Hamburg. Die neue Technik einfach erklärt: Wie findet ein selbstfahrendes Auto den Weg? Wie hilft KI im Krieg? „Volkers Welt“ gibt die Antwort.

Künstliche Intelligenz beeinflusst unser Leben in vielfältiger Weise, oft, ohne dass wir das ahnen. Ein beängstigendes Beispiel für die Möglichkeiten und Grenzen der neuen Technik ist der Krieg. Haben Sie sich zum Beispiel schon einmal gefragt, warum Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine angesichts der Massen an Panzern, mit denen Putins Armee über den Nachbarn hergefallen ist, nicht längst gewonnen hat?

Auf diese Frage gibt es viele Antworten: Selbstüberschätzung des Aggressors, heldenhafte Resilienz der ukrainischen Bevölkerung, die Hilfe des Westens – alles Faktoren, deren Bedeutung von außen kaum seriös zu bewerten sind. Sicher ist jedoch, dass auch zwei Begriffe eine Rolle spielen, die auf das Feld der künstlichen Intelligenz verweisen: Data Mining und Digital Targeting. Was es damit auf sich hat, wird in unserem Bergedorfer Familien-Blog „Volkers Welt“ ebenso erklärt wie andere Bereiche, in denen künstliche Intelligenz zur Anwendung kommt, etwa selbstfahrende Autos.

Wie findet ein selbstfahrendes Auto seinen Weg? Was kann KI? „Volkers Welt“ erklärt

Im ersten Beitrag wurde bereits ausführlich erläutert, wie Programme funktionieren, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten. Ein solches Programm ist ein tiefes neuronales Netzwerk, das aus verschiedenen Schichten („Layern“) besteht, die einander zuarbeiten. In der hierarchischen Anordnung dieser Schichten liegt das Besondere an der neuen Technik. Bei Programmen früherer Prägung wurden Daten alle gleichberechtigt verarbeitet, den Input an Informationen übersetzt ein programmierter Algorithmus dann in den gewünschten Output, etwa wenn eine Bank ein Scoring ihrer Kunden vornimmt.

Um ein Auto autonom fahren lassen zu können, braucht es eine Vielzahl an Sensoren und Kameras. Diese erfassen ständig die Umgebung des Fahrzeugs und erkennen unter anderem Ampelsignale und Verkehrsschilder, aber auch Fußgänger oder Gegenstände auf der Fahrbahn.
Um ein Auto autonom fahren lassen zu können, braucht es eine Vielzahl an Sensoren und Kameras. Diese erfassen ständig die Umgebung des Fahrzeugs und erkennen unter anderem Ampelsignale und Verkehrsschilder, aber auch Fußgänger oder Gegenstände auf der Fahrbahn. © dpa-infografik GmbH | dpa-infografik GmbH

Programme mit künstlicher Intelligenz hingegen formen die Ausgangsdaten auf jeder Neuronenebene um. Sie können so Informationen abgestuft nach deren Bedeutung wahrnehmen und sich selbstständig Inhalte erarbeiten. Besonders gut funktioniert das in einer Umgebung, die dem Prinzip der stabilen Welt folgt. In der es also feste Regeln und unveränderliche Rahmenbedingungen gibt, etwa dem Schachspiel. So schlug 2017 das Programm AlphaZero von Google den stärksten Schachcomputer der Welt, nachdem es einige Millionen Partien gegen sich selbst gespielt und daraus gelernt hatte.

Kann jeden Moment etwas Unerwartetes geschehen, kommt die KI an ihre Grenzen

Im Krieg oder bei selbstfahrenden Autos haben wir es nun aber nicht mit einer Umgebung zu tun, die dem Prinzip der stabilen Welt folgt. Im Gegenteil: Hinter jeder Ecke, in jedem Augenblick kann etwas Unerwartetes geschehen, auf das die künstliche Intelligenz reagieren muss. Hier kommt die neue Technik an Grenzen, doch sie eröffnet auch neue Möglichkeiten.

Beginnen wir beim eingangs erwähnten Krieg in der Ukraine. In einer Panzerschlacht haben die Beteiligten oft nur wenig Überblick darüber, was auf dem Schlachtfeld vor sich geht. Die Kämpfe werden über große Entfernungen hinweg ausgetragen. So kann der Panzer Leopard 2 fünf Kilometer weit schießen. Mehr zu wissen als der Gegner, kann über Leben und Tod entscheiden. So machte sich die US Army die neue Technik der künstlichen Intelligenz frühzeitig zunutze, trainierte schon vor 15 Jahren ein neuronales Netz mit Bildern darauf, russische von amerikanischen Panzern zu unterscheiden.

Wie KI aus dem Westen der Ukraine im Krieg gegen Russland hilft

Wie der Autor Gerd Gigerenzer in seinem Buch „Klick. Wie wir in einer digitalen Welt die Kontrolle behalten und die richtigen Entscheidungen treffen“ darstellt, ging das Experiment schief. Die KI verhaute sich ständig, konnte Panzer nicht wie Schachfiguren voneinander unterscheiden. Was war geschehen? Die Programmierer stellten fest, dass sie vorwiegend Bilder verwendet hatte, auf denen die US-Panzer in strahlendem Sonnenschein, die russischen Panzer hingegen bei bedecktem Himmel fotografiert worden waren. Die KI hatte nun eine Abkürzung genommen: Sie interpretierte Wolken als Merkmal für russische Panzer.

Solche Probleme aus den Anfangszeiten gelten heute als überwunden. Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine spielt KI eine große Rolle. Die Ukraine wird dabei von der Firma Palantir unterstützt, die sich auf das Data Mining – die Auswertung großer Datenmengen – spezialisiert hat. Palantir – der Name stammt von den „sehenden Steinen“ aus dem „Herrn der Ringe“ – ist die Firma von PayPal-Gründer Peter Thiel. Sie nutzt Daten von Satelliten und aus den sozialen Medien, um ein Bild von den russischen Stellungen zu gewinnen.

Das intelligente Krankenhaus: Wenn die KI vorgibt, welche Patienten der Arzt aufsucht

Wann immer also ein russischer Soldat eine Nachricht per Handy nach Hause schickt, könnte es seine letzte gewesen sein. Denn die Daten werden in einen Angriffsplan umgesetzt. Die KI macht Vorgaben, welcher Waffeneinsatz nötig ist, um erfolgreich zu sein, und wo genau die Ziele stehen. Digital Targeting nennt man dieses Verfahren, bei dem also nun ein Computer-Algorithmus über Leben und Tod bestimmt.

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Vergleichbare Anwendungen gibt es auch im Zivilleben. Das Mount Sinai Hospital am Central Park in New York gilt als weltweit führend für den Einsatz neuer Technologien in der Medizin. Hier werden die Patienten anhand ihrer medizinischen Daten vom Zentralrechner überwacht. Verschlechtern sich bei einem Patienten die Werte dramatisch, schlägt die KI Alarm, und die Ärzte können sich in dem Riesenhaus gezielt um die Fälle kümmern, bei denen ihr Einsatz besonders wichtig erscheint.

San Francisco: Auftrag per App, und das Robotaxi kommt sofort

So könnte es in Zukunft auch in unseren Krankenhäusern aussehen, sofern Datenschutz-Bedenken überwunden werden. Doch der Weg dorthin war auch im Mount Sinai steinig. Denn das KI-System, das man 2018 dort eingeführt hatte, um vorherzusagen, wie groß bei den Patienten die Gefahr einer Lungenentzündung war, versagte in anderen Häusern komplett. Woran lag das? Wieder hatte die KI beim Lernen eine Abkürzung genommen. Sie hatte im Mount Sinai die Bilder des stationären Röntgengeräts von denen des mobilen Röntgengeräts unterscheiden gelernt. Da das mobile Gerät immer nur dann zum Einsatz kam, wenn die Patienten bereits für einen Transport zu schwach waren, war hier die Trefferquote für eine Lungenentzündung besonders hoch.

In den USA ist ganz San Francisco Versuchsgebiet für den Einsatz selbstfahrender Robotaxis. Die Gefährte werden per App an einen Treffpunkt beordert, man steigt ein und lässt sich an das gewünschte Ziel kutschieren, das ebenfalls innerhalb der Stadt liegen muss. Anfangs waren die Taxis der Firmen Waymo und Cruise noch recht defensiv unterwegs, mittlerweile suchen sie sich recht zügig ihren Weg durch den Verkehr.

Ehrgeiziger Plan: Bis 2025 soll es in China in 65 Städten selbstfahrende Autos geben

Auch in China gehören selbstfahrende Taxis längst zum gewohnten Bild. Marktführer Baidu hatte seinen Betrieb zunächst 2022 mit einer Testflotte in Shenzhen begonnen, dann 2023 den Betrieb auf Wuhan und Chongqing ausgeweitet. Seit Beginn dieses Jahres sind erste selbstfahrende Fahrzeuge nun auch in Peking unterwegs (Foto). Bis 2025 soll es sie in 65 Städten geben. Für Touristen ist das allerdings nichts: Um mitzufahren, benötigt man einen chinesischen Ausweis.

Für den Betrieb von selbstfahrenden Autos wird die KI mit Bildern von allem trainiert, was ihnen entlang einer Straße begegnen kann. Dabei hat es sehr lange gedauert, bis sie ein laufendes Kind von einer fliegenden Plastiktüte unterscheiden konnte. Denn digitale Programme sind Perfektionisten, sie arbeiten nur dann gut, wenn alles passt. Man kennt das von seinem Fernseher zu Hause, der nur „An“ oder „Aus“ kennt. Unscharfe Bilder wie früher, als man noch die Sender „reingedreht“ hat, gehören der Vergangenheit an. Genau darauf verlegen sich Saboteure. Sie verschicken einzelne Frames, um eine KI zu stören, die dann das Gesamtbild mitunter nicht mehr erkennt.