Bergedorf. Stadtplanung des Bezirks stellt Zukunftskonzept vor: Große Nachfrage nach Gewerbeflächen kann erst in einigen Jahren befriedigt werden.

Die Sorgen der Bergedorfer Wirtschaft sind groß beim Blick auf Hamburgs massiven Wohnungsbau, der seit gut zehn Jahren auch im Bezirk nicht zu übersehen ist. Die Zielmarke von 800 genehmigten Wohnungen pro Jahr in Bergedorf erfordert dabei so manche Umwidmung von Gewerbeflächen. Beim Wirtschaftsverband WSB lässt das die Alarmglocken schrillen, geht die Angst vor der Degradierung zur Schlafstadt mit immer weniger Arbeitsplätzen und fehlenden Arealen für Betriebserweiterungen oder Neuansiedlungen um.

Im Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung hielt Axel Schneede jetzt dagegen: „Bergedorf kann sich mit seiner Gewerbeflächen-Entwicklung durchaus sehen lassen“, betonte der Stadtplaner aus dem Bezirksamt. „Natürlich gibt es planrechtliche Umwidmungen. Aber die Bilanz für das Gewerbe ist positiv – ganz besonders beim Blick in die Zukunft.“

Verfügbare Gewerbegrundstücke seit 2018 um gut 20 Prozent zurückgegangen

Schneede legte den Politikern die Fortschreibung des bezirklichen Gewerbeflächenkonzepts vor – ein umfangreiches Zahlenwerk, das in Bergedorf, wie auch den anderen sechs Hamburger Bezirken alle fünf Jahre aktualisiert wird. Nach 2013 und 2018 ist das in diesem Jahr wieder erfolgt. „Ein ausreichendes und zeitgemäßes Angebot an Gewerbe- und Industrieflächen ist für den Bezirk Bergedorf von hoher Bedeutung und wird seitens der Verwaltung deshalb ständig im Blick behalten“, so Axel Schneede.

Ein Grundsatz, der aktuell allerdings eine dicke Portion Vertrauen in die Zukunft erfordert. Denn nach Schneedes Zahlen sind die verfügbaren Grundstücke seit 2018 um gut 20 Prozent zurückgegangen. Und das Gros der verbliebenen 30 sogenannten Potenzialflächen misst deutlich weniger als fünf Hektar und liegt quasi als Nachverdichtung in vorhandenen Gewerbegebieten. Gerade mal vier freie Areale in Moorfleet und Allermöhe sind größer.

Erweiterungen oder Neuansiedlungen auch im Handwerk „nur bedingt darstellbar“

Die aktuelle Lage beschreibt der städtische Flächenvermarkter Hamburg Invest (HIE) in deutlichen Worten. „Logistische und industrieaffine Anfragen sind nach wie vor stark vorhanden, können aber auch im Gewerbegebiet Allermöhe zumeist nicht mehr bedient werden“, zitierte Schneede die HIE-Experten im Ausschuss. Selbst im Bereich des Handwerks seien Erweiterungen oder Neuansiedlungen „nur bedingt darstellbar“. Und selbst kleinflächige Anfragen könnten nur noch dann bedient werden, „wenn sie nicht zu preissensibel sind“.

Der Funktionsplan zeigt, wie das Gelände rund um den Neubau der Hauni aufgeteilt werden soll. 1: Die Hauni. 2. Gebäude für Forschung, Handwerk etc., 3. Sportareal, 4. Bodendenkmal, 5. Hainpark
Der Funktionsplan zeigt, wie das Gelände rund um den Neubau der Hauni aufgeteilt werden soll. 1: Die Hauni. 2. Gebäude für Forschung, Handwerk etc., 3. Sportareal, 4. Bodendenkmal, 5. Hainpark © Frank Hasse | Frank Hasse

Trotz aufziehender Wirtschaftskrise sieht die HIE die Zahl ansiedlungswilliger Unternehmen nicht abflauen: „Zukünftig sind vor allem verstärkte Anfragen aus dem Technik-, laborbasierten und energiewirtschaftlichen Bereich zu erwarten.“ Als räumlichen Schwerpunkt sieht Axel Schneede für sie das Gewerbegebiet Allermöhe und besonders den erweiterten Innovationspark östlich der A25-Anschlussstelle Bergedorf. Dort sollen neben dem Neubau der Hauni, der schon im kommenden Frühjahr startet, in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts weitere 20 Hektar Gewerbeflächen zur Verfügung stehen.

Zehn Hektar ehemalige Gewerbegebiete werden gerade in „urbanem Wohnen“ umgewidmet

Dieses größte Gewerbeflächenpotenzial Bergedorfs steckt aber noch im Genehmigungsverfahren. Und das gilt auch für weitere Zukunftsprojekte wie etwa die Handwerkerhöfe am Curslacker Heerwerg mit 2,4 Hektar, den Gewerbehof an der Helmut-Nack-Straße am Schleusengraben mit 1,1 Hektar und natürlich auch die insgesamt 36 Hektar Gewerbe- und Mischgebietsausweisungen in Oberbillwerder.

Blick auf die Planung für das künftige Stuhlrohrquartier, das noch im Bebauungsplanverfahren steckt: In der Mitte steht der Komplex für Start-up-Unternehmen. Darum gruppieren sich verschiedene Gebäude mit insgesamt rund 1000 Wohnungen. Die denkmalgeschützten Stuhlrohrhallen (rechts am Bildrand) bleiben erhalten. 
Blick auf die Planung für das künftige Stuhlrohrquartier, das noch im Bebauungsplanverfahren steckt: In der Mitte steht der Komplex für Start-up-Unternehmen. Darum gruppieren sich verschiedene Gebäude mit insgesamt rund 1000 Wohnungen. Die denkmalgeschützten Stuhlrohrhallen (rechts am Bildrand) bleiben erhalten.  © Jan Schubert | Jan Schubert

Demgegenüber stehen heute schon laufende Umwidmungen von knapp zehn Hektar alter Bergedorfer Gewerbegebiete in Areale für „urbanes Wohnen“, also eine Mischung aus beiden Nutzungen. Das sind die bereits geräumten 3,9 Hektar am Brookdeich, wo 580 Wohnungen entstehen, und 3,6 Hektar des Stuhlrohrquartiers, die demnächst Platz für rund 1000 Wohnungen und ein Gebäude mit Start-up-Unternehmen machen sollen. Das dritte Areal liegt neben dem S-Bahnhof Allermöhe am Walter-Rudolphi-Weg, wo es seit Jahren keine Nachfrage von Unternehmen gibt, weshalb auf den 1,7 Hektar am Bahndamm jetzt Wohnungen gebaut werden.

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Dennoch lobte der Stadtentwicklungsausschuss die Anstrengungen der Verwaltung und schloss sich grundsätzlich der Hoffnung auf eine künftig positive Flächenbilanz für das Gewerbe in Bergedorf an. Unklar blieb indes die Zukunft der wichtigsten zentralen Gewerbefläche: „Welchen Deal haben Senat und Bezirksamt mit dem Körber-Konzern für die Nachnutzung der heutigen Hauni-Flächen geschlossen?“, wollte CDU-Stadtentwicklungsexperte Sven Noetzel mit Blick auf Gerüchte um eine drohende Wohngebietsausweisung wissen.

Bei seiner Antwort blieb Baudezernent Lars Rosinski schmallippig: „Zurzeit bleibt die Ausweisung, wie sie ist.“ Ob das auch 2027, nach dem Umzug der Hauni in ihre Fabrik der Zukunft im Innovationspark an der A25 so bleibt, ließ er offen. Der heutige Sitz der Hauni gehört dem Körber-Konzern – und mit einer Umwidmung vom heutigen Gewerbe- und Industrieareal zum Wohngebiet würde sich der Verkaufswert potenzieren.