Hamburg. Delegation vom Kap informiert sich über das Norddeutsche Reallabor. Im Fokus: Die Produktion und Nutzung von grünem Wasserstoff.
Da zeigt sich Hamburg, genauer gesagt Bergedorf vor den im Landgebiet in den Himmel ragenden Windrädern, von seiner jahreszeitlich typischen Seite: Hendrik Louw und seine weit gereisten Delegationskollegen betreten das Dach des Energie-Campus der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), um sich die Dekarbonisierungsanlage anzusehen, die klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) aus der Luft filtert. Sie werden ortstypisch von Wind und Regen bei nicht mal zehn Grad begrüßt. In Louws südafrikanischer Heimat ist immer noch Sommer – 27, 28 Grad.
Doch das können Louw und Co. gut verdrängen. Denn ihr Interesse gilt am Schleusengraben 24 der Frage, wie die Energiewende im Compentence Center für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (CC4E) praktisch angegangen wird. Die Gastgeber stellten dazu das Verbundprojekt Norddeutsches Reallabor (NRL) in den Regionen Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Bremerhaven vor, das neue Wege zur Klimaneutralität erprobt. Zentrales Thema ist dabei die Produktion von grünem Wasserstoff mittels lokaler Elektrolyse und dessen Einsatz in der Metallindustrie und Petrochemie. Die Kernfrage: Wie kann Energie aus Wasserstoff in industrielle Abläufe eingebaut werden?
Grüner Wasserstoff: Delegation aus Südafrika informiert sich in Bergedorf
Das weiß wohl niemand besser als NRL-Projektkoordinator Mike Blicker und Projektmanager Holger Wiertzema, die seit dem Jahr 2019 alles vom Schleusengraben 24 aus koordinieren. Einer der Schlüsselbegriffe ist dabei die Sektorkopplung. Sie beschreibt das Prinzip, artfremde Bereiche wie zum Beispiel die Energieproduktion und die Mobilitätsindustrie zu verbinden. „Die Möglichkeiten der Sektorkopplungen sind aus meiner Sicht noch längst abgeschlossen“, meint Mike Blicker zuversichtlich. Hendrik Louw, Geschäftsführer der Firma Northern Cape Economic Development Agency (NCEDA), möchte das gleich zu Beginn des Vortrags näher erläutert wissen, fragt, wie es denn um „die gesellschaftliche Akzeptanz“ der neuen Technologie hierzulande stehe? „Wir haben viele Partner in der Industrie“, antwortet Mike Blicker.
Und die verteilen sich auf 50 Partner aus Industrie, Energiewirtschaft, Politik und Wissenschaft. Sie eint der Wille nach Klimaneutralität – so schnell es eben geht. Im NRL ist zum Beispiel Aurubis dabei, das in seiner Kupferproduktion anstelle von Erdgas künftig auf Wasserstoff setzt und so jährlich etwa 5700 Tonnen CO2 einsparen kann. Die im Labor teilnehmenden Regionen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sind durch Wind und Sonnenstunden dafür prädestiniert, endliche Ressourcen bei der Energiegewinnung zu schonen und so schon im nächsten Jahr 75 Prozent CO2 einzusparen. Generell rechnet Mike Blicker durch Umsetzung der Erkenntnisse des NRL mit einer Einsparung von 500.000 Tonnen CO2 im Jahr 2025. „Das ist zweifelsohne die nächste Stufe der Energiewende“, so Blicker.
Kaprepublik hängt bei Energiewende noch hinter Deutschland zurück
So weit sei sein Land lange nicht, sagt Hendrik Louw. „Südafrika ist beim Thema Energiewende mit erneuerbaren Ressourcen seit 2010 dabei. Deutschland wesentlich länger, das Land hat in der Welt den Ruf eines Marktführers in dieser Technologie“, meint Louw. Seine Firma NCEDA liegt an der Grenze zu Namibia, die Region zeichnet sich durch viel Wind, viel Sonne, viel Fläche und wenige Bewohner aus.
Die Zielfrage: Wie kann die Nordkap-Provinz mit geografisch besten Voraussetzungen so aufgebaut werden, dass sie zum wichtigen Produzenten und Exporteur von grünem Wasserstoff wird? Die Industrie Südafrikas ist indes weiter südlich verortet, konzentriert sich auf die Bereiche Automobile, Bergbau und auch Chemie. Hingegen gilt die veraltete Infrastruktur als Schwachstelle des Schwellenlandes.
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Von höchstem Interesse für die Delegation aus Südafrika, die sich aus acht Teilnehmern aus Wirtschaft und Regierung zusammensetzt, ist, wie sich eine wasserstoffbasierte Industrie in ihrem Land aufbauen lassen könnte. Hendrik Louw ist sicher: „Wir müssen in dieser Frage strategisch, politisch und industriell denken, müssen effektiver werden, brauchen neue technologische Ansätze, um Wasserstoff von einem Ort zum anderen zu transferieren.“
Warum ein Lastenrad zum Aufsteigen animiert
Den Kontakt vom anderen Ende der Welt zum Bergedorfer Energiecampus hat die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hergestellt, die im Auftrag der Bundesregierung und verschiedener Ministerien die technische Zusammenarbeit mit diversen Nationen pflegt und fördert. In diesem Fall zeichnete das Bundesministerium für Wirtschaft und Umweltschutz verantwortlich. Der Ausflug nach Bergedorf war mitsamt Rundgang durch den Energie-Campus fast der Abschluss der fünftägigen Reise, die Delegation hatte zuvor bereits in Berlin an anderen Informationsformaten teilgenommen.
Hendrik Louw ist noch von Vehikeln in einer Ecke des CC4E angetan, steigt spontan auf ein E-Lastenrad. In seiner Heimat gehört dieses Fortbewegungsmittel trotz Klimawandels und Energiekrise nicht zum alltäglichen Bild. „Radfahren ist in Südafrika aufgrund der Kriminalität vielerorts immer noch viel zu gefährlich“, erläutert Alexander Mahler von der GIZ.