Hamburg. Sowohl die Pandemie als auch die Folgen des Ukraine-Krieges kommen auch in der JVA Billwerder an. Wie die Krisen gemeistert werden.
Mehr als 600 Haftplätze für Männer, knapp 100 für Frauen und an die 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter der Großteil im allgemeinen Vollzugsdienst, aber ebenso beispielsweise Lehrkräfte, Verwaltungsmitarbeiter, Psychologen, Krankenpfleger und Ärzte: Die Justizvollzugsanstalt Billwerder am Dweerlandweg sei wie ein kleines, eigenständiges Dorf, meinen Ute Smentek und Annette Volkmann.
Sie sind sozusagen die „Bürgermeisterinnen“ dieses Dorfes, denn die beiden Frauen stehen seit gut eineinhalb Jahren an der Spitze der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder beziehungsweise der Teilanstalt für Frauen. Im Gegensatz zu anderen Dörfern umgibt aber keine grüne Gartenhecke das Grundstück, sondern eine dicke Mauer. Doch ob Corona-Pandemie oder Energiekrise – die Sorgen und Herausforderungen seien dieselben wie außerhalb der Mauern – und die gelte es gemeinsam zu bewältigen, betont Ute Smentek.
Sorgen in der JVA Billwerder um Insassen und Mitarbeiter waren groß
Bei Corona sei das bislang sehr gut gelungen, so die 56-Jährige, die die Leitung von Hamburgs größter Justizvollzugsanstalt in einer Zeit der Pandemie übernahm, als gerade die ersten Impfungen möglich waren und die Angst vor schweren Krankheitsverläufen groß war, erinnert sich Ute Smentek. So seien auch die Sorgen in der JVA um Insassen und Mitarbeiter groß gewesen, zudem sorgten sich viele Insassen um ihre Angehörigen, die zum Teil sehr weit weg wohnen. Das sei eine große Herausforderung gewesen, in der auch Besuche per Video Entlastung brachten, erinnert sich Annette Volkmann.
Infektionsschutzwände, Masken und Impfkampagne kamen zum Einsatz, Ärzte, Personal und Krankenpfleger hätten auf Hochtouren gearbeitet, so Smentek. Alle seien sehr bemüht gewesen, wodurch es zum Glück bis heute keine schweren Verläufe in der JVA gegeben habe. Derzeit laufe alles wieder „ganz normal“, quasi wie unter Vor-Pandemie-Bedingungen. Je nach Infektionsgeschehen und der geltenden Eindämmungsverordnung würden Maßnahmen gegebenenfalls wieder angepasst.
Bei den Männern herrscht ein stetiges Kommen und Gehen
Alle Haftplätze, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen, seien „so gut wie voll“, berichten die Anstaltsleiterinnen. Während in der Teilanstalt für Frauen auch lange Haftstrafen möglich sind und die Verweildauer dementsprechend länger ist, herrsche vor allem bei den männlichen Strafgefangenen, die in Billwerder kürzere Freiheitsstrafen verbüßen oder sich in Untersuchungshaft befinden, ein stetiges Kommen und Gehen.
Derzeit gebe es allerdings mehr Aufnahmen als Entlassungen. Zu einer Überbelegung würde es allerdings nie kommen, dann würde die Kooperation mit anderen geschlossenen Anstalten innerhalb der Hamburger Landesgrenze greifen und Gefangene dort untergebracht werden.
2025 soll die neue Jugendanstalt in Billlwerder fertig sein
Voraussichtlich in vier bis fünf Jahren werden sich auch jugendliche Gefangene in Billwerder in Haft befinden. Derzeit wird im Anschluss an die JVA die Jugendanstalt Hamburg gebaut. Dabei wird es sich um eine eigenständige Anstalt handeln – die Außenmauer ist allerdings dieselbe wie die der JVA. Als die neue Außenmauer der Jugendanstalt gebaut und an die bestehende angeschlossen wurde, hatte vor allem die Teilanstalt der Frauen viel von den Bauarbeiten mitbekommen, denn sie befindet sich direkt im Anschluss an die Jugendanstalt.
Mittlerweile haben die Frauen aber ihren Freistundenhof zurück, und das Areal, auf dem nun die Gebäude der künftigen Jugendanstalt entstehen, ist wiederum mit einer blickdichten Mauer von der Teilanstalt der Frauen abgetrennt. Die Fertigstellung der Anstalt ist für 2025 geplant, die Inbetriebnahme der Jugendanstalt ist für 2026/27 vorgesehen. Insgesamt 200 Haftplätze soll es im geschlossenen Vollzug, in Untersuchungs- und Strafhaft geben. Außerhalb der Mauern entstehen zudem 18 Haftplätze für den offenen Vollzug und 20 Plätze im Jugendarrest.
Trotz Energiesparmaßnahmen: Die Mauer bleibt beleuchtet
Die Außenmauer, die das gesamte Areal umgibt, wird weiterhin beleuchtet. In Hinblick auf die Energiesparmaßnahmen, die auch in der JVA notwendig sind, sei jedoch das Licht aus Sicherheitsgründen unverzichtbar, erklärt Ute Smentek. Viel mehr sind es nun viele Kleinigkeiten, die umgesetzt werden. Beispielsweise werden die Warmwasserboiler, welche zur Zubereitung von Heißwassergetränken durchgehend in Betrieb waren, durch Wasserkocher in den Hafträumen ersetzt.
Während bei den Büros auch beim Heizen gespart werden könnte, sei das in den Hafträumen jedoch nicht möglich, handele es sich doch um den Lebensraum der Gefangenen. Dort werde allerdings noch mehr auf verhaltensanpassende Maßnahmen gesetzt: Ist das Fenster geschlossen sowie Licht und Fernseher ausgeschaltet, wenn der Haftraum verlassen wird? „Wie bei der Pandemie auch ist das eine Aufgabe für alle“, betont Ute Smentek.
JVA Billwerder: Gewinnung von Mitarbeiterin eine Herausforderung
Mit ihren Mitarbeitern sehen sich Ute Smentek und Annette Volkmann gut aufgestellt für die Zukunft – auch wenn es natürlich immer noch mehr sein könnten, stellt Ute Smentek fest. Allerdings seien die Vakanzen im Vergleich zu vergangenen Jahren längst nicht mehr so groß. „Die Ausbildungsoffensive hat hier spürbar geholfen“, erklärt Ute Smentek. Allerdings hinterlasse jeder oder jede die geht, eine Lücke. Und so sei das Halten und die Gewinnung von Mitarbeitern immer eine Herausforderung. Der wollen sie sich stellen, indem sie auch die Vorzüge ihrer Arbeit in den Fokus stellen.
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„Es ist ein einzigartiger Arbeitsplatz, an dem kein Arbeitstag so wie der andere ist“, sagt Annette Volkmann. Die Arbeit in einem Team unterschiedlicher Professionen, das permanent im Austausch steht, gemeinsam funktionieren sowie Probleme und Herausforderungen meistern muss, „das ist bereichernd und spannend“, sagt Annette Volkmann. Im kommenden Jahr soll es dann auch etwas zu feiern geben: Die Justizvollzugsanstalt Billwerder wird 20 Jahre alt. Die Teilanstalt für Frauen, die seit 2016 in Billwerder beheimatet ist, existiert seit 25 Jahren. Beides soll im Juni 2023 gefeiert werden, kündigen die Leiterinnen an.