Bergedorf. Sport, Ernährung, Entwicklung: Ein Pilotprojekt an zwei Grundschulen in Bergedorf will Kindern ein gesundes Leben aktiv ermöglichen.

Wenn sich die Bergedorferin Saskia Sengelmann aufs Fahrrad schwingt, hat sie es nicht weit zur Arbeit: Seit Oktober 2021 arbeitet sie als Schulgesundheitsfachkraft und lehrt Bergedorfer Grundschulkinder, sich gesund zu ernähren und sportlich aktiv zu sein. So jedenfalls ist das Pilotprojekt „Gesund aufwachsen in Hamburg“ ausgelegt, das der Verband der Ersatzkassen gemeinsam mit der Schul- und der Gesundheitsbehörde auf den Weg gebracht hat – insbesondere für Schulen mit Sozialindex 1 und 2, also für Kinder „aus ungünstigen sozialen Verhältnissen“, wie es Gabriele Kutscher formuliert, die beim Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung arbeitet.

In Bergedorf hatten sich die Clara-Grunwald-Schule in Neuallermöhe sowie die Grundschule Mendelstraße für das Präventionsprojekt beworben – und dürfen an jeweils zwei Tagen Saskia Sengelmann begrüßen, die viele Kompetenzen hat: Die sozialpädagogische Assistentin stellte sich jetzt dem Bergedorfer Gesundheits- und Sozialausschuss auch als Ökotrophologin sowie Sport- und Fitnesskauffrau vor.

Fahrradtraining, Zahnputzprojekt und eine „Disco-Pause“

Anfangs hantierte sie mit fluoreszierendem Mehl und UV-Licht in den Klassen: Das Handwaschprojekt lief noch in der Coronazeit. Inzwischen gibt es eine AG Schulgarten, Fahrradtraining und ein Zahnputzprojekt, denn „die Karies-Rate ist hoch“. Mit Wunschliedern dürfen Kinder ihre „Disco-Pause“ gestalten, sich auspowern und üben, was sie während Corona verpasst haben: „Die können teilweise gar nicht rückwärts laufen, Seilspringen oder balancieren“, sagt Sengelmann, die auch ein Ferienprogramm für übergewichtige Kinder anbietet.

Dazu kommen eine Vermittlung zum Sportverein, angeleitete Entspannungsübungen im Ruheraum (Stichwort: seelisches Wohlbefinden) und Beratungen bei medizinischen Themen wie Diabetes oder Lebensmittel-Allergie. „Und ich organisiere Logo- und Ergotherapie in der Schule. Aber es gibt kaum therapeutische Plätze, die Situation ist super-dramatisch.“

„Wir haben einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag“

Ihr „bereichernder und vielfältiger Alltag“ betrifft auch den Kontakt zu Lehrern und Eltern: Was in eine „gesunde Brotdose“ gehört, erfahren Erwachsene im Elterncafé der Clara-Grunwald-Schule: Ernährung, aber auch Cyber-Mobbing und Bodyshaming seien Themen, die für 35 Besucher in vier Sprachen übersetzt werden.

„Viele Eltern sind unsicher und haben keine Kompetenz, um ihre Kinder emotional zu stärken, sie nehmen ihnen vieles ab“, meint Dr. Mario Bauer, der für die Gesundheitsförderung in Hamburg-Nord zuständig ist: „Wir haben einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag.“ Oft kämen die Kinder „ohne Wissen, Kompetenzen und Grenzen an die Schule. Aber Schule kann nicht alles auffangen, die Schulkräfte gehen auf dem Zahnfleisch“, sagt Gabriele Kutscher, die ebenso an Beratungslehrer, Sozialpädagogen und Schulpsychologen denkt.

Kinder liegen in ihrer Entwicklung ein bis zwei Jahre zurück

Mangelndes Sozialverhalten, keine Gruppenkompatibilität, schlechter Gesundheitszustand: „Unsere Schuleingangsuntersuchungen zeigen, dass die Kinder in ihrer Entwicklung ein bis zwei Jahre zurückliegen“, bestätigt Dr. Jürgen Duwe. Der Leiter der Bergedorfer Gesundheitsamtes wünscht sich ein solches Projekt auch an weiterführenden Schulen: „Ist denn wenigstens für die Grundschulen eine Verstetigung geplant?“

Das sei die Hoffnung, „aber erst warten wir die Evaluation durch die Lüneburger Universität ab“, sagt Gabriele Kutscher – und weiß doch, dass es an Personal mangelt: Zunächst waren 29 Grundschulen angedacht, dann nur noch 19, „aktuell können wir acht Gesundheitsfachkräfte an elf Grundschulen einsetzen“. Hier und da gibt es also auch auf organisatorischer Ebene Uneinigkeiten: Vermeldet der Verband der Ersatzkassen das Projektende etwa für April 2025, weiß Kutscher: „Ende ist am 31.12. 2024.“ In jedem Fall aber begrüßen Bergedorfs Lokalpolitiker die Bemühungen und hoffen, dass bald noch mehr Kinder „Gesund aufwachsen in Bergedorf“.