Bergedorf. Notbremse, Flaschenwurf, alkoholisierte Fans: 400 Polizisten üben verschiedene Szenarien auf einer S-Bahn-Fahrt nach Stellingen.

Auch das gehört zu den weniger schönen Begleiterscheinungen eines Fußballspiels: Betrunkene Fans grölen in der S-Bahn herum, nerven andere Fahrgäste, randalieren, geraten möglicherweise mit Fans des anderen Lagers aneinander. Gang und gäbe an jedem Bundesliga-Wochenende und noch einmal besonders herausfordernd bei der kommenden Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland, wenn Anhänger unterschiedlicher Nationen aufeinandertreffen.

Das möglichst konfliktfreie Bewältigen solcher Szenarien üben Kräfte der Bundespolizei Ratzeburg sowie der Bereitschaftspolizeien Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern am Donnerstag, 2. November, auf einer S-Bahnfahrt vom Bergedorfer Bahnhof bis zur S-Bahnstation Stellingen.

Polizei: Stresstest am Bahnhof Bergedorf für die Fußball-EM 2024

An dieser polizeilichen Großübung sind nach Angaben der Sprecherin der Bundespolizeidirektion Ratzeburg, Ines Michaelsen, bis zu 400 Personen beteiligt. Die Besonderheit liege ihrer Ansicht nach in dem länderübergreifenden Training. Am Donnerstagmorgen um kurz vor 10 Uhr sorgen die an der Übung Beteiligten für einen großen Menschenauflauf am Bergedorfer Bahnhof. Etwa 130 Uniformierten stehen am Lohbrügger Zugang (Johann-Meyer-Straße) genauso viele potenzielle Fußballchaoten gegenüber. Auch die „Störer“, wie Ines Michaelsen sie nennt, sind in Wahrheit Polizeibeamte.

Der Rest sind sogenannte Beobachter, Experten, die den Einsatz ganz genau verfolgen. Denn unter den Übungsbeteiligten sind auch einige, die gerade an einem Führungslehrgang der Bundespolizei Ratzeburg teilnehmen. Die werden von den sogenannten Beobachtern genau unter die Lupe genommen, erhalten später ein Feedback in einem Bewertungsgespräch.

Zum Abschluss wartet noch der Fan-Marsch durch den Volkspark

Das generelle Ziel der Übung formuliert Ines Michaelsen wie folgt: „Der Auftrag für uns ist es, ein Zusammentreffen der Fans zu verhindern und die Fußballfans mit der S-Bahn sicher zum Volksparkstadion zu bringen.“ Dabei „drohen“ diverse, den Einsatzkräften zwar bekannte, aber dann doch im Moment nicht erwartbare Szenen: Alkoholisierte Fans, die alles andere als diszipliniert beim Ein- und Aussteigen beziehungsweise in den Waggons sind. Menschen, die mit Macht in das Abteil der gegnerischen Anhänger wollen. Jemand, der die Notbremse zieht, obwohl kein Notfall vorliegt. Ein gefährlicher Flaschenwurf. Ein herrenloser Koffer auf dem Bahnsteig. Oder braucht da nicht jemand plötzlich Erste Hilfe?

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Die Zutaten des „Drehbuchs“ der Großübung stehen also fest – nur was wann komme, darin liege die Hauptschwierigkeit: „Diejenigen, die dort trainieren, haben schon Erfahrungswerte mit Fußballspielen und -fans“, weiß Ines Michaelsen um die Realitätsnähe und ergänzt. „Während der EM werden Polizisten aus unterschiedlichen Bundesländern und der Bundespolizei zusammenwirken, um den Einsatzerfolg zu gewährleisten.“ Bei HSV-Heimspielen seien die Züge in Richtung Volkspark durchaus voller, ansonsten aber sei das Set-up extrem realistisch.

Hamburg ist Austragungsort von fünf Europameisterschafts-Spielen

Geplant ist, dass der Zug von Bergedorf nach Stellingen in einem Rutsch durchfährt. In der Nähe der Hamburger Arena (Austragungsort von fünf EM-Spielen) erwartet die Polizeikräfte dann noch einmal eine besondere Herausforderung: der Fan-Marsch vom S-Bahnhof zum Stadion durch den Volkspark. Vier anspruchsvolle Stunden dauert die Großübung insgesamt.

Übrigens sind in dem Sonderzug keine Berufspendler zugelassen. Deshalb dürfte auch ein Bahnsteig für die Fahrgäste am Bergedorfer Bahnhof kurzzeitig gesperrt sein.