Fläche von insgesamt 1200 Quadratmetern ausgestattet werden.
Außerhalb der Mauern werden Gebäude für den offenen Vollzug und für eine sogenannte Jugendarrestanstalt gebaut. Auf der anderen Seite der Mauer, also innerhalb der neuen Jugendanstalt, entsteht eine umschlossene Freifläche neben einer Turnhalle und einem Multifunktionsgebäude, in dem vor allem kreatives Arbeiten gefördert werden soll. Dort können sich die Insassen unter anderem sportlich betätigen.
Kürzere und einsehbarere Wege als auf der Elbinsel Hahnöfersand
Alle Gebäude werden mit einer Magistrale (Hauptverkehrslinie), langen, überdachten Fluren verbunden. „In Hahnöfersand liegen die einzelnen Gebäude weit voneinander entfernt. Deshalb müssen die Mitarbeiter und die Insassen immer wieder weite Wege unter freiem Himmel zurücklegen“, sagt Anstaltsleiter Peter Vetter. In Billwerder werde alles „kompakter und überschaubarer“, würden die Wege einsehbarer gestaltet. Deshalb könne man auch „in Alarmsituationen“ schneller reagieren, betont der 57-Jährige. Zudem werde durch die kurzen Wege weniger Personal gebunden.
Gruppenräume mit viel Glas würden ein angstfreies Klima schaffen, denn die Inhaftierten würden darin stets Sichtkontakt zu den Bediensteten halten können. Auseinandersetzungen zwischen Gefangenen könne man so besser vermeiden. In der Jugendanstalt sollen junge Männer Strafen verbüßen, die zum Zeitpunkt der Tat zwischen 14 und 21 Jahre alt waren. Eine Erhebung der JVA Hahnöfersand aus 2019 ergab ein Durchschnittsalter von etwa 19 Jahren. Die häufigsten Straftaten waren Diebstahl, Raub und Körperverletzung.
Im geschlossenen Vollzug der JVA Hahnöfersand sind oft wenige Haftplätze frei
Rund die Hälfte der an ein Naturschutzgebiet angrenzenden Fläche soll für den geschlossenen Vollzug genutzt werden, jeweils etwa ein Viertel als Freifläche innerhalb der Anstalt und für den offenen Vollzug/Jugendarrest.
„Der aktuelle Standort der JVA Hahnöfersand wird aufgegeben und das Gefängnis verlagert“, sagt Vetter, der das Jugendgefängnis seit 2016 leitet. In Hahnöfersand gibt es 176 Haft- und 20 Arrestplätze. „Von den Haftplätzen sind 158 für den geschlossenen und 18 für den offenen Vollzug“, sagt Vetter. Derzeit sind auf der Elbinsel knapp 130 junge Menschen inhaftiert. Im Laufe der Jahre seien „oft nur ein oder zwei Plätze im geschlossenen Vollzug freigeblieben“, betont Vetter und fügt hinzu: „In der Untersuchungshaft kann es von einem Tag auf den anderen voll werden, da gibt es starke Schwankungen.“ Ein Großteil der Gefangenen verbüße Haftstrafen zwischen zwei und zweieinhalb Jahren, berichtet der JVA-Leiter.
Guter Überblick vom Pfortenhaus
Das neue Pfortenhaus für das Jugendgefängnis, dessen Rohbau bereits weit vorangeschritten ist und von dessen Flachdach sich die Baustelle gut überblicken lässt, wird sich deutlich von dem Eingangsbereich der benachbarten JVA unterscheiden. Die Pfortenaufsicht kann durch Hochsicherheitsglas rausschauen, hat keine Gefängnismauer vor sich. „Es wird auch einen Unterstand für Fahrräder der Mitarbeiter geben“, sagt Bauleiter Björn Kienel vom planenden Architekturbüro AGN. Der Eingangsbereich werde einladender gestaltet als der vom Nachbargefängnis, betont Kienel, „mit Fußweg und Grünfläche optisch aufgelockert“..
Die Fassade wird aus sandfarbenem Klinker gemauert und sich dadurch von den anschließenden Mauern rechts und links vom Eingang abheben. „Sämtliche neuen Gebäude werden sandfarben verklinkert“, sagt Stefan Rudelius, AGN-Oberbauleiter. Im Pfortengebäude entstehen Büros und Besuchsräume, in denen sich etwa Rechtsanwälte mit ihren Mandanten beraten können. Wenn die Gebäude stehen, soll der Bau der Erschließungsstraße mit den erforderlichen Parkplätzen folgen, was zum Teil eine Erweiterung des Dweerlandwegs vor der JVA Billwerder darstellt.
Abteilung für Männer, die besonders schwere Gewaltstraftaten verbüßen
In Billwerder entstehen 200 Haftplätze, daneben 18 für den offenen Vollzug, und 20 Arrestplätze. „Der geschlossene Bereich wird also um 42 Haftplätze erweitert“, sagt der Anstaltsleiter. Von den vier neuen Hafthäusern wird eines einstöckig (24 Haftplätze) und die anderen drei zweistöckig mit jeweils 48 Haftplätzen. Hinzu kommt eine Sozialtherapeutische Abteilung mit 18 Plätzen. Dort sollen Täter eingesperrt werden, die schwere Gewaltstraftaten verbüßen.
Mehr als 150 Justizbedienstete werden Anfang 2027 von Hahnöfersand nach Billwerder umziehen. Danach soll das 111 Jahre alte Gefängnis aufgegeben werden.
Bau wird deutlich teurer als geplant
164 Millionen Euro wird der Bau des neuen Gefängnisses mindestens kosten. „Wir rechnen mit erheblichen Baupreissteigerungen“, sagt Bartholomäus. Schließlich seien die Kostenschätzungen aus der Zeit der ersten konkreten Planungen im Jahre 2019. „Aufträge konnten nicht oder nur unter sehr schwierigen Bedingungen vergeben werden“, sagt der Projektleiter, der auf die weltweit schwierigen wirtschaftlichen Auswirkungen von Pandemie und Krieg in der Ukraine verweist. Deshalb „kann eine Verteuerung des Bauvorhabens nicht ausgeschlossen werden“, heißt es aus der Justizbehörde.
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Sie seien auch der Grund dafür, dass das neue Gefängnis erst elf Monate später als geplant fertig sein wird. Als im Juli 2021 mit dem Bau begonnen worden war, ging man in der Justizbehörde sogar von einer Fertigstellung in 2025 aus.
Erheblicher Renovierungsstau in der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand
„Was den weiteren Betrieb der JVA Hahnöfersand betrifft, sind die Verzögerungen nicht dramatisch, aber es gibt dort einen erheblichen Renovierungsstau“, sagt Vetter. „Seit etwa sieben Jahren ist klar, dass der Standort Hahnöfersand aufgegeben wird. Deswegen müssen wir uns immer wieder fragen, ob Investitionen noch lohnen. Brauchen wir neue LED-Lampen oder nutzen wir weiter die alten, stromfressenden Leuchtmittel?“ Eines sei jedoch klar: Der Standard der Ausstattung der neuen Gebäude in Billwerder werde deutlich besser, weiß Vetter.
Dass die neue Jugendanstalt in Billwerder gebaut wird, hatte im Bezirk Bergedorf in Politik und Gesellschaft für viel Kritik gesorgt, da in unmittelbarer Umgebung nicht nur der neue Stadtteil Oberbillwerder geplant ist, sondern bereits der Huckepackbahnhof, das Gewerbegebiet Allermöhe und das Quartier im Gleisdreieck entstanden sind. Die Justizbehörde verspricht sich von dem Neubau hingegen die „modernste Jugendanstalt Deutschlands“ mit einer nach neuesten Erkenntnissen entworfenen Infrastruktur.