Hamburg. Das Projekt der Bergedorfer Betriebsjunioren soll wieder Fahrt aufnehmen und dem Nachwuchsmangel im Handwerk begegnen.

Immer nur am Schreibtisch im Büro sitzen – das konnte sich Justin Greiser aus Hamburg-Kirchwerder schon in seiner Kindheit nicht vorstellen. „Ich wollte lieber etwas Handwerkliches machen“, erinnert sich der 17-Jährige heute. Sein Großvater war Maurer. Ob er aber in dessen Fußstapfen treten oder ein anderes Handwerk erlernen wollte, das wusste der junge Vierländer während der Schulzeit nicht so genau. Als ihm dann in der Stadtteilschule Kirchwerder ein Flyer in die Hände fiel, der für das Bergedorfer Praktikums-Rondell warb, war das die Lösung. Denn dabei können Praktikanten in drei Wochen (fünfzehn Werktage) fünf verschiedene Betriebe und Berufe kennenlernen.

Praktikanten können in drei Wochen fünf verschiedene Berufe kennenlernen

Das Praktikums-Rondell habe ihm bei seiner Entscheidungsfindung definitiv geholfen: „Ich würde es auf jeden Fall weiterempfehlen“, sagt Justin Greiser. Denn er half nicht nur dabei, einen Schornstein abzureißen, ein Dach zu decken, Mauerwerk zu verputzen oder Wandfliesen zuzuschneiden und zu verlegen – er fand auch seinen Beruf: Seit September 2020 tritt er tatsächlich in die Fußstapfen seines Großvaters. Bei der Firma Knoop Bauunternehmung aus Altengamme wird er zum Maurer ausgebildet. „Das hat mir Spaß gemacht, man ist oft draußen und hat die ganze Zeit was zu tun“, erklärt der Vierländer.

76 Praktikanten durchliefen das Bergedorfer Rondell

Das Praktikums-Rondell ist eine Initiative der Betriebsjunioren des Bergedorfer Handwerks in Kooperation mit der Handwerkskammer Hamburg. Die Betriebsjunioren sind eine Gruppe junger Betriebsinhaber und Ausbilder, die sich als „Botschafter des Handwerks“ verstehen. Nur ein Jahr nach dem Start im Herbst 2018 wurde das Praktikums-Rondell bereits in Berlin beim Schulewirtschaft-Preis ausgezeichnet. Seitdem durchliefen insgesamt 76 Praktikantinnen und Praktikanten das Rondell, unter die sich auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Metin Hakverdi mischte.

Doch in den vergangenen zwei Jahren kam das Rondell wegen der Pandemie mehr oder weniger zum Stillstand. „Nun soll es wieder Fahrt aufnehmen“, sagt Thorsten Scheer von Knoop Bauunternehmung, der sich neben Nils Bestier, Meister im Installateur- und Heizungsbauer-Handwerk aus Ochsenwerder und Tischler-Meister Eike Curdt aus Lohbrügge als Sprecher der Betriebsjunioren engagiert.

Betriebsjunioren möchten einen gesellschaftlichen Beitrag leisten

Werbung und Social Media sollen ausgebaut werden, und auch Schulen können die Betriebsjunioren einladen, damit sie den Schülern ihr Modell direkt vorstellen. „Einfach melden und innerhalb von einer Woche kann ich da sein“, sagt Christian Pronin von der Firma Rohrgerüstbau aus Lohbrügge.

Die Betriebsjunioren möchten damit einen gesellschaftlichen Beitrag leisten und den Schülern ein Angebot machen. Zudem hoffen sie, damit dem Nachwuchsmangel im Handwerk zu begegnen. Denn der hat sich in der Corona-Pandemie noch einmal verstärkt: Hamburgweit ist die Zahl der Lehrstellen im Jahr 2020 um fast 20 Prozent auf 1168 eingebrochen und hat sich 2021 mit 1285 Stellen nur leicht erholt.

Am Praktikums-Rondell beteiligen sich 15 Firmen aus 14 verschiedenen Berufen

In Bergedorf schrumpfte die Zahl der Neuverträge im ersten Jahr der Pandemie sogar um 28,5 Prozent auf 143 und wuchs 2021 nur auf knapp 170. Hauptursache sei laut Bezirkshandwerksmeister Christian Hamburg der zusammengebrochene Praktikums-Markt.

Am Praktikums-Rondell beteiligen sich 15 Firmen aus 14 verschiedenen Berufen, darunter Tischler, Maurer, Glaser, Dachdecker, Gerüstbauer, Maler oder Heizungs- und Sanitärinstallateure. Die Betriebsjunioren möchten sich nun weiter vernetzen, ihre Idee über die Grenzen von Bergedorf und Hamburg hinaus bekannt machen. Außerdem müsse es nicht nur beim Bauhandwerk bleiben: „Auch für Optiker, Friseure oder Goldschmiede kann das Modell interessant sein“, ist Eike Curdt überzeugt.

Internet: betriebsjunioren.de