Hamburg. Ochsenwerder fehlt ein Supermarkt. Jetzt gibt es vor dem Annenhof eine kleine Alternative, die an einen legendären Wirt erinnert.

Der Annenhof in Ochsenwerder war schon immer ein Ort, an dem gern getankt wurde. Dort war einst nicht nur die allererste Zapfsäule in den Marschlanden zu finden, sondern auch eine beliebte Gaststätte. Auf dem Hof am Elversweg 1 ist nun wieder eine „Tankstelle“ entstanden. Statt Benzin oder Schnaps gibt es in den beiden Automaten aber Lebensmittel des täglichen Bedarfs. Schließlich gibt es in dem Dorf – auch wenn schon seit Jahren gewünscht – keinen Supermarkt. „Und so schaffen wir ein kleines Angebot für die Nachbarschaft“, erklärt Jo Deutschmann.

Gemeinsam mit Bruder Jan und Kumpel Jan-Christian Dietrich hat er die beiden Regiomaten unter einem Holzverschlag auf dem Hof des Annenhofs aufgebaut, dessen Name an ihre Urgroßmutter erinnert. Dora Barthels, geborene Annen, hatte im September 1927 an dem Kreuzungspunkt den Annenhof eröffnet. Ihr Mann Emil war im Ersten Weltkrieg gefallen und mit dem Namen Annen hatte die Kriegerwitwe an den Nachnamen ihres Vaters erinnert, der ja auch ihr Geburtsname war. Und sie bewies großen Mut: Denn im Gegensatz zu heute gab es in der Umgebung noch einige andere Gastwirtschaften und damit große Konkurrenz.

„Henrys Tankstelle“ erinnert an legendären Wirt des Annenhofs

Doch Dora Barthels glaubte an das Potenzial des Standorts und sollte damit Recht behalten: Aus der ungepflasterten Landscheide (heute Ochsenwerder Landscheideweg/Ochsenwerder Landstraße) wurde wenig später eine befestigte Straße, auf der die „Benzindroschken“ und Motorräder besser vorankamen. Und auch die Kreuzung mit dem Elversweg wurde ausgebaut, sodass vor dem Annenhof genug Platz für eine Tankstelle blieb. Zuvor hatte es Benzin nur in der Apotheke gegeben.

Legendärer Kneipenwirt aus Ochsenwerder: Henry Barthels ( 1973).
Legendärer Kneipenwirt aus Ochsenwerder: Henry Barthels ( 1973). © Henrys Tankstelle | Henrys Tankstelle

Handwerksgesellen und Arbeiter, die beim Ausbau der Straße eingesetzt waren, nächtigten in den Gästezimmern des Annenhofs und auch viele Marktfahrer oder Hafenarbeiter, legten auf der Fahrt in die Vierlande eine Rast am Tresen ein. Dort wurden sie bald auch von Doras Sohn Henry bedient – Großvater von Jan und Jo Deutschmann. Da er bei ihrer Geburt bereits verstorben war, haben die beiden Brüder ihn nicht mehr kennenlernen dürfen. Viele ältere Damen und Herren aus der Nachbarschaft würden sich aber noch immer an den legendären Kneipenwirt erinnern, wissen Jan und Jo Deutschmann.

„Regiomat“ soll möglichst nur mit Produkten aus der Region bestückt werden

Henry Barthels rauchte nicht nur gern Zigarren, sondern hatte auch schon mal drei gleichzeitig angesteckt. Während zwei im Aschenbecher vor sich hin qualmten, steckte eine weitere in seinem Mundwinkel, die er auch schon mal auf der Zapfsäule der Tankstelle ablegte. „Passiert ist dabei aber glücklicherweise nie etwas“, sagt Jan Deutschmann. Der Annenhof florierte nach dem Zweiten Weltkrieg und war ein Mittelpunkt des Dorfes. Gründerin Dora Barthels starb 1962, ihr Sohn Henry elf Jahre später. Nach seinem Tod führte seine Frau Elisa Barthels die Gaststätte noch bis Oktober 1979 weiter und gab dann auf. In den früheren Gasträumen war bis vor zehn Jahren das Küchenstudio der Familie Witthöft und heute eine Physiotherapie-Praxis zu finden.

Der Annenhof am Elversweg mit Zapfsäule vor der Tür.
Der Annenhof am Elversweg mit Zapfsäule vor der Tür. © Henrys Tankstelle | Henrys Tankstelle

Mit „Henrys Tankstelle“ soll dem Gastwirt nun ein Andenken gesetzt werden. „Wir wollen Henry im Dorf wieder aufleben lassen und erklären, wer er war“, sagt Jo Deutschmann. Joghurt vom Milchhof Reitbrook, Hart- und Frischkäse der Landkäserei Fehling aus Fahrenholz und Wildwurst-Spezialitäten von Jäger Ohlrogge aus Curslack sind in den Fächern des Automaten ebenso zu finden, wie Vierländer Freilandeier vom Hof Heine oder Fleischsalat, Zwiebelmett und auch Bratwurst der Metzgerei Lesser aus Harburg, die sonst nur bei Festen und Wettkämpfen der FF Neudorf gegrillt wird.

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Im zweiten Automaten gibt es derzeit Schokoriegel, salzige Snacks oder Cerealien. Auch ein „Stadtderby“ wird ausgespielt: Denn mit Holsten und Astra können die typischen Vereinsmarken von HSV und St. Pauli jeweils in einer halben Liter-Dose gezogen werden. „Wir werden regelmäßig auswerten, wer gewonnen hat“, kündigt Jo Deutschmann an. Langfristig soll es aber auch in den Fächern möglichst nur regionale Erzeugnisse zu kaufen geben und die Automaten dann wirklich zum „Regiomaten“ werden. Preislich sollen die Lebensmittel aber kein teures Tankstellen-Niveau haben, betont Jo Deutschmann

Wer Interesse hat, seine regionalen Produkte in „Henrys Tankstelle“ anzubieten, bekommt Kontakt per E-Mail an kunde@henrystankstelle.de oder an lieferant@henrystankstelle.de. Weitere Infos auch auf Facebook oder Instagram: Henrystankstelle“.