Bergedorf. 1951 ist die Integration der Kriegsflüchtlinge ein großes Thema. Und in einem Innenhof erleben die Menschen eine Sensation.

Festumzüge prägen das Bild der 50er-Jahre in Bergedorf. Die Landsmannschaften der Vertriebenen marschieren am Tag der Heimat und zu den 1951 gegründeten Bergedorfer Heimatwochen Seite an Seite mit den Schützenvereinen, Vierländer Institutionen und den hiesigen Sportvereinen von Lohbrügge aus durch die ganze Stadt bis ins schon 1950 eingeweihte Stadion im Billtal.

Zehntausende säumen die Straßen, füllen die Ränge der riesigen neuen Sportstätte, feiern bis zum nächsten Morgen in Bergedorfs und Lohbrügges Tanzlokalen – und sorgen mit über 50.000 Menschen beim Feuerwerk gleich zur Premiere der Heimatwochen am Sonntag, 19. August 1951, für den absoluten Besucherrekord. Doch das bunte Treiben überdeckt die harte Realität der Nachkriegsjahre mit ihrer riesigen Arbeitslosigkeit, dem eklatanten Wohnungsmangel und dem Leid Zehntausender Heimatvertriebener sowie ausgebombter Hamburger, die Bergedorfs Bevölkerung auf 78.000 Menschen ansteigen ließen und damit fast verdoppelten.

In Bergedorf gelingt die Integration der vielen Tausend Heimatvertriebenen

Ein Pulverfass, das leicht zu Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen oder zwischen den Alt- und Neu-Bergedorfern hätte führen können. Und natürlich zum Revanchismus der Flüchtlinge gegenüber den neuen Landesherren in ihrer Heimat von Pommern über Schlesien und das Sudetenland bis nach Ost- und Westpreußen. Doch in Bergedorf gelingt, was nicht in allen westdeutschen Städten klappt: die Integration der Heimatvertriebenen durch gegenseitigen Respekt, der sich insbesondere in den Heimatwochen zeigt.

Immer ein Großereignis: vom Künstler Bruno Karberg entworfenes Plakat der Bergedorfer Heimatwoche.
Immer ein Großereignis: vom Künstler Bruno Karberg entworfenes Plakat der Bergedorfer Heimatwoche. © Kultur- & Geschichtskontor (Arch | Kultur- & Geschichtskontor

Auch die Bergedorfer Zeitung stellt dieses Miteinander immer wieder besonders heraus. So heißt es auf der Sonderseite zum Auftakt der Heimatwoche 1951: „Großartig haben die Landsmannschaften die Erwartungen erfüllt, die wir in ihr Mitwirken gesetzt haben. Ja, sie haben sie bei Weitem übertroffen.“ Es folgt Lob für „die Trachtengruppe der Schlesier mit Brut und Bräutigam in ihrer Mitte“, die „prächtigen Deutschritter der Ost- und Westpreußen“, den schönen Wagen der Sudetendeutschen sowie den „Wald von Wappenschilden der Pommern“.

„Die alten Heimatfeste haben den Notwendigkeiten der Gegenwart weichen müssen“

Natürlich bekommen auch die Vierländer Radsportler und Bergedorfs Schützen Zeitungslob, ebenso wie die beteiligten Turnvereine und die Feuerwehr. Bezirksamtsleiter Albert Schaumann verweist in seiner Rede auf den neuen Charakter, den die Heimatwoche der alten Tradition der ebenfalls mit Umzügen und großem Programm gefeierten Bergedorfer Schützenfeste gibt: „Die Zeit der alten Heimatfeste ist vorbei. Sie haben den Gegebenheiten und Notwendigkeiten der Gegenwart weichen müssen.“

Albert Schaumann war Bergedorfs erster Bezirksamtsleiter. Von 1946 bis 1962 war er Chef im Rathaus an der Wentorfer Straße.
Albert Schaumann war Bergedorfs erster Bezirksamtsleiter. Von 1946 bis 1962 war er Chef im Rathaus an der Wentorfer Straße. © Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

Dann beschreibt Schaumann den Pragmatismus, mit dem seine Verwaltung sowie alle Vereine und Verbände des frisch gegründeten Bezirks den neuen Alltag angehen: „Die Bevölkerung auch in unserem Bergedorf ist umgeschichtet worden. Ausgebombte sind hinzugekommen und die Vertriebenen aus den Ostgebieten. Aber wir wollen keinen Unterschied machen zwischen Alt- und Neubürgern. Wir wollen das in uns entdecken, was in allen Herzen vorhanden ist und uns gleich macht: der Funke des Heimatgefühls. So soll die Bergedorfer Heimatwoche uns alle umfassen und uns in diesem Sinne auch enger zusammenführen.“

Billtal-Stadion wird in den 50er-Jahren der sportliche und kulturelle Mittelpunkt Bergedorfs

Tatsächlich locken die achttägigen Heimatwochen bis Ende der 50er-Jahre stets Zehntausende, wobei im Billtal-Stadion auch Turnfeste, Fußballspiele, Kultur- und Ereignisse sowie vor allem die legendären Seifenkistenrennen mit riesiger hölzerner Rampe für ein neues Miteinander vor allem der jungen Generation sorgen. Parallel läuft überall der genossenschaftliche Wohnungsbau an, wie die Bergedorfer Zeitung regelmäßig berichtet.

Einer der Neubauten der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bergedorf auf dem Gojenberg.
Einer der Neubauten der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bergedorf auf dem Gojenberg. © Kultur- & Geschichtskontor | Kultur- & Geschichtskontor

So heißt es am 4. Mai 1951, dass nach 343 Fertigstellungen im Vorjahr nun erneut gut 400 Wohnungen im Bau seien. Darunter etwa 150 durch die Gemeinnützige Baugenossenschaft Bergedorf auf dem Gojenberg und weitere 96 durch die noch nicht mit ihr vereinige Baugenossenschaft Bille am Richard-Linde-Weg. Ferner entstehen jetzt die 250 Mietwohnungen an der Ecke Wentorfer Straße/Justus-Brinckmann-Straße, wo bis dahin Schrebergärten waren.

4000 Wohnungssuchende im Bezirk, darunter viele Kriegswitwen mit drei bis vier Kindern

Dass auch diese Zahl den Bedarf noch längst nicht deckt, macht ein Bericht vom 6. Juli deutlich: „Rund 4000 Wohnungssuchende sind in unserem Bezirk registriert. Oft Familien, die zum Teil noch derart behelfsmäßig untergebracht sind, dass schnellstens für Abhilfe gesorgt werden muss“, schreibt die Bergedorfer Zeitung.

Kinder der Heimatvertriebenen  spielen in der 1950er-Jahren am Richard-Linde-Weg. Im Hintergrund: der Lohbrügger Wasserturm.
Kinder der Heimatvertriebenen spielen in der 1950er-Jahren am Richard-Linde-Weg. Im Hintergrund: der Lohbrügger Wasserturm. © Kultur- & Geschichtskontor | Kultur- & Geschichtskontor

Darunter seien „in vielen Fällen Menschen, die niemals Aussicht haben, irgendwelche Mittel zum Bau eines Hauses aufzubringen oder Mitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft zu werden. Kriegerwitwen mit drei und vier Kindern, Schwerkriegsbeschädigte, Flüchtlinge und Vertriebene sind das in erster Linie, fast alle soforthilfeberechtigt und wegen ihres geringen Einkommens nicht in der Lage, hohe Mieten zu zahlen“, so die Zeitung. „Für sie sorgt der Schlichtwohnungsbau, dass auch sie wieder menschenwürdig untergebracht werden.“

„Zwei oder zweieinhalb Zimmer geben genügend Raum, auch für eine Familie mit Kindern“

Was eine Schlicht- oder Kleinwohnung ist, wird am Beispiel der Neubauten am Richard-Linde-Weg beschrieben, wo die Baugenossenschaft Bille vier Blocks mit je 24 nahezu identischen Wohnungen baut: „Sie werden keine Küche bekommen, sondern eine abgetrennte Kochnische, die jedoch derart praktisch eingerichtet wird, dass die Hausfrau sämtliche Arbeiten schnell und zweckmäßig in ihr vornehmen kann..“

Ohne Vater: Heimatvertriebene vor einer Flüchtlingsbaracke in Bergedorf.
Ohne Vater: Heimatvertriebene vor einer Flüchtlingsbaracke in Bergedorf. © Kultur- & Geschichtskontor | Kultur- & Geschichtskontor

Und weiter: „Eingebauter Wandschrank, Elektroherd und Warmwasser, das aus dem Boiler des Duschbades im Nebenraum kommt, entsprechen den Anforderungen, die an eine moderne Kleinwohnung gestellt werden können. Zwei oder zweieinhalb Zimmer geben genügend Raum, auch für eine Familie mit Kindern.“

„Schafft Arbeit!“ – Bergedorfs DGB-Chef Hein Möller schreibt Brandbrief an die Politik

Welche Themen Bergedorf im Jahr 1951 noch bewegen, zeigt der Bericht der Bergedorfer Zeitung am 6. Juli über die Bezirksversammlung vom Tag zuvor. Dort stand der Brandbrief des Bergedorfer DGB-Chefs Hein Möller im Mittelpunkt. Er gab Politik und Verwaltung eine Mitschuld an der hohen Arbeitslosigkeit, weil eine Vielzahl anstehender großer Bauprojekte noch immer nicht gestartet sei: „Schafft Arbeit!“, hatte der Gewerkschaftschef sein Schreiben getitelt.

Marode: das alte, lange leer stehende ehemalige Hotel Stadt Hamburg in den 1950er-Jahren. Es wurde später abgerissen und leicht versetzt im historisierenden Stil wieder aufgebaut.
Marode: das alte, lange leer stehende ehemalige Hotel Stadt Hamburg in den 1950er-Jahren. Es wurde später abgerissen und leicht versetzt im historisierenden Stil wieder aufgebaut. © Kultur- & Geschichtskontor | Kultur- & Geschichtskontor

Es geht um die Sanierung des maroden ehemaligen Hotels Stadt Hamburg (heute Block House), die im Genehmigungsverfahren steckt und mitten im Ortskern seit Jahren für einen Schandfleck sorgt. Zudem wankt die Finanzierung des bereits projektierten Neubaus des Bethesda Krankenhauses, und auch die als innerörtliche Umgehungsstraße geplante B5 verschiebt sich auf unbestimmte Zeit.

Die B5 sollte ursprünglich vom Lohbrügger Markt zur Chrysanderstraße geführt werden

Immerhin steht jetzt fest, dass die vorgesehene Trasse von der Lohbrügger Landstraße über den Lohbrügger Markt und die Bille zur Chrysanderstraße und weiter zum Mohnhof nicht realisiert wird. Dafür müssten zu viele Häuser abgerissen werden, was angesichts der Wohnungsknappheit nicht zu verantworten ist. Im Oktober steht dann fest, dass die B5 auf Lohbrügger Gebiet ihre heutige Trasse samt Bahnunterführung bekommt.

Die Dringlichkeit der neuen Straße wird angesichts des rasant wachsenden Pkw- und Lkw-Verkehrs auf der einzigen Direktverbindung zwischen Hamburg und Berlin von der Bergedorfer Zeitung immer wieder betont. Zwar beginnt die Realisierung letztlich erst 1955, aber im Frühling 1951 bekommen die Befürworter Rückenwind aus Lauenburg: Dort weiht Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm (Deutsche Partei) am 20. Mai die neue Elbbrücke ein.

Tatenberger Schleuse und Dove-Elbe-Siel befreien Vier- und Marschlande vom Tidenhub

Im Gegensatz zu ihrem 1945 von der Wehrmacht gesprengten Vorgänger führt sie neben der Eisenbahn auch eine Straße über den Strom. Die Bergedorfer Zeitung berichtet umfangreich von der Einweihungsfeier mit 10.000 Gästen, zeigt sogar ein großes Foto auf der Titelseite und merkt an, dass so der Verkehr durch Bergedorf noch weiter steigen werde.

Bericht der Bergedorfer Zeitung vom 29. Juni 1951 über den Bau der Tatenberger Schleuse, mit der die Vier- und Marschlande vom Tidenhub der Elbe befreit werden: „Die Dove-Elbe abgedämmt – erste Flutwelle abgewiesen“.
Bericht der Bergedorfer Zeitung vom 29. Juni 1951 über den Bau der Tatenberger Schleuse, mit der die Vier- und Marschlande vom Tidenhub der Elbe befreit werden: „Die Dove-Elbe abgedämmt – erste Flutwelle abgewiesen“. © Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

Auch ein anderes wichtiges Technik-Bauwerk wird 1951 zumindest im Rohbau fertiggestellt: Ende Oktober weht über der Tatenberger Schleuse und ihrem regulierbaren Dove-Elbe-Siel der Richtkranz. Damit werden die gesamten Vier- und Marschlande vom Tidenhub befreit, was Landwirtschaft und auch Wohnungsbau deutlich mehr Flächen beschert, wie es bereits am 29. Juni in der Bergedorfer Zeitung heißt: „Neues Leben wird auf dem Vorland zwischen Tatenberg und Bergedorf erwachen.“

USA drohen im Fall eines neuen Weltkrieges offen mit Einsatz von Atombomben

Während diese Maßnahme Sicherheit für die Zukunft verspricht – auch wenn sich die verheerende Sturmflut vom Februar 1962 sich andere Wege ins Landgebiet suchen soll – geht auf den Titelseiten der Bergedorfer Zeitung 1951 immer wieder ein banger Blick auf den Frieden in der Welt. Der einsetzende Kalte Krieg zwischen Ost und West sorgt die Bergedorfer. Die junge Bundesrepublik ist zum Frontstaat geworden, was den Lesern anhand diverser Grafiken immer wieder vor Augen geführt wird.

Titelseite Bergedorfer Zeitung 24./25. Februar: „Eisenhower will im Kriegsfall sofort Atombombe einsetzen“.
Titelseite Bergedorfer Zeitung 24./25. Februar: „Eisenhower will im Kriegsfall sofort Atombombe einsetzen“. © Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

So erfahren sie Ende Februar, dass die USA auf eine Wiederaufrüstung der Bundesrepublik bestehen. Zudem beginnt das Säbelrasseln der Amerikaner: „Eisenhower will im Kriegsfall sofort Atombombe einsetzen“, heißt es auf der Titelseite vom 12. März 1951. Und zehn Tage später ganz im Sinne der Abschreckungsdoktrin: „Friedenssicherung durch überlegene Waffen“.

„Wie retten wir den Frieden?“ – Hamburgs Bürgermeister Max Brauer in Bergedorfer Zeitung

Im zerstörten Deutschland und auch im zwar weitgehend unzerstörten, aber von Flüchtlingen fast überlaufenden Bergedorf verbreiten die neuen Kriegsaussichten Angst. Auch deshalb titelt die Bergedorfer Zeitung in ihrer Silvester-Ausgabe 1951 mit der Frage „Wie retten wir den Frieden?“ über einem Beitrag des Hamburger Bürgermeisters Max Brauer.

„Wie retten wir den Frieden?“: Hamburgs Bürgermeister Max Brauer am 31. Dezember 1951 auf der Titelseite der Bergedorfer Zeitung.
„Wie retten wir den Frieden?“: Hamburgs Bürgermeister Max Brauer am 31. Dezember 1951 auf der Titelseite der Bergedorfer Zeitung. © Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

Der Sozialdemokrat sieht Deutschland zwar im westlichen Lager gut aufgehoben, mahnt aber stabile Einkommen für die Bevölkerung an, um die junge Demokratie nicht gleich wieder aufs Spiel zu setzen: „Wir retten den Frieden nur durch die straffe internationale Zusammenfassung aller unserer freiheitlichen Kräfte, sowie die soziale Sicherung und die Herbeiführung eines ausreichenden Lebensstandards für die breiten Massen der Werktätigen, der den sichersten Schutz gegen jede totalitäre fünfte Kolonne darstellt.“

Bergedorfs großes Textilkaufhaus Penndorf feiert 1951 seinen 100. Geburtstag

Tatsächlich lässt sich auch im Bergedorf des Jahres 1951 beobachten, wie die ersten Vorboten des Aufschwungs, der später zum „Wirtschaftswunder“ werden soll, den Konsum zur neuen Triebfeder der Menschen werden. So baut das renommierte Textilkaufhaus Penndorf am Sachsentor großflächig um und feiert am 1. Oktober schließlich sein 100-jähriges Bestehen: „Jeder Großstadtkonkurrenz gewachsen“ lautet die Überschrift. Im Text heißt es ergänzend: „Penndorfs Gegenwart im Sachsentor ist heute nicht mehr wegzudenken.“

Textilkaufhaus-Chef Herbert Penndorf öffnet die umgebauten Verkaufsräume. Die Kundinnen stehen bereits Schlange.
Textilkaufhaus-Chef Herbert Penndorf öffnet die umgebauten Verkaufsräume. Die Kundinnen stehen bereits Schlange. © BGZ

Fast ebenso viel Platz räumt die Bergedorfer Zeitung am 11. Oktober 1951 der ersten Präsentation eines Fernsehgerätes in Bergedorf ein. Das für heutige Verhältnisse mit nur 31 Zentimetern Bildschirmdurchmesser geradezu winzige Schwarz-Weiß-Gerät wird abends unter freiem Himmel eingeschaltet.

11. Oktober 1951: Erste öffentliche Präsentation eines Fernsehgerätes in Bergedorf

„Mit einem stattlichen Kreis von Neugierigen und ernsthaft Interessierten standen wir gestern Abend vor dem Homannschen Rundfunkfachgeschäft auf dem Hof vom ,Gasthof zur Sonne‘ und warteten mit Spannung auf den Beginn der ersten öffentlichen Bergedorfer Fernsehübertragung“, berichtet unser Reporter von der Vorführung, die „mit einem Gerät für den Hausgebrauch hinsichtlich Bildgröße und Tonstärke für Übertragungen im Freien nicht ausreichte“.

Am 11. Oktober 1951 berichtet die Bergedorfer Zeitung über die erste öffentliche Vorstellung eines „Fernsehempfängers für den Privatgebrauch“ durch das Bergedorfer Rundfunkfachgeschäft Homann unter freiem Himmel auf dem Hof vom „Gasthof zur Sonne“. 
Am 11. Oktober 1951 berichtet die Bergedorfer Zeitung über die erste öffentliche Vorstellung eines „Fernsehempfängers für den Privatgebrauch“ durch das Bergedorfer Rundfunkfachgeschäft Homann unter freiem Himmel auf dem Hof vom „Gasthof zur Sonne“.  © Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

Dennoch sei es „eine gelungene Darbietung“ gewesen, bei der neben der Wochenschau auch der Film „Altes Herz wird wieder jung“ zu sehen war, der auf dem einzigen empfangbaren Kanal gezeigt wurde. Unsere Zeitung lobt „den Mut des Rundfunkfachmannes, die Öffentlichkeit zum ersten Übertragungsversuch einzuladen“, und druckt den Artikel unter einem Foto, das ihn beim Versuch zeigt, den Kanal richtig einzustellen.

Warnung vor der „technische Kompliziertheit eines Fernsehempfängers“

Dazu heißt es im Text: „Die technische Kompliziertheit eines Fernsehempfängers bringt es mit sich, dass man sich mit der Einstellung des Gerätes erst vertraut machen muss.“ Und weiter unten: „Es ist zu erwarten, dass die zweite Vorführung morgen Abend noch besser gelingt, weil bis dahin noch Gelegenheit geboten ist, bei den täglichen Testbildsendungen die richtige Antennenlage, die eine ausschlaggebende Rolle spielt, auszuprobieren.“

Die Grundlagen für die Ablenkung von den Problemen des Nachkriegsalltags sind also gelegt. Und mit dem Wirtschaftsaufschwung in den folgenden Jahren schließlich auch für das Ende Existenzsorgen – zumindest der Menschen in der Bundesrepublik. Das fördert die Integration der vielen Flüchtlinge, die nun auch in Bergedorf dauerhaft bleiben sollen.

Wirtschaftsaufschwung fördert die Integration – und lässt die Heimattage sterben

Diese Entwicklung hat Folgen für die großen Festlichkeiten, wie die Historiker des Kultur- & Geschichtskontors in ihrem Buch „Wo soll ich denn jetzt hin?“ über die Vertriebenen und Flüchtlinge in Bergedorf von 1945 bis 1960 schreiben: „Zehn Jahre nach dem ersten Tag der Heimat nahm das Interesse der Bevölkerung ab.“

Umzug zum Tag der Heimat in Bergedorf.
Umzug zum Tag der Heimat in Bergedorf. © BGZ

So titelt auch unsere Zeitung 1960: „Tag der Heimat – kaum beachtet“ und bedauert, dass die Menschen mittlerweile lieber Ausflüge machten, statt zu den Gedenkfeiern und Veranstaltungen zu gehen. Fazit der Historiker: „Die meisten Flüchtlinge und Vertriebenen hatten sich in Bergedorf integriert und mit ihrer Situation abgefunden. Zudem war die Aussicht einer Rückkehr in die alte Heimat in den Zeiten des Kalten Kriegs zunehmend unwahrscheinlich.“

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Dennoch geben bei einer deutschlandweiten Umfrage auch im August 1961 noch mehr als 50 Prozent der Vertriebenen an, dass sie gern in ihre alte Heimat zurückkehren wollen. Zum Vergleich: 1948 äußerten 90 Prozent diesen Wunsch.

Auch die Bergedorfer Heimatwoche verliert in den 60er-Jahren an Zuspruch. Zunächst noch in Kombination mit anderen Großveranstaltungen wie dem 800-jährigen Bestehen Bergedorfs 1962 gefeiert, wird sie 1964 zum letzten Mal ausgerichtet. Ihre Tradition wird später vom Bergedorfer Stadtfest aufgegriffen, das bis heute ebenfalls im August ausgerichtet wird – wenn auch nur alle zwei Jahre.