Hamburg. Ob Oberbillwerder oder Stuhlrohrquartier: Der Bezirk plant zahlreiche ehrgeizige Projekte. Probleme bereitet die Krise der Baubranche.
Auf 155.000 Einwohner soll Bergedorf bis zum Jahr 2035 wachsen. „Dafür muss mehr passieren, als nur Steine aufeinander zu schichten“, betont Stadtplaner Oliver Panz. Tatsächlich hat der südöstlichste Bezirk Hamburgs große Pläne. Die Innenstadt soll ein neues Gesicht erhalten, mit Oberbillwerder sogar ein neuer Stadtteil auf der grünen Wiese entstehen. Ab Sonnabend, 10. Februar, zeigt eine Ausstellung auf der Brücke des CCB die Zukunft Bergedorfs – von den Visionen für das Stuhlrohrquartier bis zu den aktuellen Planungen für Nachverdichtung in Lohbrügge. Die Schau ist bis zum 20. Februar zu sehen.
Einen Tag vor dem Beginn der Ausstellung kamen Architekten, Stadtplaner und Bauträger im Körberhaus zum Bergedorfer Zukunftsdialog zusammen. Ein roter Faden der Veranstaltung: der besondere Charakter Bergedorfs. „Urbaner Kern, städtische Ergänzungen und darum herum dörflicher Charakter“, fasste es Susanne Metz, Leiterin des Hamburger Amts für Landesplanung und Stadtentwicklung, zusammen. Laura Jahnke vom Bund Deutscher Architekten (BDA) pries die „uralte Struktur“ der Innenstadt. „Wir haben mit dem Sachsentor eine Straße, die wirklich zum Aufenthalt bewegen soll. Wir haben ein Schloss mit Schlossgarten und eine alte Kirche.“
Ausstellung im CCB zeigt die Zukunft von Bergedorf
Diese Potenziale sollen in den nächsten Jahren ausgeschöpft werden. So in der Innenstadt, wo das alte Parkhaus am Sachsentor abgerissen und durch einen Neubau der Trei Real Estate ersetzt werden soll. Apostolos Tsoupras, Vertreter des Unternehmens, betonte, dass neben den neuen Autoparkplätzen auch 300 Fahrradstellplätze entstehen sollen. „Wir sind ziemlich weit in der Funktionsplanung und wollen die alte Parkgarage so schnell wie möglich abreißen“, betonte Tsoupras. Im Erdgeschoss des Neubaus sollen Geschäfte Platz finden. Durch solche Projekte soll gerade die Bergedorfer Schlossstraße als Parallelstraße zur Fußgängerzone aufgewertet werden.
Architektin Laura Jahnke sagte: „Es ist für uns von Vorteil, dass es in der Innenstadt noch Brachflächen gibt.“ So gebe es Raum für Entwicklung. Jahnke machte klar: „Die Leute müssen in der Innenstadt wohnen, es muss knackevoll werden.“ Da Kaufhausriesen wie Karstadt kaum in die Bergedorfer City zurückkehren werden, forderte die BDA-Vertreterin, besonderen Wert auf die Aufenthaltsqualität zwischen den Gebäuden zu legen.
Ebenfalls ein Filetstück in zentraler Lage: das Stuhlrohrquartier. Nach der turbulenten Geschichte der Planung, sieht Baudezernent Lars Rosinski das Projekt auf einem guten Weg. Momentan mache man sich Gedanken über die Erschließung des Areals für den Verkehr. „Im nächsten Jahr soll dann die Bebauungsplanung abgeschlossen werden“, so Rosinski. Die Experten bei der Zukunftskonferenz machten aber klar: Neue Quartiere auch mit Leben zu füllen, ist eine Mammutaufgabe. „Die Menschen müssen sich dort wiederfinden, das passiert in vielen Neubauprojekten nicht“, sagte Städteplaner Uwe Drost von D&K drost consult. Jan Behrendt von der Behrendt-Gruppe bemängelte, dass Architekten oft vergeblich lebhaftes südeuropäisches Flair auf den von ihnen entworfenen Plätzen anstreben: „Das Ergebnis sieht oft trist aus.“
Bei allem Schwung der Stadtplaner und Architekten: Die aktuelle Krise der Baubranche und die gestiegenen Zinsen hingen als düstere Wolke über der Veranstaltung. So schilderte Dirk Hinzpeter von der Hansa Baugenossenschaft die Situation am Beensroaredder. Dort stehen bisher 25 kleine Bungalows, welche die Hansa mit einem ambitionierten Neubau ersetzen wollte. „Wir wollten hohe Energieeffizienz, wir wollten Holzbau“, beschrieb Hinzpeter die Vorstellungen. Als die ersten Kostenschätzungen eintrafen, stellte sich heraus: So ist das Projekt nicht zu finanzieren. Jetzt plant die Hansa neu und backt kleinere Brötchen. Ein Stockwerk mehr, niedrigere Decken, beim Schallschutz nur noch Mindeststandards.
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„Schwarzbrot macht auch satt“, lautete auch die Devise von Marco Lohmann von der Baugenossenschaft Bergedorf-Bille. Statt weiter, wie in Zeiten günstiger Kredite, neue Wohngebiete aus dem Boden zu stampfen, müsse man vielmehr bestehende Quartiere geschickt weiterentwickeln und nachverdichten. Für Lohmann durchaus eine Chance, um aus der Not eine Tugend zu machen: „Aus Klimaschutzgründen müssen wir da sowieso ran.“ Kreative Lösungen seien gefragt, zum Beispiel neue Wohnprojekte, in denen auch Pflege von alten Menschen anders gelöst werden kann.
Um die schwierige Situation zu meistern, dürften sich die Beteiligten nicht über Kleinkram zerstreiten. „Autos sind wichtig. Regenrückhaltebecken sind wichtig. Aber daran darf kein Projekt scheitern“, forderte Lohmann. Die Menschen in Bergedorf hätten sich traditionell in schwierigen Situationen immer zusammengerauft. Auch Baudezernent Lars Rosinski beschwor den Zusammenhalt: „Trotz der Krise stecken die Leute hier die Köpfe nicht in den Sand, sondern suchen nach Lösungen.“ Dann sei am Ende beides möglich: „Schwarzbrot und Lachsbrötchen.“