Bürgerpreis: Seit 57 Jahren engagiert sich Rolf Gerdau im ETSV Hamburg
Die Zeit drängt. Rolf Gerdau wird gebraucht - wieder einmal. Schnitzel braten für den Enkel Patrick, der gleich nach Hause kommt.
Für den Nachwuchs hat sich Gerdau schon immer gern engagiert. Mit 16 wurde der heute 72-Jährige Fußball-Jugendtrainer beim ETSV Hamburg. "Irgendwann kam damals ein Jugendtrainer zu mir und sagte: ,Rolf, als Fußballer wirst du kein Großer mehr. Willst du nicht Trainer machen?", erinnert sich Gerdau. Es war der Grundstein für eine Vereinskarriere, die im Heimatgebiet ihresgleichen sucht: Seit 57 Jahren ist er in dem Klub ehrenamtlich tätig, zunächst als Jugendtrainer, dann als Fußball-Jugendleiter, Abteilungsleiter, 2. Vorsitzender und schließlich seit 1993 als 1. Vorsitzender. Der Verein, dem Gerdau schon 1947 im Alter von vier Jahren beitrat, ist sein zweites Zuhause geworden - ein Verein fürs Leben.
Mehr als ein halbes Jahrhundert Engagement für die Gesellschaft, dafür bekam er kürzlich vom Hamburger Senat als einer von nur acht Ehrenamtlichen aus ganz Hamburg die "Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes" verliehen, die höchste Auszeichnung in diesem Bereich. Doch sein wertvollster Lohn sind die Erinnerungen. "Die Jugendzeit war die schönste Zeit", blickt er zurück. Zahllose Ausfahrten organisierte Gerdau für die jungen Fußballer, nach Dänemark, Schweden, Frankreich, Österreich, an den Rhein, die Mosel oder in die damalige DDR. "Jedes zweite Jahr bin ich mit denen für drei Wochen in den Urlaub gefahren", erinnert sich der 72-Jährige. Seine Ehefrau Elke, die er schon mit 21 geheiratet hatte, hat seine Leidenschaft stets mitgetragen.
Schon zwischen 1965 und 1970, als Begriffe wie "Integration" und "Migration" noch gar nicht im öffentlichen Bewusstsein angekommen waren, sorgte sich Gerdau um die Eingliederung ausländischer Mitbürger in den ETSV und um ein friedliches Miteinander der Nationen. "Eine Reihe von Russen und Polen, die kein Wort Deutsch sprachen, haben wir damals einfach umsonst im Verein Fußball spielen lassen", erinnert sich Gerdau. Das war Integrationsarbeit im besten Sinne.
Wenn er im Sommer nicht gerade mit dem Wohnwagen an seinem Lieblings-Urlaubsort in Weißenhäuser Strand weilt, dreht sich beim ETSV-Vorsitzenden auch heute noch alles um seinen Verein. Der ehemalige Hamburger Meister im Boxen im Halbweltergewicht hat sich dabei immer durchgekämpft, selbst durch die größte Krise 2008, als das Vereinsheim abbrannte und zahllose Urkunden, Bilder und Erinnerungen ein Raub der Flammen wurden.
Ganz sanft hat er schon mal durchblicken lassen, dass er beizeiten gern kürzer treten würde. Doch der 2. Vorsitzende, Rolf Hartung, ist überzeugt, dass das noch dauern wird. "Unser 1. Vorsitzender Rolf Gerdau hat immer noch Feuer im Kessel, hoffentlich noch viele Jahre", bemüht er ein Eisenbahner-Bild.
Für den Moment tut's das Feuer im Herd: Der Nachwuchs hat Hunger.