Billwerder. „Weit mehr als nur Türen auf- und abschließen“: Die 31-Jährige ist gerne Strafvollzugsbeamtin. Wie ihre Arbeit in der JVA aussieht.
Julia Vivian Wernert verbringt einen Großteil ihrer Zeit hinter Gittern. Die 31-Jährige arbeitet als Strafvollzugsbeamtin in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder. Ihre Arbeit sei „herausfordernd“ und gerade das mache sie reizvoll, betont die junge Beamtin.
In der Justizbehörde in der Hamburger Innenstadt wurde Julia Vivian Wernert zwei Jahre lang ausgebildet. Die Ausbildung startete 2016 in der JVA Fuhlsbüttel, dort, wo schwere, lange Haftstrafen verbüßt werden. In der Sozialtherapeutischen Anstalt des Gefängnisses hatte die Auszubildende lange vor ihrem Arbeitsbeginn in der JVA Billwerder ihren ersten Kontakt zu Straftätern. „Das war interessant, denn es gab dort eine gute Zusammenarbeit – auch mit den Gefangenen.“
Julia Vivian Wernert (31) verbringt viel Zeit hinter den Gittern der JVA Billwerder
Julia Vivian Wernert ist gerade mit ihren beiden Hunden von Kirchwerder „in den Hamburger Speckgürtel“ gezogen. Wohin genau, das will sie nicht preisgeben, überhaupt mag sie nicht allzu viel Privates verraten, geht sie „vor allem zum Eigenschutz“ mit persönlichen Daten sehr sparsam und sensibel um. Nur so viel: Geboren und aufgewachsen ist sie im Ruhrpott. „Seit knapp acht Jahren lebe ich in Hamburg.“
Über die Bundeswehr kam sie „in den kühlen Norden“, in den sie sich längst verliebt habe. An ihre Arbeit im Strafvollzug kam sie über eine Freundin: „Die arbeitet in einer JVA in Nordrhein-Westfalen. Was sie mir vor Jahren darüber berichtete, klang interessant. Daraufhin habe ich mich eingehender informiert.“
2020 wechselte sie von der JVA Fuhlsbüttel zur JVA Billwerder, „um einen kürzeren Arbeitsweg zu haben“. Das Gefängnis am Dweerlandweg kannte sie bereits von innen. „Ich da war während meiner Ausbildung für drei Monate, habe die Kollegen dort begleitet.“ Julia Vivian Wernert arbeitet in der Teilanstalt für Frauen. Etwa 100 der rund 800 Insassen in Billwerder sind weiblichen Geschlechts „In Hamburg sind Frauen längerfristig nur in Billwerder inhaftiert“, sagt die Beamtin. Das Spektrum reiche von der Schwarzfahrerin, die für wenige Tage hinter Gittern ist, bis zur Mörderin mit langjähriger Haftstrafe.
Justizvollzugsbeamte in allen Belangen die ersten Ansprechpartner
Dass sie sich als Frau um die eingesperrten Frauen kümmere, habe nichts mit ihrem Geschlecht zu tun, sagt die Beamtin: „Dort arbeiten auch männliche Kollegen. Und im Männervollzug arbeiten auch Frauen.“
Sie und ihre Kollegen seien in allen Belangen die ersten Ansprechpartner für die Gefangenen. Deshalb sei es wichtig, ein kontinuierliches, professionelles „Nähe-und-Distanz-Verhältnis“ zu haben. Die Beamten würden nicht nur von den Gefangenen Respekt erwarten, sondern ihnen auch respektvoll begegnen. „Respekt ist schließlich keine Einbahnstraße“, sagt Julia Vivian Wernert. Das fange bereits mit der Sprache an: Die Bediensteten würden die Gefangenen stets siezen. Im Normalfalle geschehe dies auch umgekehrt.
Tiefste Tiefs und Glücksmomente der Straftäter miterleben
Straftäter würden sich nicht nur durch ihre Straftaten auszeichnen, betont die Beamtin, „sondern auch durch ihre Charaktereigenschaften“. Julia Vivian Wernert: „Ich erlebe die Inhaftierten in vielen Lebenssituationen – in ihren tiefsten Tiefs ebenso wie in Glücksmomenten“, sagt die Justizvollzugsbeamtin. Sie sei bei ihnen, wenn sie gerade zu vielen Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, aber auch, wenn sie sich über einen lieben Brief vom Ehemann, über eine just in der Anstalt abgeschlossene Ausbildung oder über die baldige Entlassung freuen.
Die Taten der Inhaftierten wolle Julia Vivian Wernert nicht beurteilen: „Ich bin kein Richter, sondern für die Resozialisierung zuständig. Und ich soll – zum Schutz der Gesellschaft – natürlich auch darauf aufpassen, dass niemand türmt.“ Eine Waffe trage sie nicht. „Das Wort ist meine Waffe.“ Oft müsse sie deeskalierend agieren. Einerseits sei sie „jeden Tag Teflon, also stets körperlich distanziert“ und nehme niemals eine Gefangene in den Arm. „Vorsichtiges agieren ist mir inzwischen ins Blut übergegangen.“ Andererseits sei oft Einfühlungsvermögen gefragt: „Dann gibt es tröstende Worte oder auch mal ein einstündiges Gespräch, in dem ich vor allem zuhöre und auf die Sorgen der Inhaftierten eingehe“, sagt die 31-Jährige.
Es kommt häufig zu Entgleisungen hinter Gittern
Bedauernswerterweise würden psychische Auffälligkeiten unter den Insassen zunehmen, betont Julia Vivian Wernert. Verbal und auch körperlich komme es häufig zu Entgleisungen. „Das ist ein gesellschaftliches Problem, hängt auch mit Sprachbarrieren zusammen.“ Angriffe unter den Straftätern und auch auf Bedienstete seien „keine Seltenheit“. Falle ein Insasse wiederholt durch aggressives Verhalten auf, komme er in einen gesonderten Haftbereich. Sexuelle Belästigungen würden sofort der Anstaltsleitung gemeldet.
Doch egal, wo sich die Straftäter befinden: „Jeder Inhaftierte hat einen eigenen Haftraum, verbringt aber viel Zeit mit den Mitgefangenen – etwa bei der Arbeit oder bei Freizeit und Sport an der frischen Luft. Eine permanente Absonderung ist in Deutschland schon lange nicht mehr erlaubt.“ Die Straftäter sollen „nicht noch kranker“, sondern „auf das Leben draußen vorbereitet werden“. Julia Vivian Wernert: „Sie erleben deshalb bei uns ein Stück weit Normalität.“
31-Jährige engagiert sich in der Gewerkschaft
Die Hafträume seien nachts abgeschlossen und tagsüber zu bestimmten Zeiten offen. Die Insassen würden einen „strukturierten Tagesablauf“ erleben. „Meine Kollegen und ich sind die Manager, die dafür sorgen, dass alles reibungslos abläuft“, sagt die Beamtin im Allgemeinen Vollzugsdienst.
Gearbeitet werde im Schichtdienst, tags und nachts. Unter ihren Kollegen seien mehr Männer als Frauen. Julia Vivian Wernert lobt die Justizbehörde und die Anstaltsleitung, die sich um „eine familienfreundliche Gestaltung der Schichtdienste bemühe“. Die junge Frau engagiert sich auch in der Gewerkschaft, ist Jugendsprecherin der Gewerkschaft LVHS (Landesverband Hamburgischer Strafvollzugsbediensteter).
Ein großes Schlüsselbund am Gürtel
Viel Wert legt Julia Vivian Wernert auf korrekte Bezeichnungen: „Wir sind keine Schließer und auch keine Wärter, sondern Justizvollzugsbeamte. Schließlich machen wir weit mehr als nur Türen auf- und abschließen.“ Ein großes Schlüsselbund habe sie allerdings trotzdem am Gürtel.
Leider habe ihr Beruf „manchmal ein negatives Image“, klagt die 31-Jährige und fügt hinzu: „Dabei leisten wir viel für die Resozialisierung der Insassen.“ Dass aus Sicherheitsgründen nicht alles transparent gemacht werden könne, erschwere die Verbesserung des Images der Justizvollzugsbeamten. „Wir sind halt die, die hinter der hohen Mauer agieren.“
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An ihrem Beruf schätze sie auch dessen Vielfältigkeit, sagt Julia Vivian Wernert: „Wir Strafvollzugsbeamte sind alles Mögliche, etwa Sozialarbeiter, Psychologen, Hausmeister, Übersetzer, Frühaufsteher und Nachteulen. Wir sind Organisationstalente und Vorbilder, aber auch Spürhunde, wenn wir die Hafträume regelmäßig nach verbotenen Gegenständen wie etwa Waffen und Drogen durchsuchen.“
„Meine Kollegen sind meine größte Sicherheit“
Man müsse in ihrem Beruf ein Teamplayer sein, betont die 31-Jährige. „Meine Kollegen sind meine größte Sicherheit. Auf sie muss ich mich einhundertprozentig verlassen können – und genauso umgekehrt.“ Erst vor Kurzem sei einer ihrer Kollegen von einem Insassen mit heißem Wasser bespritzt worden. „Man kann schnell in eine gefährliche Situation kommen, in der man auf Hilfe seiner Kollegen angewiesen ist.“ Nach Feierabend ist Julia Vivian Wernert gern im Freien: „Ich bin viel zu Fuß in der Natur unterwegs, hier im Norden und an der Elbe“, sagt sie.