Lohbrügge. Bald kommt die Jahresabrechnung 2022 für Fernwärmekunden im Lohbrügger Norden. Geschäftsführer erläutert, warum das so lang dauert.

Seit über 20 Jahren ist Patrick Schneckenburger in der Branche tätig. Doch das, was sich zuletzt auf den Märkten abspielte, hat der erfahrene Manager in dieser Dimension noch nie erlebt: „In den Jahren 2021 und 2022 gab es nie dagewesene Preissteigerungen auf den Energiemärkten“, meint der E.on-Geschäftsführer. Wie das in Zukunft werden könnte, das möchte er ob der außergewöhnlichen Situation nicht prognostizieren.

Schneckenburger versucht aber im Gespräch mit der Bergedorfer Zeitung aufzulösen, womit die im Vorjahr arg zur Kasse gebetenen Fernwärmekunden aus Lohbrügge-Nord bei ihren sehr bald zugesandten Abrechnungen für das Jahr 2022 rechnen dürfen und worin die hochkomplexen Anforderungen darin liegen.

Lohbrügge: Viele Anpassungen und regulatorische Vorgaben

Die Ungeduld bei den Lohbrüggern und ihren Interessenvertretern (IG Wir) ist groß – im Speziellen nach den Schocknachrichten aus dem Hause E.on ab Mitte Oktober 2022, als es XXL-Abschlagszahlungen und Vorauszahlungen hagelte. Schneckenburger weiß davon und erläutert ausführlich, warum die Rechnungserstellung so derart lange dauert, obgleich die Kenngrößen, also der reduzierte Arbeitspreis pro Kilowattstunde durch die von E.on zugesicherten Gutschriften, doch seit Februar/März 2023 bekannt waren.

Dies seien beileibe nicht die einzigen Einflussgrößen bei der Preisgestaltung gewesen. Wenn mal die komplexen Preisblätter und Vertragsbeziehungen mit Subunternehmen außen vor gelassen werden, musste E.on „Anpassungen“ und „regulatorische Vorgaben“ verschiedenster Art vornehmen. Wie etwa die Wärmepreisbremse oder die Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf 7 Prozent.

Energieabrechnungen 2022: Viele Anpassungen und regulatorische Vorgaben

Ebenfalls einkalkuliert werden musste die Dezembersoforthilfe der Bundesregierung. Und natürlich die angekündigte Weitergabe der Gutschriften, die aus den expotenzial hohen Preisunterschieden zwischen Holz und Gas bei der Fernwärmeerzeugung im Holzheizkraftwerk am Havighoster Weg resultiere: „Wir geben die Gutschrift von 4,5 Millionen Euro vollständig an die Kunden weiter“, verspricht Schneckenburger. „Der Arbeitspreis pro Kilowattstunde sinkt hierdurch um 36 Prozent. Damit geben wir mehr zurück, als wir müssten.“ Was daran liege, dass als Bezugsgröße eben nicht die tatsächlich ins Fernwärmenetz abgegebene Energie (83.582 MWh), sondern die bei den 7500 Lohbrügger Kunden angekommene Menge (72.683 MWh) relevant sei.

Nicht zuletzt wäre da noch die Systemumstellung gewesen. Oder „Systemmigration“, wie Patrick Schneckenburger es nennt: „Wenn wir geahnt hätten, dass eine Energiekrise bevorsteht, hätten wir sicherlich einen anderen Zeitpunkt für die notwendige Systemmigration gewählt“, meint der 47-Jährige. Insgesamt klingt es aus seinem Munde so, als ob viele Fernwärmebezieher dieses Mal nicht so tief in die Tasche greifen müssten: „Mit der Gutschrift, dem reduzierten Mehrwertsteuersatz für das ganze Jahr und durch Einsparungen unserer Kunden bleiben wir etwa auf dem Preisniveau von 2021.“

Was unternommen wurde, um Kunden zu entlasten

E.on beginnt mit der Verschickung der Jahresabrechnungen 2022 in Lohbrügge-Nord an Gewerbekunden sowie Einzelhausbewohnern, hernach folgen Wohnungsmieter. E.on möchte aber auch aus Fehlern der Vergangenheit lernen. In der Nachbetrachtung, so gesteht Patrick Schneckenburger ein, wäre vielleicht ein ähnlich öffentliches Format wie das im Januar 2023 abgehaltene Informations- und Diskussionspodium im „Le Parés“ an der Osterrade sinniger gewesen, um die exorbitante Energiepreiserhöhung zu erklären. Dieser wurde den Lohbrügger Fernwärmekunden zweimal auf dem Postwege am 28. Oktober 2021 sowie am 27. September 2021 mitgeteilt. Konkrete Summen gab es dann zum Erschrecken vieler ab dem 15. Oktober 2022.

Doch E.on tat nach eigenen Angaben auch viel, um Kunden zu entlasten: So seien die monatlichen Abschläge zunächst nur von Oktober bis Dezember fällig gewesen, dann wurden sie von Januar bis März 2023 ausgesetzt, bis in den Folgemonaten die Wärmepreisbremse griff. Inzwischen ist der Kundenservice, insbesondere telefonisch, mit mehr Mitarbeitern ausgestattet worden. Mittlerweile werden auch unterschiedliche Bezahlmodelle, etwa in Raten, akzeptiert. Dazu gibt es Bürgersprechstunden, Energieberatungen, Online-Portale zu genau diesem Thema.

Fallen Senioren bei der Informationspolitik hinten runter?

Wie aber erreicht E.on die Klientel Ü70, wie sie im Lohbrügger Norden einen großen Bevölkerungsanteil ausmacht? Der E.on-Chef kündigt das Schalten von Werbeanzeigen für Energieberatungen in Tageszeitungen und Wochenblättern an. Es gehöre sich grundsätzlich, dass E.on „proaktiv“ und „transparent“ auf die Kunden zugehe. So hoffen Schneckenburger und seine Mitstreiter, das zerrüttete Vertrauensverhältnis zu den Fernwärmekunden wieder herzustellen.

Gemeinsam mit den Vertragspartnern müsse geprüft werden, wie Transport und Herstellung von Fernwärme weiter dekarbonisiert beziehungsweise nachhaltiger vonstatten gehe. Holz als Grundstoff komme bereits aus der Region – wie aber verfahre ich mit den benötigten Gasmengen? Zumindest sei die Abhängigkeit von russischem Gas soweit heruntergefahren worden, dass kaum mehr von dort importiert werde, dafür aber die Tanks mit Liquid Gas von anderswoher aufgefüllt seien. Schneckenburger ist überzeugt: „Da sind wir doch in Lohbrügge sehr gut positioniert. Fernwärme wird ja auch im neuen Gebäudeenergiegesetz GEG nicht ohne Grund als nachhaltig eingestuft.“