Hamburg. Bergedorfer Diesel-Fahrer können jetzt mit HVO 100, dem neuen Biokraftstoff im freien Verkauf, klimaschonender unterwegs sein.

Jetzt gibt es bei der Nordoel-Tankstelle an der Kurt-A.-Körber-Chaussee 52 eine neue Zapfsäule: Hier fließt nun HVO 100 heraus, ein klimaschonender Diesel-Kraftstoff, der aus altem Speiseöl hergestellt wird, zum Beispiel aus Frittenfett. „Dieser Kraftstoff hat eine hohe Qualität und ist besser als der bisherige Diesel“, wirbt Matthias Bartholl. Der Geschäftsführer der Lother Gruppe ist überzeugt vom neuen, geruchlosen Biokraftstoff: „Damit bieten wir unseren Kunden eine fossilfreie Alternative, die einen bedeutenden Beitrag zum Umweltschutz leistet. Und dieses Produkt ist nur der Anfang.“

Das Kürzel HVO steht für „Hydrotreated Vegetable Oils“. Gemeint sind biologischen Rest- und Abfallstoffe, die durch den Einsatz von Wasserstoff und Energie zu Kohlenwasserstoffen umgebaut, also „hydriert“, werden. Die Herstellung ist sehr aufwendig, wenn die gebrauchten Öle und Fette unter hohen Temperaturen und Druck mit Wasserstoff umgesetzt werden. Aber der Vorteil des Öko-Diesels überwiege, da die Pflanzen das CO₂ bereits der Atmosphäre entnommen haben. So erzeuge der Kraftstoff nur bei der Herstellung nennenswerte Emissionen. Laut Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geht HVO 100 mit rund 90 Prozent weniger CO₂-Emissionen einher als fossiler Diesel.

Nordoel-Tankstelle ist die erste in Hamburg mit Frittenfett

Die Bergedorfer Nordoel-Tankstelle ist die erste in Hamburg, die den freien Verkauf erlaubt: Während 1,76 Euro für den üblichen Diesel berechnet werden, müssen Kunden, die CO₂ einsparen und somit einen ökologischeren Fußabdruck hinterlassen wollen, etwas tiefer in die Tasche greifen: 1,85 Euro pro Liter zeigt die Zapfsäule für den modernen HVO 100 aus zu 100 Prozent erneuerbaren Rohstoffen.

Ein Liter Biodiesel für 1,85 Euro: Die Nordoel-Tankstelle an der Kurt-A.-Körber-Chaussee 52 hat zum Glück genügend Platz: Andere Tankstellen haben vielleicht keine Zapfsäulen mehr frei, schließlich haben die herkömmlichen Kraftstoffe einen Bestandsschutz.
Ein Liter Biodiesel für 1,85 Euro: Die Nordoel-Tankstelle an der Kurt-A.-Körber-Chaussee 52 hat zum Glück genügend Platz: Andere Tankstellen haben vielleicht keine Zapfsäulen mehr frei, schließlich haben die herkömmlichen Kraftstoffe einen Bestandsschutz. © bgz | Anne Strickstrock

„Es ist ein bisschen teurer, aber wenn ich ein wenig langsamer fahre, passt das schon“, meint Pieter Wasmuth, der einen Oldtimer, einem Landrover Defender (BJ 2007) betankte, um zu beweisen, was sich die Wissenschaftler erhofft hatten, die seit 13 Jahren an der Lohbrügger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) tüfteln: HVO 100 soll für alle Diesel-Motoren einsetzbar sein.

„Man kann die gesamte Flotte einbeziehen“, so Thomas Willner und Peter Wulf, der HAW-Vizepräsident für Forschungs und Transfers. Zum Dank für die gute Zusammenarbeit mit der Pilotanlage auf dem Lohbrügger Campus bekamen sie einen großen Scheck überreicht: Alle HAW-Studenten und Dozenten erhalten bei der Bergedorfer Nordoel-Tanke künftig pro getankten Liter fünf Cent Rabatt.

„Heute haben Sie mit Ihrer Tankung mindestens 85 Prozent CO₂ pro Liter eingespart“, steht auf der Quittung.
„Heute haben Sie mit Ihrer Tankung mindestens 85 Prozent CO₂ pro Liter eingespart“, steht auf der Quittung. © bgz | Anne Strickstrock

Ob das eigene Auto tatsächlich den neuen Kraftstoff verträgt, lässt sich in einer Liste des ADAC nachlesen oder es steht auch gleich in der Tankdeckelklappe: Ein Sticker mit den Buchstaben XtL bestätigt die Akzeptanz regenerativer Kraftstoffe, so Thomas Garbe aus der Antriebsentwicklung der VW AG: „All unsere Neubauten seit 2021 sind für paraffinischen Diesel geeignet.“ Man könne aber auch über die Fahrzeug-Identifikationsnummer beim Händler nochmals nachprüfen lassen, denn: „Es sind auch nachträglich bis 2015 Freigaben möglich“, so der Volkswagen-Vertreter: „Ich hoffe, dass das eine ganz große Erfolgsstory wird.“

Für die Kunden gibt es einen digitalen Lieferkettennachweis

Dass die Kunden tatsächlich umweltbewusst tanken, bestätigt ihnen sogar der Kassenbon – „Dank eines digitalen Lieferkettennachweises vom Hersteller bis zum Nutzer“, erklärt Dr. Marko Babic von der Robert Bosch GmbH: „Das ist ein valider Nachweis des CO₂-Footprints, der auch eine Mischbetankung und Mischbeladung darstellen kann.“ Dabei denkt er vor allem an die Umweltberichte von Großkunden: „Die Mehrkosten können Besteller gut weiterreichen, weil sie ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen und die CO₂-Ersparnis nachweisen können.“

Peter Wulf und Thomas Willner (beide HAW) mit Matthias Bartholl, Geschäftsführer der Lother Gruppe.
Peter Wulf und Thomas Willner (beide HAW) mit Matthias Bartholl, Geschäftsführer der Lother Gruppe. © bgz | Anne Strickstrock

Gelagert wird das neue HVO 100 übrigens im Hamburg Blue Hub auf dem Gelände der Evos GmbH. Vor einem Jahr wurde die Kooperation gegründet, um am Hafen eine Lagerstätte für synthetische Kraftstoffe zu errichten, die „nachhaltig betrieben wird“, betont Jörg Barges: „Wir betreiben das Großlager für Mineralöl seit 1953 und werden jetzt vieles neu- und umbauen für den Transformationsprozess.“

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Der Hamburg Blue Hub sei auch ein Baustein für die Energiewende im Hafen: „Wir verantworten alles, was grüne Moleküle braucht, schließlich will der Hafen bis 2040 klimaneutral sein“, sagt Jannes Elfgen von der Hamburg Port Authority (HPA): „Wir haben immerhin 50 eigene Schiffe, etwa von der Feuerwehr und der Polizei oder auch Baufahrzeuge auf dem Wasser. Zudem fahren 17.000 Lastwagen durch den Hafen. Auch dieser Hotspot für den Schwerlastverkehr soll zeitnah grün werden.“