Hamburg. Im Januar gab es 48 Verstöße gegen die Räumpflicht auf Fußwegen. CDU-Anfrage legt offen, was das Bezirksamt daraufhin getan hat.
Ist das Bezirksamt ein zahnloser Tiger, wenn es um das Verfolgen von Verstößen gegen die Räumpflicht bei Schnee und Eis geht? Das legt die Antwort der Behörde auf eine detaillierte Anfrage der CDU nahe: Als es im gesamten Bezirk vor sieben Wochen tagelang spiegelglatt war, gab es zwar 48 aktenkundige Fälle von Verstößen gegen die Räumpflicht, aber in keinem einzigen wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, kein Bußgeld verhängt.
„Eigentlich möchte ich gar nicht glauben, was ich da lese“, sagt CDU-Verkehrsexperte Jörg Froh, der auf telefonische Nachfrage am Montag noch um klare Worte ringt. Das Thema solle nun vor der Bezirksversammlung noch mal intensiv in der Fraktionssitzung besprochen und am Donnerstag dann im Bergedorfer Parlament diskutiert werden. „Das kann man jetzt nicht einfach so stehen lassen, bloß weil dieser Winter wohl hinter uns liegt“, sagt Froh. „Der nächste Schnee kommt bestimmt.“
Glatte Fußwege bei Schnee und Eis: Warum duldet Bergedorf Verstöße gegen die Räumpflicht?
Insgesamt 16 Fragen haben die Christdemokraten dem Bezirksamt gestellt, stellvertretend für die vielen verschiedenen Behörden, die in Hamburg für die Räumpflicht und deren Überwachung zuständig sind. In den Antworten ist nachzulesen, dass von den 48 aktenkundigen Versäumnissen nur zwei die Stadtreinigung betreffen, 46 dagegen private Grundeigentümer, die als direkte Anlieger automatisch für das Räumen des Gehwegs vor ihrem Haus zuständig sind.
Nur in acht Fällen wurde demnach das Amt aktiv und wies die Betroffenen telefonisch oder per E-Mail darauf hin, ihrer Räum- und Streupflicht nachzukommen. In keinem einzigen Fall wurde die Ordnungswidrigkeitsstelle des Bezirksamts eingeschaltet, die laut Hamburgischem Wegegesetz satte Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro verhängen könnte.
Glatte Fußwege: CDU fordert effektive Strategie des Bezirks für mehr Verantwortungsbewusstsein
Wer sich wundert, wie diese harmlose Verwaltungspraxis zu den dicken Eispanzern passt, die im Januar unzählige Bergedorfer Geh- und Radwege tagelang in Unfallschwerpunkte verwandelten, findet eine erstaunliche Antwort. Gefragt nach dem nicht geräumten Fußweg in Höhe des ehemaligen Penndorf-Parkhauses am Neuen Weg, von wo die nahe CDU-Geschäftsstelle während der Glatteis-Tage um den 8. Januar besonders viele Beschwerden von Bürgern erreichten, heißt es: „Das Bezirksamt hat am 8. Januar davon erfahren und Kontakt zum Grundeigentümer aufgenommen. Am 11. Januar wurde dem Bezirksamt nachgewiesen, dass ein Winterdienst organisiert wurde.“
Ob dann tatsächlich alles geräumt wurde, oder einfach nur das Tauwetter einsetzte, bleibt offen. Jörg Froh glaubt deshalb nicht an Besserung – weder am Neuen Weg, noch anderswo. „Wir werden dieses Frühjahr und den Sommer nutzen, um mit dem Bezirksamt eine effektive Strategie zu erörtern, wie allen für das Räumen Zuständigen – einschließlich der Anlieger – ihre gesetzliche Verantwortung bewusst gemacht werden kann.“
Glatte Fußwege: Referenten von Stadtreinigung und verschiedenen Behörden im Verkehrsausschuss erwartet
Los geht es nach der absehbaren Debatte am Donnerstag in der Bezirksversammlung (18 Uhr, Rathaus, Wentorfer Straße 38) dann im nächsten Verkehrsausschuss. Die CDU geht davon aus, dass dort am 11. März der zuletzt verschobene Auftritt von Referenten der Stadtreinigung und der Behörden für Umwelt und Verkehr nachgeholt wird. Ab 18 Uhr sollen sie in der öffentlichen Sitzung im großen Saal des Rathauses erläutern, wie umweltschonende Schnee- und Eisbeseitigung funktionieren kann.
Damit das künftig vor allem reibungslos klappt, hat Jörg Froh einige Ideen: „Die Wegewarte des Bezirks haben alle Straßen genau im Blick und kennen ganz sicher die schwarzen Schafe, wo eher selten Streugut und Schneeschieber zum Einsatz kommen. Was spricht dagegen, hier gezielt Info-Broschüren zu verteilen? Und vielleicht gibt es bei Eisregen ja auch die Möglichkeit, alle Grundeigentümer per Katwarn über das Handy zu informieren.“
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So kreativ ist das Bezirksamt bisher nicht. In der Antwort auf die Frage, wie die Behörde die Zuständigen künftig an ihre gesetzliche Verantwortung erinnern will, heißt es: „Anlieger werden über die Presse auf die bestehenden Räum- und Streupflichten hingewiesen.“
Das Hamburgische Wegegesetz schreibt vor, dass Anlieger den Gehweg vor ihrem Haus bei anhaltendem Schneefall bis 8.30 Uhr, sonn- und feiertags bis 9.30 Uhr geräumt haben müssen. Das Beauftrage eine Räumdienstes entbindet sie nicht von dieser Pflicht, kommt der also später, ist der Grundeigentümer selbst verantwortlich. Nur vor öffentlichen Flächen und an Bushaltestellen wird die Stadtreinigung tätig.
Wie gefährlich ein Eispanzer auf dem Gehweg ist, zeigte sich in den Wintertagen im vergangenen Januar: Das Bethesda Krankenhaus meldete gut 30 Patienten täglich, die damals nach Stürzen in die Klinik eingeliefert wurden. Rund die Hälfte von ihnen musste wegen verschiedenster Brüche stationär aufgenommen werden.