Bergedorf. American Football als Zuschauermagnet: In diesen Lokalen haben sich Fans zusammengefunden, um das Sportereignis zu verfolgen.

Da sitzen sie, die Fans der Kansas City Chiefs und San Francisco 49ers friedlich vereint. Die Bergedorfer Ehepaare Nelly und Michael Fischer sowie Heidrun und Karl-Heinz Fenske haben sich in der Nacht zum Montag im American-Diner des Hansa Filmstudios in Lohbrügge verabredet und fiebern nun gemeinsam dem Super Bowl entgegen.

Doch eine Kleinigkeit stört die Harmonie. Denn während sich die Fischers und Karl-Heinz Fenske in ihre alten 49ers-Trikots geworfen haben, hält Heidrun Fenske im Jersey der Kansas City Chiefs trotzig dagegen. „Die Chiefs werden gewinnen“, verkündet sie. „Die 49ers mag ich zwar auch, aber seit ein paar Jahren bin ich Fan von Kansas City.“

American Football: So erlebten die Fans in Bergedorf die historische Super-Bowl-Nacht

Fast alle haben sich den Montag nach dem Spiel freigenommen. Nur Nelly Fischer, die als Kindermädchen arbeitet, muss ran. „Aber erst am Nachmittag“, beruhigt sie. „Da ist genügend Zeit, um auszuschlafen.“ Sie alle können noch nicht ahnen, dass es eine historische Nacht werden wird. Selten war ein Spiel so dramatisch wie dieses.

Fans verfolgen den Super Bowl im voll besetzten American-Diner in Lohbrügge, (v.l.) Nelly Fischer, Michael Fischer, Karl-Heinz Fenske, Heidrun Fenske.
Fans verfolgen den Super Bowl im voll besetzten American-Diner in Lohbrügge, (v.l.) Nelly Fischer, Michael Fischer, Karl-Heinz Fenske, Heidrun Fenske. © Volker Gast | Volker Gast

Dabei sieht es lange Zeit nicht gut aus für die Kansas City Chiefs mit ihren Superstars Patrick Mahomes und Travis Kelce, denen Kelce-Freundin Taylor Swift von der Tribüne aus die Daumen drückt. Für das Spiel in Las Vegas war die erfolgreichste Musikerin unserer Zeit extra von einem Konzert aus Tokio eingeflogen.

Lange sieht es nach einem Sieg der San Francisco 49ers aus

Die San Francisco 49ers gehen früh in Führung und bleiben es lange. Die über 80 Gäste im American-Diner, von denen die meisten dem vermeintlichen Underdog aus Kalifornien die Daumen drücken, nehmen es mit Genugtuung zur Kenntnis. Von ganz hinten überblickt Inhaber John Barsoe die Menge und freut sich, dass sein Restaurant mitten in der Nacht voll geworden ist.

„Das Programm muss zur Location passen“, lautet sein Credo. „Beim Derby HSV-St. Pauli war es hier natürlich noch viel voller. Damals sind wir kaum mit dem Bierzapfen hinterher gekommen.“ Barsoe hat Familie in der Nähe von Los Angeles. „Mindestens dreimal pro Jahr bin ich in Kalifornien und hole mir bei der Gelegenheit neue Anregungen“, verrät er. Doch das A und O sei ein motiviertes Team. 35 Angestellte hat Barsoe, die eben bei Bedarf auch mitten in der Nacht parat stehen, um den Laden am Laufen zu halten.

Zu Fuß gehen? Das ist nicht der American Way of Life

Während sich die Kansas City Chiefs auf den großen Bildschirmen rundherum so langsam an die Aufholjagd machen, erzählt Michael Fischer am Fan-Tisch von seinen eigenen USA-Erfahrungen. „Ich habe Software-Programme für die Autoindustrie entwickelt, die ich dann dort vorgestellt habe“, berichtet er. „Doch die Mentalität der Amerikaner finde ich ein bisschen merkwürdig. Einmal war das Messegelände ganz in der Nähe unseres Hotels, sodass wir einfach hinüber gelaufen sind. Da hat dann sofort die Polizei angehalten und uns gefragt, warum wir zu Fuß gehen und nicht mit dem Auto fahren.“

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Bereits seit 1987 verfolgt das Quartett regelmäßig den Super Bowl. Die 1980er-Jahre, das war die große Zeit der San Francisco 49ers, als Quarterback Joe Montana und Passempfänger Jerry Rice zauberten und jeder Fan in Europa eigentlich gar nicht anders konnte, als in Bewunderung für dieses Team groß zu werden.

Der Super Bowl verdankt seinen Namen einem Hüpfball

Kurioserweise verdanken wir den Super Bowl – Super-Schale – aber den Kansas City Chiefs. Genauer gesagt ihrem damaligen Eigentümer Lamar Hunt (1932-2006). Der sah eines Tages seine Tochter mit einem großen Hüpfball – im Englischen: „Super Ball“ – im Garten spielen und verulkte das zu „Super Bowl“ als Name für das damals gerade neu eingeführte Meisterschaftsfinale. Die Medien nahmen den Begriff auf, der Super Bowl war geboren.

Heute ist das Spiel ein Medienevent, das von etwa 800 Millionen Menschen auf dem Globus verfolgt wird. Allein in den USA schauen 115 Millionen, also mehr als jeder dritte Amerikaner. In Deutschland hingegen liegt die Reichweite bei 1,8 Millionen Zuschauern, das ist in etwa halb so viel wie bei einer Folge „Notruf Hafenkante“. Doch da die Spiele mitten in der Nacht stattfinden, ist der Marktanteil enorm.

Hamburg Swans schauen Super Bowl gemeinsam in der Food Lounge

Während sich im fernen Las Vegas die Kansas City Chiefs in die Verlängerung retten, sind im verregneten Bergedorf die Straßen menschenleer. Ein einzelnes Polizeiauto patrouilliert durch die City, doch es gibt absolut nichts Auffälliges zu beobachten. Etwa eineinhalb Kilometer vom American-Diner entfernt haben sich in der Bergedorfer Food Lounge weitere 100 American-Football-Fans versammelt, darunter das Team der Hamburg Swans.

Das American-Football-Team der TSG Bergedorf weiß, wie Comebacks funktionieren. Im vergangenen Herbst drehten die Männer eine Partie gegen die Hannover Grizzlies in der Regionalliga nach 0:28-Rückstand noch in einen 32:31-Sieg. Ein Beispiel dafür, dass in diesem Sport immer alles möglich ist.

Bergedorfs starke Männer halten es mit den San Francisco 49ers

Doch mit wem halten es die starken Männer aus Bergedorf in dieser Nacht. „Die meisten sind für die San Francisco 49ers“, berichtet Swans-Sprecher Martin Kirmse. „Schon allein wegen unserer Trainerin.“ Nina Schulz, Defensive Coordinator und neuer Head Coach der Hamburg Swans, reckt bei jeder gelungenen Aktion der Kalifornier triumphierend die Arme in die Höhe. Der Zauber der alten Zeiten mit Joe Montana und Jerry Rice, er wirkt auch bei ihr nach.

Das Team der Hamburg Swans war zu Gast in der Bergedorfer Food Lounge, (v.l.). Abwehrspieler Yannic Kiesewetter, Trainerin Nina Schulz, Sprecher Martin Kirmse und Special Teams Coordinator Gregor Gerz.
Das Team der Hamburg Swans war zu Gast in der Bergedorfer Food Lounge, (v.l.). Abwehrspieler Yannic Kiesewetter, Trainerin Nina Schulz, Sprecher Martin Kirmse und Special Teams Coordinator Gregor Gerz. © Volker Gast | Volker Gast

Die Footballer sind hart im Nehmen. Am Morgen hat sich ein Teil des Teams noch am Charity-Lauf der Gretel-Bergmann-Schule beteiligt. Jetzt mitten in der Nacht sind sie immer noch topfit. Schlaf wird überbewertet. Allzu viel, gibt Schulz zu, könne sich das Team beim Super Bowl aber nicht für seine eigenen Auftritte abschauen. „Der Unterschied ist schon sehr groß“, gibt sie zu. „Für die Jungs hier ist American Football ein Hobby, das in Las Vegas ist eine andere Welt.“

Wie die Swans-Trainerin Nina Schulz zum American Football kam

Eher zufällig kam sie einst zu der rauen Sportart. „Ich hatte als Jugendliche eine Clique, in der die Jungs American Football gespielt haben“, erzählt sie. „Irgendwann wurde dann auch eine Damenmannschaft aufgemacht, und schwuppdiwupp war ich Football-Spielerin.“ Bereut hat sie das nie, der Zusammenhalt innerhalb einer solchen Mannschaft sei unglaublich.

Logischerweise haben sich auch hier alle den Montag frei genommen, um die lange Football-Nacht so richtig genießen zu können. Alle außer Martin Kirmse. Der ist Grundschullehrer für Sport, Sachkunde und Englisch und muss folglich in aller Frühe wieder ran. Augen auf bei der Berufswahl!

Spät in der Nacht wirft Superstar Mahomes den entscheidenden Pass

So wird Kirmse die Szene nicht mehr mitkriegen,

als Kansas-City-Quarterback Patrick Mahomes drei Sekunden vor Ende der Verlängerung um 4:46 Uhr deutscher Zeit den entscheidenden Touchdown-Pass in die Endzone wirft

Wurde im Draft an letzter Stelle gezogen: 49ers-Quarterback Brock Purdy (13).
Wurde im Draft an letzter Stelle gezogen: 49ers-Quarterback Brock Purdy (13). © John Locher/AP/dpa
Sollten die Chiefs mit Patrick Mahomes gegen die 49ers gewinnen, wäre es der dritte Triumph im Super Bowl binnen fünf Jahren für das Team.
Sollten die Chiefs mit Patrick Mahomes gegen die 49ers gewinnen, wäre es der dritte Triumph im Super Bowl binnen fünf Jahren für das Team. © Charlie Riedel/AP/dpa
Runningback Christian McCaffrey könnte im Super Bowl für die 49ers eine große Rolle spielen.
Runningback Christian McCaffrey könnte im Super Bowl für die 49ers eine große Rolle spielen. © Godofredo A. Vásquez/AP/dpa
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und die Chiefs einmal mehr zum Champion macht. Es ist ein 25:22-Triumph für den Favoriten, den niemand vergessen wird, der in dieser Nacht dabei war.