Hamburg. Zeitplan für Wohnungsbau in Gefahr. Behörden suchen Flächen für neun Feldlerchen-Brutpaare. Die Fledermaus macht‘s noch komplizierter.

Die Feldlerche bleibt auch weiterhin Oberbillwerders größter Feind. Genau genommen sind es sogar bloß neun Brutpaare dieses ebenso scheuen wie kleinen Wiesenvogels, die dem Bau des 15.000 Einwohner großen Zukunftsstadtteils nördlich des S-Bahnhofs Allermöhe im Wege stehen. Wie am Donnerstag im Stadtentwicklungsausschuss der Bergedorfer Bezirksversammlung deutlich wurde, hat sich seit dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts Ende Februar nichts getan – obwohl seither ein ganzer Behördentross auf der Suche nach neuen Brutflächen ist.

„Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Fläche finden. Die Gutachten sind schon in Vorbereitung“, übte sich Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann in Optimismus. Konkreter wolle sie nicht werden, „um keine Spekulationen auszulösen“. Nur so viel: Folgen für den Bau Oberbillwerders seien nicht zu befürchten, sagte die Rathauschefin, deren Amt selbst Teil des behördlichen Brutplatz-Suchtrosses für die Feldlerchen ist.

Wohnungsbau: Oberbillwerders größter Feind ist die anspruchsvolle Feldlerche

Eine Zuversicht, die nach dem Vortrag von Michael Flaig im Ausschuss zumindest verwundert. Der Chef des Amtes für Naturschutz und Grünplanung der Umweltbehörde beschrieb die Feldlerche als außerordentlich anspruchsvollen Vogel: „Jedes Brutpaar beansprucht rund drei Hektar Gras- und Krautfläche mit weitgehend freiem Horizont“, in dem keine andere Feldlerche zu Hause sei, sagte der Experte. „Bei neun Paaren suchen wir jetzt also nach 27 Hektar, die zudem in einem Umkreis von maximal vier Kilometern der heutigen Wiesen liegen.“ Noch weiter würden die Feldlerchen nicht umziehen.

Blick vom Fleetplatz in Neuallermöhe-West auf die Wiesen nördlich der S-Bahnstation Allermöhe, wo der Zukunftsstadtteil Oberbillwerder entstehen soll.
Blick vom Fleetplatz in Neuallermöhe-West auf die Wiesen nördlich der S-Bahnstation Allermöhe, wo der Zukunftsstadtteil Oberbillwerder entstehen soll. © BGZ / Tim Schreiber | IBA Hamburg / Johannes Arlt // ADEPT

Genau das hatte nämlich auch das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil bemängelt: Im ursprünglichen Umsiedlungsplan wurden die fraglichen neun Brutplätze auf der Elbinsel Hahnöversand bei Jork nachgewiesen, also 20 Kilometer entfernt. Alternativ genehmigte dann Bergedorfs Bezirksamt das Fällen von 35 Pappeln am Bahndamm gleich neben dem künftigen Oberbillwerder. Doch auch das untersagten die Richter auf Antrag des Dorfvereins Billwärder, denn in den eigentlich standortfremden Pappeln haben sich längst Fledermäuse und anderes Baumbrüter angesiedelt.

Insgesamt müssen für Oberbillwerder sogar 24 Feldlerchen-Brutpaare umgesiedelt werden

Und noch ein ganz anderes Problem lässt die Brutplatz-Sucher von Bezirk, Umwelt- und Stadtentwicklungsbehörde verzweifeln: Insgesamt brüten laut jüngster Zählung sogar 34 Feldlerchenpaare auf den 118 Hektar Wiesenflächen, auf denen der Zukunftsstadtteil entstehen soll. Für 25 von ihnen wurden bereits Ausweichquartiere im benachbarten Unterbillwerder im Bereich des dortigen Flusslaufs der Bille sowie im künftigen Naturkorridor zwischen Oberbillwerder und Mittlerer Landweg nachgewiesen. Weil die wegen der großen Flächenansprüche der Feldlerchen so schon besetzt sind, sieht es für die neun verblieben Pärchen schlecht aus.

Einen möglichen Ausweg aus dieser Misere deutete Michael Flaig bereits an: Es werde daran gearbeitet, Ausweichquartiere für die Fledermäuse zu schaffen, die heute in jenen Pappeln heimisch sind, die den Feldlerchen im Weg stehen. Zudem könnten an gleicher Stelle künftig Hecken stehen, damit auch die anderen Baumbrüter ein neues Zuhause finden. Ein Weg, der aus Flaigs Sicht möglich wäre, weil für die ohnehin standortfremden Bäume problemlos Fällgenehmigungen zu bekommen wären – und Feldlerchen Hecken tolerieren. Allerdings müssten diverse Gutachten angepasst und eventuell auch ein neues, wenn auch vereinfachtes Genehmigungsverfahren angeschoben werden.

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Unbeeindruckt davon laufen alle anderen Planungsverfahren in und um Oberbillwerder weiter. Dazu gehört die Ausschreibung für die Gestalt der künftigen Einkaufsstraße Oberbillwerders, die nun vorbereitet und nach den Sommerferien eröffnet wird. Auch werden die Entwürfe zum Umbau des Mittleren Landwegs konkretisiert, über den künftig ein wesentlicher Teil des Autoverkehrs vom Zukunftsstadtteil abgewickelt wird. Zudem befindet sich der Bebauungsplan Oberbillwerders in der finalen Bearbeitungsphase im Bezirksamt. Ist er im Sommer abgeschlossen, könnte der Sandtransport zur Aufhöhung der Flächen beginnen – sofern die Feldlerchen dann umgezogen sind. Klappt das nicht, könnte sich der bisher für 2029 angekündigte Einzug der ersten Menschen in Oberbillwerder ins nächste Jahrzehnt verschieben.