Hamburg. Zahl der Erkrankungen im Bezirk hat sich mehr als verdreifacht. Warum die Infektion nicht nur eine harmlose Kinderkrankheit ist.

Hamburgs Eltern sind leidgeprüft. Nachdem im vergangenen Winter vor allem eine Welle an Atemwegserkrankungen(RS-Virus) für volle Kinderarztpraxen sorgte, erwarten Ärzte in diesem Halbjahr nun eine Reihe schwerer Grippefälle auch bei Jüngeren. Das alles zusätzlich zu Corona. Und noch eine weitere Krankheit macht von sich reden: Die Windpocken sind zurück – in Bergedorf und auch im Rest von Hamburg.

Der Zuwachs an Windpockenfällen sei „auffällig“, sagt Bergedorfs Bezirksamtssprecher Lennart Hellmessen – und nennt auf Nachfrage Zahlen: Gab es im vergangenen Jahr bis zum 7. November im Bezirk Bergedorf 15 gemeldete Fälle, so sind es in diesem Jahr bis zum selben Stichtag bereits 50. Eine Zunahme also um gut 230 Prozent.

Windpocken-Alarm: Deutlich mehr Infektionen in Bergedorf und Hamburg

Hamburgs Gesundheitsbehörde nennt ähnliche Zahlen: Bis zum 26. Oktober wurden 397 Fälle in der Hansestadt gemeldet. Im gesamten Jahr 2022 waren es nur 258 Erkrankungen. Es seien aber wohl auch Aufholeffekte nach Corona, heißt es, denn 2019 wurden im ganzen Jahr 529 Fälle gezählt.

Die Zeiten, in denen die Kinder mit ihren Windpocken einfach zu Hause blieben und sich auskurierten, sind aber längst vorbei. Bereits seit 2004 wird eine Impfung empfohlen. Grund: Windpocken sind nicht so ungefährlich wie ihr Image. Zwar bleibt es oft bei Abgeschlagenheit, etwas Fieber und den typischen, stark juckenden Pusteln. Aber es sind auch schwerere Verläufe möglich.

Windpocken sind nicht so ungefährlich wie ihr Image

Bakterielle Superinfektionen der Haut sind laut Robert-Koch-Institut die häufigste Komplikation und können zu Narben führen. Auch eine Windpocken-Lungenentzündung oder Entzündungen des Nervensystems sind möglich.

Vor allem aber gefährdet die hoch ansteckende Krankheit das Leben anderer: Bei Schwangeren kann die Virusinfektion zu schweren Fehlbildungen oder sogar zum Tod des Ungeborenen führen. Und neugeborene Babys können ebenfalls lebensbedrohlich erkranken, wenn die Mutter um den Geburtstermin herum Windpocken hat. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sterben bis zu 30 Prozent der erkrankten Babys.

Schwangeren und ihren Babys können Windpocken sehr gefährlich werden

Windpocken sind deshalb meldepflichtig; Erkrankte und ihre Kontaktpersonen dürfen Gemeinschaftseinrichtungen nicht betreten. Zudem wird eine Impfung empfohlen. Auch das Hamburger Hygieneinstitut rät bestimmten Gruppen zur Impfung, sofern diese Menschen noch nie Windpocken hatten: Das seien „Frauen mit Kinderwunsch, Menschen mit einer schweren Neurodermitis, Patienten vor einer geplanten abwehrschwächenden Therapie oder Organtransplantation sowie deren enge Kontaktpersonen“, zudem Pflegepersonal, Lehrer oder Betreuer in Flüchtlingseinrichtungen.

Auch wenn Windpocken in der Regel bei kleinen Kindern bis zu zehn Jahren auftreten: Erwachsene können sich ebenfalls anstecken. „Oft verlaufen die Windpocken im Erwachsenenalter schwerer“, heißt es bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Wer eine Erkrankung überstanden hat, ist in der Regel lebenslang gegen Windpocken immun. Es gibt jedoch Ausnahmen. Und oft droht dann später noch eine schmerzhafte Gürtelrose, denn für sie ist dasselbe Virus verantwortlich. Am häufigsten sind Menschen jenseits der 50 betroffen oder solche mit geschwächter Abwehr.

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Während die Windpocken derzeit die Gesundheitsämter beschäftigen, ist die Grippelage laut Bergedorfer Bezirksamt noch nicht allzu auffällig. Zwischen dem 1. September und Anfang November sind im Bezirk erst elf Influenzafälle gemeldet worden. Zur gleichen Zeit im Vorjahr waren es 13.

Anders die Corona-Infektionen, deren Zahl bereits seit Anfang Juli kontinuierlich steigt. Allein in der Woche vom 31. Oktober bis zum 6. November wurden 43 Infektionen in Bergedorf gemeldet. „Wir rechnen aber mit einer sehr hohen Dunkelziffer“, so Sprecher Lennart Hellmessen. Eine gute Nachricht gibt es aber auch: Die sehr gefährlichen Masern, die oft mit den Windpocken verwechselt werden, treten derzeit „nicht vermehrt“ auf.