Moorfleet. Entlastung für schmale Deichstraßen rückt in weite Ferne. Doch Politik will weiter diskutieren – weil der Gutachter unschlüssig wirkt.
Schlechte Karten für eine Verkehrsentlastung im Herzen des Straßendorfs Moorfleet. Obwohl riesige Lkw auf den kaum sechs Meter schmalen Deichstraßen schon heute zehn Prozent des Verkehrs ausmachen und es häufig zu gefährlichen Situationen für Fußgänger und Radfahrer kommt, die ebenfalls auf dem engen Asphaltweg unterwegs sein müssen, kann sich Bergedorfs Politik nicht zum Bau einer Entlastungsstraße durchringen. Zumindest vorerst.
Wie die Stadtwerkstatt Moorfleet vor drei Jahren, hat auch der Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung das Thema anhand eines vom Verkehrsplanungsbüro Argus vorgelegten Gutachtens kontrovers, aber ergebnislos diskutiert. Auch weil die Experten sich zwar ablehnend, aber doch nicht wirklich eindeutig positionieren. Der mögliche Neubau einer 400 Meter langen Trasse von der Straße Sandwisch im Moorfleeter Ortskern bis hinauf zur Shell-Tankstelle an der Andreas-Meyer-Straße soll deshalb nun erstmal in den Fraktionen erörtert werden und in ein paar Monaten erneut auf der Tagesordnung des Regionalausschusses Vier- und Marschlande stehen. Dann auch mit einer Kostenschätzung des Bezirksamts für die neue Straße.
Moorfleet: Ein Dorf im Schwitzkasten von Hamburgs wachsenden Gewerbegebieten
Grund für den politischen Dauerbrenner ist die besondere Lage Moorfleets: Kein anderer dörflicher Stadtteil Bergedorfs steckt so im Schwitzkasten der wachsenden Hamburger Gewerbegebiete, wie dieser. Von der A1 aus gesehen liegt der Ortskern rund um die Kirche St. Nikolai mitten zwischen den riesigen Logistik-Unternehmen Billbrooks und dem Gewerbe am ehemaligen Holzhafen. Genau der sorgt seit Jahrzehnten für die Verkehrsprobleme, werden doch die Waren etwa des 1820 gegründeten Agrargroßhändlers Schlüter & Maack längst nicht mehr über das Wasser transportiert, sondern über den Asphalt des engen Moorfleeter Deichs.
Dass die Problematik jetzt auf der Tagesordnung steht, liegt neben der von 2019 bis 2022 aktiven Stadtwerkstatt an Hamburgs Hoffnung, in Moorfleet den Bau bis zu 320 neuen Wohnungen einschließlich von Hausbooten zu genehmigen – und auf den verbliebenen Feldern auch die Gewerbeflächen noch zu erweitern. Beides hätte zusätzlichen Verkehr zur Folge, und zwar in fast allen Teilen sogar eine Verdoppelung gegenüber heute.
Sollten die Gewerbebetriebe zum Umzug aufgefordert werden?
„Allerdings bleibt das in absoluten Zahlen sehr gering“, sagte Argus-Verkehrsplaner Christoph Ludwig mit Blick auf den Anstieg von 1,3 auf 2,6 Fahrzeuge pro Minute zu den Spitzenzeiten am Morgen. Zudem würde die Entlastungsstraße auch bloß einen Teil davon aufnehmen, die engen Deichstraßen also nur moderat entlasten und deshalb den Bau „einer separaten Infrastruktur für Fuß- und Radverkehre auf Moorfleeter Deich und Sandwisch“ auch nicht ermöglichen.
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„Sollen wir denn jetzt Schlüter & Maack auffordern, sich einen neuen Standort zu suchen, weil sich eine Entlastungsstraße nicht lohnt?“, fragte Ernst Heilmann (Linke) im Stadtentwicklungsausschuss. Vor solchen Gedanken warnte Jörg Froh (CDU): „Das wäre ein fatales Signal an die Wirtschaft. Wenn wir zum Schluss kommen, dass der Straßenbau zu teuer ist, können wir doch nicht ernsthaft die Unternehmen auffordern, selbst Millionenbeträge für einen Umzug in die Hand zu nehmen.“
Was die 400 Meter lange Straße über die Wiesen der Moorfleeter Wanne samt Damm hinauf zur rund vier Meter höher liegenden Andreas-Meyer-Straße kosten würde, will Bergedorfs Baudezernent Lars Rosinski nun in den kommenden Wochen ermitteln lassen. Dass das bisher unterblieben ist, liegt nach seinen Worten an der Politik: „Der Beschluss der Bezirksversammlung lautete, ein Verkehrsgutachten in Auftrag zu geben. Von einer Kostenschätzung war nicht die Rede.“