Bergedorf. Initiative rät zu persönlichen Gesprächen, statt zu surfen. Dabei hilft der Bergedorfer Lehrstellenatlas. Scharfe Kritik an den Schulen.

Der Sprung ins Leben sollte glücklich machen. Tatsächlich aber wirkt die heutige Berufswelt auf viele Schüler auch in den Abgangsklassen wie ein großer grauer Nebel: Kaum jemand weiß hier, was der passende Job sein könnte. Und selbst wenn, scheitern viele bei der Frage, wie für den Traumjob die richtigen Kontakte geknüpft werden könnten.

Wichtige Antworten gibt der Bergedorfer Lehrstellenatlas 2024, der am Mittwoch, 13. September, anlässlich des Ausbildungstags im Einkaufszentrum CCB (11 ist 16 Uhr) erscheint und gleichzeitig auch online unter www.lehrstellenatlas-bergedorf.de freigeschaltet wird. Das knapp 150 Seiten starke Werk beeindruckt einerseits mit stattlichen 185 Unternehmen, die zusammen 390 verschiedene Ausbildungsplätze sowie Praktika und etliche Möglichkeiten zum Dualen Studium vorstellen.

Bergedorfer Lehrstellenatlas: Tipps und Tricks für die Suche nach dem Traumjob

Andererseits gibt es ganz grundlegende Tipps, wie die passende berufliche Zukunft gefunden werden kann: „Da geht es weniger um Schulnoten, als ums persönliche Kennenlernen“, wirbt Bergedorfs DGB-Chef Ernst Heilmann, der auch Motor der Ausbildungsplatzinitiative ist, für die direkte Kontaktaufnahme mit den Unternehmen. „Deshalb listen wir überall Telefonnummern auf und nennen die Ansprechpartner. Der beste Weg führt natürlich über Praktika, aber auch wer bei der Suche im Internet verzweifelt, sollte sein Handy mal zum Telefonieren nutzen.“

Das unterstreicht auch Bezirkshandwerksmeister Christian Hamburg, der sich im Vorwort zum neuen Lehrstellenatlas Gedanken über Glücksgefühle im Beruf macht. „Es geht um Sinnempfinden, Selbstverwirklichung und Gemeinschaft“, zitiert der Inhaber eines mittelständischen Unternehmens für Raumgestaltung aus Altengamme eine Glücksforscherin. „Wenn Mitarbeitende mit ihrer Arbeit zufrieden sind, gehen sie gern zum Job und fühlen sich mit ihrem Arbeitgeber verbunden.“

Ausbildungsplatzinitiative arbeitet fieberhaft an Neuauflage der Berufsorientierungstage

Die tatsächliche Lage am Ausbildungsmarkt zeichnet dagegen ein düsteres Bild der Realität: Obwohl fast alle Branchen riesige Nachwuchsprobleme haben, verzeichnet die Agentur für Arbeit in ganz Deutschland eine Viertelmillion arbeitslose Jugendliche. „Allein in Hamburg sind im Handwerk für dieses Jahr noch immer über 500 Ausbildungsplätze unbesetzt, darunter etliche auch in Bergedorf“, sagt Doris Boxhammer vom Bergedorfer Büro der Handwerkskammer.

Ein Widerspruch, der für DGB-Chef Heilmann auch an drei turbulenten Jahren für die Ausbildungsplatzinitiative Bergedorf liegt: „Seit Corona haben wir keine Berufsorientierungstage mehr auf die Beine gebracht, bei denen traditionell viele persönliche Kontakte zwischen Schülern und Betrieben geknüpft wurden. Das gilt leider auch für dieses Jahr, weil die Berufsschule für Bautechnik dafür leider nicht mehr wie früher zur Verfügung steht.“ Für 2024 arbeite die Initiative nun „fieberhaft daran, eine neue Schule und Lehrkräfte zu finden, die mit uns daran arbeiten, den Übergang Schule-Beruf vom Image eines Blindflugs zu befreien.“

DGB-Chef kritisiert flächendeckende Abschaffung des Werkunterrichts

Dafür gebe es in vielen Bereichen Handlungsbedarf. „Ein Problem ist sicherlich, dass sich die jungen Leute heute über alle möglichen Dinge im Internet informieren – aber das leider auch bei ihrer beruflichen Zukunft viel zu oft ganz allein vor dem Bildschirm tun“, sagt Ernst Heilmann. „Dabei geht vielen der jungen Generation der eigentliche Wert der Arbeit verloren. Gefühlt wird sie zum lästigen Beiwerk des Lebens, statt zu erkennen, dass sie wichtig ist, um dem Alltag einen Sinn zu geben – und tatsächlich sogar glücklich macht.“

Andererseits müsse die Schule besser vorbereiten: „Es ist fatal, dass der Werkunterricht flächendeckend abgeschafft wurde“, findet Heilmann. „Damit fehlt den Schülern nicht nur ein Einstieg ins Handwerk, sondern ganz grundsätzlich die Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn man einfach mal etwas ausprobiert, etwas selbst herstellt, statt immer nur in der Theorie stecken zu bleiben.“

Fünf Stunden Beratung am Mittwoch beim Ausbildungstag im Einkaufszentrum CCB

Der Bergedorfer Lehrstellenatlas 2024 erscheint in einer Auflage von 3500 Stück. Er kann am Mittwoch von 11 bis 16 Uhr beim Ausbildungstag im CCB abgeholt werden – gern auch in Kartons mit ganzen Klassensätzen für den Berufsorientierungsunterricht in den Schulen. In den fünf Stunden sind auch persönliche Gespräche an den vielen Ständen möglich. Vertreten sind die Handwerkskammer und der DGB ebenso wie die Bergedorfer Agentur für Arbeit einschließlich ihrer Jugendberufsagentur.

Wer am Mittwoch keine Zeit hat, findet den Bergedorfer Lehrstellenatlas 2024 anschließend unter anderem bei der Agentur für Arbeit am Herzog-Carl-Friedrich-Platz, im Foyer des Bergedorfer Rathauses und beim DGB im „Haus für alle“ an der Serrahnstraße 1. Dort bieten Ernst Heilmann und sein Team von der Ausbildungsplatzinitiative regelmäßig auch Berufsorientierung für Schulabgänger an: Immer freitags von 10 bis 12 Uhr sind die Experten vor Ort. Eine Anmeldung braucht es nicht.