Billwerder. „Eisenbahner“ schaffen Einzug ins Halbfinale des Hamburger Pokals. Riesenchance auf DFB-Pokalteilnahme. Was trotzdem enttäuschend war.

Plötzlich ging alles ganz leicht. In der Nachspielzeit des Viertelfinalspiels im Hamburger Pokal zwischen dem ETSV Hamburg und dem HEBC flankte ETSV-Einwechselspieler Vincent Janelt noch einmal von der linken Seite in den Strafraum. In der Mitte kam Hamajak Bojadgian mit Riesenschritten angestürmt und hämmerte das Leder von der Strafraumgrenze aus vollem Lauf aufs Tor. Gäste-Torwart Patrick Meins bekam zwar noch eine Hand an den Ball, abwehren konnte er ihn jedoch nicht mehr. Hoch oben schlug die Kugel zum 4:1-Endstand ein (90.+4). Damit war die Partie entschieden. Schiedsrichter Alexander Teuscher pfiff gar nicht wieder an.

Der ETSV Hamburg hat es also tatsächlich geschafft. Die „Eisenbahner“ stehen zum ersten Mal in ihrer 100-jährigen Vereinsgeschichte im Halbfinale des Lotto-Pokals, wie der Wettbewerb offiziell heißt, und dürfen weiter von einem Bayern-München-Gastspiel träumen. Zwei Siege sind es für den ETSV Hamburg jetzt noch bis zum Pokal-Triumph und dem damit verbundenen Einzug in den DFB-Pokal, in dem dann einer der großen deutschen Profi-Clubs der Gegner sein könnte.

Halbfinale erreicht! ETSV Hamburg darf weiter von Bayern München träumen

„Jetzt genehmige ich mir erst einmal ein Bier, das habe ich schon lange nicht mehr“, freute sich ETSV-Urgestein Rolf Gerdau. Der Ehrenpräsident des Vereins und Ehrenamtspreisträger des Deutschen Fußball-Bunds weilte unter den 230 Zuschauern am Mittleren Landweg und hatte hinterher eine klare Vorstellung für die Auslosung: „Ich wünsche mir im Halbfinale den Regionalligisten Teutonia 05 bei uns zu Hause. Da ist es leichter gegen sie als im Finale.“

Das Tor zum 1:0: Ruslan Marushka (ETSV, l.) setzt sich im Kopfball-Duell gegen Erciyes Palo durch.
Das Tor zum 1:0: Ruslan Marushka (ETSV, l.) setzt sich im Kopfball-Duell gegen Erciyes Palo durch. © noveski.com | Josef Noveski

Auch bei ETSV-Sportchef Sascha „Jassi“ Huremovic war die Erleichterung groß. „Wir hatten heute viel zu verlieren“, gab er zu bedenken. „Im Verein herrscht im Jubiläumsjahr zum 100-jährigen Bestehen eine große Euphorie. Unsere Anhänger haben diesen Sieg heute von uns erwartet und wären enttäuscht gewesen, wenn es nicht geklappt hätte.“

ETSV-Stotterstart in einer äußerst zerfahrenen Begegnung

In der Tat hatten die „Eisenbahner“ bis zu Bojadgians fulminanten Schlusspunkt eine sehr lange Anlaufzeit gebraucht. Denn anders als es das klare 4:1-Endergebnis vermuten lässt, war es über weite Strecken alles andere als eine souveräne Vorstellung des Favoriten. „Wir sind ein bisschen behäbig in die Partie gekommen“, gab ETSV-Stürmer Marco Schultz selbstkritisch zu. „Die Partie war sehr zerfahren.“

Eine halbe Stunde lang reihte sich bei den Hausherren Fehler an Fehler, und auch wenn die Gäste vom Hamburg-Eimsbütteler Ballspiel-Club nicht gerade Bäume ausrissen, hatte der ETSV doch in zwei, drei Situationen Glück, nicht in Rückstand zu geraten. Die beste Chance der Gäste vergab Tjorven Köhler, der bei einem Konter plötzlich frei durch war, aber nur den Außenpfosten traf (27.).

Kopfballstärke der ETSV-Spieler gibt schließlich den Ausschlag

Und noch einmal hatten die Gastgeber Glück, als ETSV-Verteidiger Eudel Silva Monteiro patzte, ungestüm seinen Fehler wiedergutmachen wollte und dabei einen Gegenspieler im Strafraum zu Fall brachte. Schiedsrichter Teuscher war es nicht genug Körperkontakt für einen Elfmeterpfiff, aber so mancher Referee hätte hier wohl anders entschieden (39.).

Was an diesem Sonntag letztlich den Unterschied zwischen zwei mittelmäßigen Teams machte, war die Überlegenheit des ETSV Hamburg beim Kopfballspiel. Erst flog Innenverteidiger Ruslan Marushka mit Hingabe in einen Freistoß von der rechten Seite und köpfte aus kurzer Distanz zur 1:0-Führung ein (42.). Dann war Schultz bei einer Ecke zur Stelle und erhöhte noch vor der Pause per Kopf auf 2:0 (44.). Auf der Gegenseite klaute ETSV-Keeper Gianluca Babuschkin HEBC-Kapitän Janek Wrede den Ball nach einer Ecke buchstäblich vom Fuß. So blieb es zur Pause beim 2:0.

Doppel-Torschütze Marco Schultz avanciert zum Matchwinner

Nach dem Seitenwechsel avancierte Marco Schultz mit seinem zweiten Tor dann endgültig zum Matchwinner. Auf Zuspiel von Sturmpartner Christian Stark, der die ganze Woche krank im Bett gelegen und überhaupt nicht trainiert hatte, erhöhte Schultz auf 3:0 (70.). Nun konnten sich die „Eisenbahner“ so langsam mit dem Gedanken ans Halbfinale vertraut machen, auch wenn der 1:3-Anschlusstreffer von Erciges Palo per Foulelfmeter noch einmal ein wenig Spannung ins Spiel brachte. Doch letztlich war der ETSV einfach zu stark, um sich das noch nehmen zu lassen. Das 4:1 von Bojadgian beseitigte letzte Zweifel.

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So war es also ein gelungener Nachmittag für den ETSV Hamburg, der nun in der Oberliga gleich drei Heimspiele in Folge hat. Am Sonntag, 17. März, geht es gegen den Niendorfer TSV (14 Uhr, Mittlerer Landweg). Es folgen die Heimspiele gegen den SV Rugenbergen (24. März/14 Uhr) und Union Tornesch (28. März/20 Uhr), bevor dann am Osterwochenende das Pokal-Halbfinale ansteht.

Nur 230 Zuschauer bei einem Pokal-Viertelfinale – war das gute Wetter schuld?

Schade, dass beim Viertelfinale gegen den HEBC nur 230 Zuschauer den Weg an den Mittleren Landweg gefunden hatten. „Das ist in der Tat enttäuschend für so ein Spiel“, gibt Sportchef Huremovic zu. „Vielleicht war es einfach unser Pech, dass für das ganze Wochenende gutes Wetter angesagt war und viele daher möglicherweise einen Ausflug gemacht haben.“ Dass sich bei den „Eisenbahnern“ gerade Historisches tut, scheint in der Region jedenfalls noch nicht so recht angekommen zu sein.

Ergebnisse Pokal-Viertelfinale: ETSV Hamburg – HEBC 4:1, FC Süderelbe – Teutonia 05 0:1, SSV Rantzau – Concordia 2:0, Nikola Tesla – USC Paloma 4:5 nach Elfmeterschießen. ETSV Hamburg: Babuschkin – Siemsen, Marushka, Monteiro – Kwame (83. Janelt) – Karschau, Düzgüner (83. Düwel), Andrijanic (76. Kiene), Parduhn (83. Bojadgian) – Schultz, Stark (71. Boock).