Hamburg. Dreharbeiten für den zweiten Fall von Kommissar Danowski in Hamburg. Die Vorlage liefert Krimiautor Till Raether. Ein Besuch am Set.
Das Plöner Kommissariat liegt an der Moorfleeter Straße in Hamburg. Zumindest so lange hier der TV-Krimi„Danowski: Neunauge“ entsteht. Hinter den abgedunkelten Scheiben eines unscheinbaren Bürobaus wird heftig über polizeiliche Befugnisse gestritten, denn die Plöner Polizei reagiert recht empfindlich auf die Hamburger Beamten, die in der Nähe von Plön auf der Suche nach einem Verdächtigen sind. Danach wird neu eingeleuchtet, weiter geschwitzt und nochmal gepudert. Draußen müssen alle leise sein und der Technik aus dem Weg gehen. Typische Drehort-Romantik.
Zur Mittagspause kommen die Hauptdarsteller des Drehtags ans Licht: Milan Peschel trägt Knitter-Look mit getrockneten Matschflecken an Hemd und Hose, Marc Hosemann eilt in schmucker Polizeiuniform zum Essen. Müssten die beiden nicht gleich wieder vor die Kamera, könnte Peschel in seinem Kostüm zum nächsten Kiosk schlurfen und Bier holen, Hosemann derweil an der Straße Strafzettel verteilen.
Dreharbeiten für TV-Krimi in Hamburg: Erster Teil wurde 2019 gedreht
Unter dem Titel „Danowski – Blutapfel“ lief 2019 der erste Fall um den hochsensiblen Hamburger Kommissar Adam Danowski. Über fünf Millionen Zuschauer folgten dem Ermittler bei der Tätersuche in die engen Seitenschächte des Elbtunnels und zu den verschwiegenen Bewohnern einer Neubausiedlung im Süden der Stadt. Schon in der ersten Verfilmung nach der gleichnamigen Buchreihe von Till Raether gibt es zwei Hauptrollen: Milan Peschel gibt Danowski ein Gesicht, das Land längs der Elbe dem Krimi Atmosphäre. Der Mix überzeugt und trotz fünfjähriger Pandemie-Pause blieben hinter und vor der Kamera fast alle am Ball.
„Adam Danowski ist jedes Testosteron-Gehabe fremd. Er fühlt sich in der zweiten Reihe wohler als vorn“, erklärt Peschel in der Drehpause seinen Part. Einen Kommissar hat der Schauspieler, der von derber Komik („Doppelhaushälfte“) bis zum bitteren Schicksal eines Sterbenden („Halt auf freier Strecke“) alles kann, bisher nicht gespielt. Auch diesmal war das nicht sein Antrieb.
Tief eingetaucht in das Seelenleben eines hochsensiblen, depressiven Menschen
Peschel mag Danowski, weil er ein unterschätzter Charakter ist. Auf der Suche nach der Innenwelt seiner Figur wiesen ihm die Bücher von Till Raether den Weg. „Ich habe im letzten Jahr sechs der sieben Bände gelesen und bin tief in das Seelenleben eines hochsensiblen, tendenziell depressiven Menschen eingetaucht. Das ist richtig kluge, gescheite Unterhaltung“ schwärmt Peschel, der am liebsten aus jedem Danowski-Fall eine Miniserie machen würde.
„Schön wär‘s“, lacht Till Raether und nimmt Peschel zur Begrüßung in den Arm. Autorenbesuch am Set. Auch Annette Reeker ist da. Als Produzentin und Drehbuchautorin weiß sie, was im Fernsehen gerade geht und was nicht. „Es gab schon mehrere Anläufe, die Danowski-Romane zu verfilmen“ sagt Reeker. Vieles scheitert an den spektakulären Tatorten. Für den Dreh auf einem in Hamburg ankernden Kreuzfahrtschiff legt eben keiner für ein paar Tage den Hafen lahm.
Autor folgt nicht nur der Krimispur, sondern auch seinen Figuren
Die zweite Herausforderung liegt im Aufbau der Romane: „Till folgt nicht nur der Krimispur, sondern auch seinen Figuren. Das ist für 90 Minuten Sendezeit schon sehr komplex.“ Die Drehbuchfassung muss also entschlacken, ohne Wesentliches zu verlieren. Für die Arbeit an den Danowski-Stoffen zieht sich Annette Reeker gedanklich immer „einen Männermantel“ an. So geht sie durch die Welt beschädigter männlicher Eitelkeiten, aus der der stille, angeblich nicht funktionierende Danowski am Ende als Stabilster herauskommt. Immerhin: Adam Danowski ist ein Kommissar mit intaktem Familienleben. Wo gibt‘s denn sowas?
Bei Till Raether gibt es das. Der wollte einen normalen Arbeitnehmer als Kommissar. Einen Mann, der gern Zeit mit der Familie verbringt und dem die Arbeit tendenziell immer zu viel ist. Der sich deshalb auf die Suche macht. Der herausfinden will, was mit ihm los ist. Der wissen will, ob er nur ausgebrannt oder schon depressiv ist, der sich helfen lassen muss. Indem er Danowski mit leisem Humor begleitet, gelang Raether eine sehr besondere Figur. Adam Danowski ist kein Kaputtnik, dem man bei der Arbeit zusieht, sondern ein Mensch, dessen ermittlerisches Können auf seiner sensiblen Weltsicht basiert. Schwäche ist Danowskis Stärke.
Fall dreht sich um Leichenfunde in Hamburger Schulkellern
Noch bis zum 22. Juni dreht das Team um Regisseur Jonas Grosch („Legend of Wacken“, „Last Exit Schinkenstraße“) an der Verfilmung von „Danowski: Neunauge“. Der Fall dreht sich um Leichenfunde in Hamburger Schulkellern, um einen falschen Verdacht und eine Ermittlerin in Erklärungsnöten. Adam Danowski wird bei der Arbeit von einem ihm vertrauten Ermittlerpaar unterstützt und von dem eitlen Münchner Fallanalytiker Martin Gaitner behindert.
Die Rolle des Gaitner spielt Sebastian Bezzel, der als niederbayerischer Provinzpolizist Franz Eberhofer im Kino Erfolge feiert und mittlerweile seit 17 Jahren in Hamburg lebt. Bei seiner Stippvisite am Set verrät Bezzel, dass Billwerder bisher zu den blinden Flecken auf seiner Hamburg-Karte gehörte. Wie man als zugereister Schauspieler Hamburg am besten kennenlernt, weiß er trotzdem: „Durch Dreharbeiten und indem man Kinderspielzeug per ebay bestellt und persönlich bei den Vorbesitzern abholt.“
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Danowski steht auch am Billwerder Billdeich vor der Kamera
In den kommenden Tagen steht Milan Peschel alias Danowski in Moorfleet, Billstedt, Billbrook und am Billwerder Billdeich vor der Kamera. Alles Orte, die auch in den Romanvorlagen vorkommen. Die klassischen Hamburg-Perlen wie Elbstrand oder Eppendorf sucht man darin vergebens. Ebenso die klassischen Tatorte Kiez und Reeperbahn. Till Raether reizen „Durchgangsorte“ und das Hamburg südlich der Elbe. „Unentdecktes Terrain“, sagt er.
Wie inszeniert, fängt der Regen jetzt so richtig an zu prasseln und Raether grinst: „Hier rauschen die Laster vorbei, hier ist Wasser und Elbe und Bille. Hier ist alles in Bewegung und dazwischen Niemandsland. Wenn einer wie Danowski an einem Tag wie diesem hier im Regen steht, besser lässt sich das Gefühl von Heimatlosigkeit und Ungeschütztsein doch nicht erzählen.“