Bergedorf/Lohbrügge. CDU plädiert für Abfallprodukt aus der Lebensmittelindustrie gegen Glatteis. Kann Bergedorf was von den Bayern lernen?
Zuletzt ärgerten sich die Bergedorfer zweimal über mehrere Tage hinweg über Schnee und Glatteis in der Fußgängerzone. Dort waren beispielsweise im Sachsentor und in der Alten Holstenstraßebei winterlicher Kälte die Gehwege komplett vereist – mit Ausnahme der Zuwegungen zu Geschäfts- und Hauseingängen. Für Jörg Froh von der Bergedorfer CDU ein inakzeptabler Zustand. Er richtet in diesem Zusammenhang den Blick nach Bayern und spricht sich dafür aus, das dort bisher effektive und umweltverträgliche Gurkenwasser auch auf hiesigen Straßen und Wegen einzusetzen, um Eispanzer zu brechen.
Gurkenwasser – was genau soll das sein und wie kommt es im Freistaat zur Anwendung? Tatsächlich handelt es dabei um ein Abfallprodukt, genauer gesagt um nicht mehr benötigtes salzhaltiges Wasser bei der Gurkenproduktion, das seit fünf Jahren in Bayern zum Einsatz kommt. Das Gurkenwasser wird vor der Verwendung im Winterdienst gefiltert und mit etwas Salz versetzt. Das half beispielsweise zuletzt in München auf dem völlig vereisten Flughafen. Oder im Kreis Landshut, wo die bayerische Landesregierung etwa 100 Tonnen Streusalz im Jahr eingespart hat, weil dort Gurkenwasser gegen Glatteis genutzt wird. Zudem gibt es mit dem Unternehmen Develey (Feinkostproduzent mit Sitz in Unterhaching) einen Unterstützer aus der Wirtschaft.
Gurkenwasser gegen Glatteis: Wer damit experimentieren müsste
„Wir müssen innovativ denken, denn abstumpfende Mittel helfen vielfach nicht“, meint CDU-Mann Froh und wünscht sich, dass die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (Bukea) und die Behörde für Verkehrsmobilität (BVM) nach bayerischem Vorbild veranlassen, dass mit Gurkenwasser experimentiert und so ein möglichst umweltfreundliches Streumittel für Geh- und Radwege gefunden wird. Nach seiner Recherche ist Gurkenwasser gewiss „salzhaltig, aber nicht so aggressiv für die Umwelt“.
In Ausnahmefällen und längeren Eiszeiten möchte die CDU ohnehin einen Sonderweg beschreiten, den Einsatz von Tausalzen und tausalzähnlichen Mitteln wieder erlauben. Wichtig hierbei ist die Betonung auf „ganz wenige Wintertage“ sowie als untergeordneter Zusatz zu sonstigem Streugut und nicht in den Mengen, die auf dem Straßenbelag verteilt werden. Verkehrsexperte Froh stellt sich salzhaltige Zusätze von maximal 10 bis 20 Prozent im Hauptstreugut vor.
„Einschränkung der Unfallgefahr“ geht über Umweltaspekte
Die Bergedorfer Union drängt diesbezüglich darauf, die Streu- und Räumpflicht nach dem Hamburgischen Wegegesetz der BVM entsprechend zu ergänzen. Das besagt bisher, dass Privatleute ihren Zugang zum Haus „mit abstumpfenden Mitteln“ wie etwa Granulat in Eigenregie streuen müssen. Tausalze dürfen nicht auf Fuß- und Radwegen, maximal auf der Straße gestreut werden.
Eine Regelung zugunsten des Umweltschutzes, was Jörg Froh auch als vollkommen nachvollziehbar empfindet, aber: „Wir sind der Ansicht, dass die Einschränkung der Unfallgefahr wichtiger ist, als bei extremen Wetterlagen zwei bis drei Tage kein Salz zu streuen.“ Die Bukea hat die Aufsicht über die Stadtreinigung Hamburg, die ihrerseits gemeinsam mit Subunternehmen die Enteisung von öffentlichen Flächen in Angriff nimmt. Dass da Nachbesserungsbedarf besteht und das Anti-Eis-Team kaum mit der Arbeit hinterherkommt, zeigten jüngst die besonders frostigen Tage..
Ehemalige Münchnerin sieht keine Extremwetterlage
Denn eines ist auch Fakt: Ein entsprechendes technisches Hilfsgerät, um stark vereiste Fuß- und Radwege aufzubrechen, hat noch niemand erfunden. Deshalb plädiert Jörg Froh noch einmal: „Wenn ein Versuch mit Gurkenwasser auf Straße, Geh- und Radweg gut verlaufen sollte, dann sollte das umweltfreundliche Mittel von den Behörden erlaubt werden.“
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Die Bewahrung von Umweltaspekten ist im Grunde auch der Hauptpunkt für eine Zustimmung zum Gurkenwasser-Experiment sowohl für die Linke als auch die FDP. Sonja Jacobsen (Fraktionschefin der Bergedorfer FDP), die langjährig in München lebte und arbeitete, hebt dabei klar hervor, dass die zuletzt erlebten eisigen Tage und Nächte von Bergedorf im Unterschied zum Süden der Republik „keine Extremwetterlage“ darstellten. Ihre grundsätzliche Haltung: „Fußwege müssen frei sein. Ob wir als Hamburger dabei aber wieder zu Salz greifen müssen, muss ebenfalls gut abgewogen werden.“ Bergedorfs Politik hat sich darauf verständigt, das Thema demnächst im Hauptausschuss näher zu erörtern. Denn möglicherweise kommt noch in diesem Winter eine neue Eiszeit.