Boberg. Behörde will Menschen aus dem Zukunftsstadtteil den Zugang zur Boberger Niederung erschweren. Das sind die Gründe.
Naturschutzgebiete mitten in der Großstadt haben ein Problem: Je attraktiver sie für die Naherholung benachbarter Wohngebiete sind, desto stärker leidet der Naturschutz. In Hamburg trifft das vor allem die Boberger Niederung.
„Bereits heute ist dieses Naturschutzgebiet am Rande seiner Belastungsfähigkeit im Hinblick auf die Naherholungsnutzung“, sagt Umweltbehördensprecherin Renate Pinzke – und ergänzt mit Blick auf den kaum zwei Kilometer südöstlich geplanten 15.000-Einwohner-Stadtteil Oberbillwerder: „Eine dauerhafte deutliche Erhöhung der Besucherzahlen würde zu nachhaltigen Beeinträchtigungen der geschützten Natur führen, die mit den Zielen des Naturschutzgebietes nicht zu vereinbaren wären.“
Oberbillwerder: Kein direkter Weg in die Boberger Niederung
Zusammen mit den Oberbillwerder-Planern der IBA Hamburg will die Umweltbehörde dieses Dilemma auf rustikale Weise lösen: Den Bewohnern des Zukunftsstadtteils soll schlicht der direkte Weg zur Boberger Niederung abgeschnitten werden. Konkret geht es darum, keine direkte Verbindung durch die Felder zuzulassen, die künftig zwischen Oberbillwerder und dem Naturschutzgebiet liegen. Das gilt explizit auch für Fuß- und Radwege.
Eine Ausgrenzung, die Donnerstag im Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung für einen politischen Schlagabtausch sorgte: „Es ist sehr befremdlich, die Bewohner eines ganzen Stadtteils gezielt von einem beliebten Naherholungsgebiet auszugrenzen“, sagte CDU-Fraktionschef Julian Emrich. „Die richtige Reaktion auf dieses Dilemma wäre, die Pläne für Oberbillwerder stark zu verkleinern oder gleich auf diesen Stadtteil zu verzichten, der hier ohnehin nicht hinpasst.“
SPD: Nutzungsdruck schon seit Beginn der Corona-Pandemie
Für Bergedorfs Koalition aus SPD, Grünen und FDP hielt Petra Petersen-Griem (SPD) dagegen: „Der Nutzungsdruck auf die Boberger Niederung ist unabhängig von Oberbillwerder doch schon seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich gestiegen. Hier muss durch Ranger, Zäune und weitere Maßnahmen eingegriffen werden, um Naherholung zu kanalisieren und so mit dem Naturschutz vereinbar zu machen.“
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Anlass für das Hochkochen der Thematik war ein Vortrag der Naturschutz-Expertin Christine Buchwald, die im Auftrag der IBA seit 2020 die Verträglichkeit Oberbillwerders mit dem nahen Naturschutzgebiet untersucht hat. Das Ergebnis: Fast alle Vegetationstypen der sehr trockenen Dünenlandschaft werden nachhaltigen Schaden nehmen, zudem viele hier heimische Tiere erheblich gestresst. Ein besonderes Problem seien dabei die zahllosen Trampelpfade, die sich abseits der offiziellen Wege durch die Dünen ziehen.
Fußweg von mehr als drei Kilometern Länge schreckt Besucher ab
„Um die Zahl der Naherholungssuchenden deutlich zu reduzieren, müssen ihre Wege ins Naturschutzgebiet länger als drei Kilometer sein“, empfahl Christine Buchwald und verwies auf Zahlen aus der Forschung. „Naherholungssuchende kommen fast ausschließlich zu Fuß.“ Da seien drei Kilometer die entscheidende Schwelle.
Tatsächlich wird die Planung von Oberbillwerder genau darauf ausgerichtet: Alle Wege verlaufen nach Westen Richtung Mittlerer Landweg oder nach Osten über Bergedorf-West und sind so für das Ziel Boberger Niederung über drei Kilometer lang. Abkürzungen werden durch Zäune und andere Barrieren verhindert. Zudem soll Oberbillwerder selbst ausreichend grüne Flächen zur Naherholung bieten. Und auch die direkte Erreichbarkeit von Arealen wie dem Allermöher See und dem Westensee wird deutlich verbessert.