Hamburg. Senat beschließt Sanierung und Neubau von Strecken für 425 Millionen Euro. Dies sind die Details der ehrgeizigen Ausbaupläne.
Der Senat hat am Dienstag ein umfangreiches Programm zur Sanierung und zum Ausbau der Hamburger S-Bahn beschlossen. Für insgesamt 425 Millionen Euro sollen demnach die stark frequentierten Strecken nach Harburg/Neugraben und Bergedorf modernisiert und mit neuen Verbindungen gestärkt werden.
Der S-Bahn-Korridor zwischen Hauptbahnhof und Harburg ist laut Senat die Strecke mit dem höchsten Fahrgastaufkommen im gesamten Hamburger S-Bahn-Netz und eine der am meisten beanspruchten S-Bahn-Strecken in ganz Deutschland. Aktuell besteht hier laut Verkehrsbehörde „ein überlagernder 5-Minuten-Takt der Linien S3 und S31 (künftig im neuen Netz S5)“. Künftig sollen zwischen Hauptbahnhof und Harburg/Neugraben bis zu drei Züge je zehn Minuten und Richtung fahren, so der Senat.
HVV Hamburg: Mehr Kapazitäten nach Harburg und Bergedorf
Ergänzend zu der heutigen und zukünftigen Nachfrage werde das Angebot dafür um eine neue zusätzliche Linie S6 erweitert. „Dann können statt jetzt 15.000 Fahrgäste pro Stunde, 21.000 pro Stunde und Richtung die S-Bahn über die Elbe nutzen“, so die Verkehrsbehörde.
Auch die Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Bergedorf soll gestärkt werden. „Künftig sollen zwischen Hauptbahnhof und Bergedorf dann angebotsorientiert ganztags zwei Fahrten in zehn Minuten ermöglicht werden, eine Linie davon im Langzugbetrieb“, so die Verkehrsbehörde und weiter: „Durch die geplante Umstellung und Investitionen erfolgt eine deutliche Steigerung der Platzkapazität für Fahrgäste wie auch ein Ausbau der Taktung. Dann können statt jetzt 12.000 Fahrgäste, 15.000 Fahrgäste die S2 pro Stunde und Fahrtrichtung nutzen.“
S-Bahn Hamburg: Strecken sollen auch modernisiert werden
Zudem sollen die beiden Strecken modernisiert werden. Die Planungen für die Sanierungsmaßnahmen der beiden S-Bahn-Korridore sind laut Verkehrsbehörde und Deutscher Bahn bereits konkret angelaufen. „Bereits im ersten Halbjahr 2024 sollen zwei neue Gleichrichterwerke auf den Strecken installiert werden, die die S-Bahnen mit mehr Strom versorgen. Geplant sind die ersten zwei – von insgesamt acht Werken – an den Standorten Kornweide und Rothenburgsort“, teilten beide mit. „Auf den beiden Strecken liefert die neue Technik insgesamt 100 Megawatt grünen Strom für das S-Bahn-Netz und damit 30 Prozent mehr als bislang.“
Die neue Linie S6 soll Ende 2029 den Betrieb aufnehmen. „Das neue Liniennetz der S-Bahn Hamburg wird schrittweise umgesetzt“, so die Behörde. „Zuerst kommt zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 die Umstellung auf vier Linien: S1, S2, S3 und S5. Die beiden erstgenannten beinhalten das Angebot der heutigen Verstärkerlinien und verkehren daher in den Hauptverkehrszeiten im 5-Minuten-Takt.
Zum Fahrplanwechsel am 14.12.2023 soll die neue Linie S5 den bisherigen Verkehr der S3 zwischen Stade, Buxtehude und Neugraben Linie übernehmen. Die S5 wird ohne Umkuppeln in Neugraben direkt weiter Richtung City fahren. Die Strecke führt weiterhin über Harburg und Hauptbahnhof, aber wird neuerdings über die Verbindungsbahn bis zur Elbgaustraße fahren. Die Linie S3 startet zukünftig in Neugraben und wird wie bisher über den City-Tunnel in Pinneberg Endstation haben. Ohne das Umkoppeln der S-Bahn-Züge aus Stade in Neugraben werden die Züge pünktlicher. Am Harburger Bahnhof ist die neue S-Bahn-Linie bereits ausgeschildert.
HVV Hamburg: Bund soll Großteil der Kosten übernehmen
Die Umstellung schafft bei erweitertem Angebot eine eindeutige Linienführung für die Fahrgäste. Die Linien S1 und S3 fahren durch den Citytunnel, die Linien S2 und S5 werden über die Verbindungsbahn geführt. In einem zweiten Schritt – bis 2030 – werden die Linien S4 und S6 eingeführt. Die Linie S5 wird zudem bis Kaltenkirchen erweitert.“
Zur Finanzierung der Gesamtkosten von 425 Millionen Euro wird die Deutsche Bahn einen Antrag auf „GVFG-Förderung beim Bund“ stellen. Das Projekt ist laut Senat förderfähig, da es rentabel ist und einen volkswirtschaftlichen Nutzen aufweist. „Mit einem erzielten Nutzen-Kosten-Quotienten von über 3,0 wurde eine überdurchschnittlich hohe Wirtschaftlichkeit nachgewiesen“, so die Verkehrsbehörde. „Damit ist der gesamtwirtschaftliche Nutzen dreimal höher als die eingesetzten Investitionsmittel.“ Ob der Bund allerdings tatsächlich einen Großteil der Kosten übernimmt und wann sich das entscheidet – dazu konnte der Verkehrssenator am Dienstag noch keine klare Antwort geben.
S-Bahn Hamburg: Stadt stellt 92 Millionen Euro bereit
Hamburg selbst hat laut Senat als einen Anteil an den Kosten „insgesamt rund 92 Millionen Euro in den Haushalt bis 2026 hinterlegt und eine entsprechende Drucksache für die Sanierung der beiden wichtigen S-Bahn-Korridore beschlossen sowie an die Bürgerschaft überwiesen“.
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) freut sich über die Entscheidung. „Hamburg bekommt eine neue S-Bahn-Linie“, so Tjarks. „Mit der S6 wollen wir die Taktung zwischen Elbgaustraße und Neugraben spürbar verbessern und insbesondere den Fahrgästen nach Harburg/Neugraben ein deutlich verbessertes Angebot machen.“
Verkehrssenator Tjarks: S6 ist ein zentrales Verkehrsprojekt
So solle die Kapazität des am meisten genutzten Streckenabschnitts im Hamburger Netz „um 40 Prozent pro Stunde und Richtung“ gesteigert werden. „Deswegen ist die S6 für Hamburg ein zentrales Verkehrsprojekt, das wir intensiv vorantreiben werden. Die Bauarbeiten hierfür werden bereits im nächsten Jahr beginnen.“
Der Senat werde zudem „sehr viel Geld in die Hand nehmen, um den S-Bahn-Ast nach Bergedorf zuverlässiger, resilienter und komfortabler zu machen“, so Tjarks. „Wir werden in Richtung Bergedorf die Kapazität durch den Einsatz von Langzügen um 25 Prozent steigern können und somit beispielsweise die Voraussetzungen für die Anbindung des neuen Stadtteils Oberbillwerder schaffen.“
S-Bahn-Chef Arnecke: Wir werden „zuverlässiger und resilienter“
S-Bahn-Chef Kay Uwe Arnecke sagte, der Ausbau der Korridore Harburg/Neugraben und Bergedorf schaffe „die Voraussetzung für weiteres Wachstum und ermöglicht so ein verbessertes Angebot für unsere Fahrgäste.“ Auf beiden Strecken würden die Strom-, Weichen- und Signaltechnik erneuert.
Der Korridor Harburg/Neugraben werde mit einem Elektronischen Stellwerk (ESTW) ausgerüstet, so Arnecke. „Durch die Modernisierung stabilisieren wir das gesamte S-Bahn-System und machen es flexibler. Dadurch wird der S-Bahn-Verkehr zuverlässiger und resilienter.“
S-Bahn nach Harburg: CDU weist auf Unwägbarkeiten hin
Der S-Bahn-Chef sagte, er rechne durch Modernisierung und Ausbau in Richtung Bergedorf nicht mit größeren Behinderungen. Auf der Verbindung nach Harburg könne es ab 2026 allerdings „die eine oder andere Sperrpause“ geben.
Die CDU lobte die Entscheidung, wies aber auf bestehende Unwägbarkeiten hin. „Endlich erkennt der rot-grüne Senat die Dringlichkeit des Ausbaus der S-Bahnstrecke für den Hamburger Süden, wie von der CDU bereits seit langer Zeit gefordert“, sagte ihr Verkehrspolitiker Richard Seelmaecker.
Linke: S-Bahn-Ausbau kommt mit 2029 viel zu spät
„Viel zu lange müssen die Menschen hier unter dem mangelhaften Ausbau des ÖPNV leiden, denn bis heute ist in der langen Regierungszeit von Rot-Grün nichts passiert.“ Völlig unklar sei die Frage der Refinanzierung des Projektes durch den Bund. „Verantwortungsbewusste Politik sieht anders aus“, so Seelmaecker. „Ob der neuralgische Punkt Hauptbahnhof, wie vom Senator behauptet wurde, wirklich entlastet wird, bleibt abzuwarten.“
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Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann übte scharfe Kritik an den vorgestellten Plänen. „Das Ergebnis, wonach ‚voraussichtlich‘ erst 2029 die Kapazität zwischen Hauptbahnhof und Harburg/Neugraben um 40 Prozent erweitert wird, enttäuscht maßlos“, sagte Sudmann. Für die Bahnnutzer aus dem Hamburger Süden, „die solange weiter mit überfüllten Zügen und Ausfällen leben müssen, ist das ein echter Schlag ins Gesicht“, so Sudmann.
S-Bahn: „Nächsten Jahre werden noch härter für Hamburgs Süden“
„Und die nächsten Jahre werden noch härter für Hamburgs Süden: Neben den Bauarbeiten an den Autobahnbrücken und den Ferngleisen wird es immer wieder Streckensperrungen (Sperrpausen) auf der S-Bahn geben. Der Senat muss jetzt schnellstens ein Konzept liefern, mit dem verhindert werden kann, dass der Süden in den kommenden Jahren von der Hamburger Innenstadt abgehängt wird.“