Bergedorf. In „Punkt 11 – Stunde der Entscheider“ ordnen Branchenexperten aktuelle Themen ein. Heute: die Bedeutung von Wohneigentum im Wandel.
Die Preiskurve für Häuser und Wohnungen im Grünen hat zuletzt nur in eine Richtung gezeigt: steil, ja ganz steil in die Höhe. In der Corona-Pandemie verspürten viele Menschen die Sehnsucht, der Großstadt zu entfliehen, im Lockdown hatte sie ja auch an Reiz verloren. Und die Zinsen waren niedrig. Die Folge: „Wir haben teilweise Angebote gesehen, die mehr als utopisch und frech waren. Aber die Leute haben es bezahlt, weil der niedrige Zins es ihnen ermöglicht hat“, sagt Julia Bentin, Maklerin aus Lohbrügge. Matthias Conze bestätigt diesen Eindruck. Der geschäftsführende Gesellschafter der Engel & Völkers-Agentur in Bergedorf und Barmbek sagt: „Wir waren teilweise tageweise in der Vermarktungszeit.“ Normalerweise vergingen drei bis sechs, vielleicht auch mal neun Monate, bis eine Immobilie einen neuen Eigentümer gefunden hat. „Es waren seinerzeit auch Immobilien am Markt, die zunächst schlicht zu teuer waren. Aber dann sind sie über ein paar Wochen oder Monate einfach in den Preis reingewachsen“, so Conze.
Nun werden Immobilien tendenziell wieder günstiger. Gleichzeitig wächst das Angebot: Der Immobilienmarkt, in der Corona-Zeit aus dem Gleichgewicht geraten, scheint sich zu normalisieren, Angebot und Nachfrage stehen wieder in einem ausgewogeneren Verhältnis. Und doch ist nichts mehr wie zuvor: Gestiegene Darlehenszinsen lassen den Traum vom eigenen Haus für viele Familien in weite Ferne rücken. Und wer gerade noch zum Niedrigzins abgeschlossen hat, muss sich eine bange Frage stellen: Ist die erworbene Immobilie noch bezahlbar, wenn nach üblicherweise zehn Jahren die erste Zinsbindung ausläuft?
Haus oder Wohnung kaufen: Lohnt sich das jetzt noch?
Das rasante Auf und Ab auf dem Immobilienmarkt innerhalb kürzester Zeit ist Thema bei „Punkt 11 – Stunde der Entscheider“, dem 60-minütigen Gedankenaustausch morgens um elf in den Redaktionsräumen der Bergedorfer Zeitung/Lauenburgischen Landeszeitung. Am Tisch sitzt neben Julia Bentin und Matthias Conze auch Katrin Eggers, Maklerin aus Börnsen. Eine Bestandsaufnahme.
Erster Befund: Es ist ruhiger geworden bei den Maklern. „Erschreckend ruhig“, sagt etwa Katrin Eggers, „vergangenes Jahr im dritten Quartal kam von einem Tag auf den anderen kaum noch eine Anfrage rein.“ Das betreffe insbesondere Objekte, die einen „kleinen Haken“ hätten oder bei denen die Lage nicht hundertprozentig stimme. Mit Blick auf das vergangene Jahr zeichnet Matthias Conze ein ähnliches Bild. Er sagt: „Wir haben insgesamt eine geringere Nachfrage, und bei Objekten, die wir preislich zu sportlich anbieten, tendiert sie gen Null.“
Haus oder Wohnung kaufen: Interessenten sind „qualifizierter“ geworden
Und doch gibt es noch Käufer. Wer sich jetzt meldet, sei wieder „qualifizierter“, berichtet Matthias Conze. Das heißt: „Kaufinteressenten sind gut aufgeklärt über die erhöhten Zinsen und die insgesamt erhöhte Belastung. Das war letztes Jahr noch nicht so.“ Und: Käufer und Verkäufer begegneten einander wieder auf Augenhöhe. „Der Verkäufer hat meistens nicht mehr die Auswahl aus mehreren Käufern und kann nicht mehr einseitig die Verhandlung führen. So, wie es auch vor der Pandemie und den starken Preistrends war“, so Conze. Diese potenziellen Käufer treffen auf ein stark gestiegenes Angebot, wie Julia Bentin berichtet: „Auf dem Immobilienmarkt passiert gerade viel.“
Also jetzt kaufen, gestiegener Zinsen zum Trotz? „Es ist immer ein guter Zeitpunkt, mit Betongold seine Vermögenswerte aufzubauen“, sagt Julia Bentin, „Betongold wird nicht an Wert verlieren, jedenfalls nicht drastisch – es sei denn, ich habe zu teuer eingekauft.“ Matthias Conze ist überzeugt, dass es nie gelingen wird, zum niedrigsten Zeitpunkt einzusteigen und zum höchsten wieder zu verkaufen. „Wenn ich jetzt kaufen kann – und das sind diejenigen, die Eigenkapital haben – dann ist das jetzt ein guter Zeitpunkt“, meint er. „In zehn Jahren wird das Haus nicht weniger wert sein, das kann ich mir nicht vorstellen.“
Haus oder Wohnung kaufen: Banken sind vorsichtiger geworden
Allerdings gucken die Banken genauer hin als in der Vergangenheit, sind – so die übereinstimmende Beobachtung der Immobilienfachleute – viel, viel vorsichtiger geworden. Julia Bentin hat von Kaufverträgen gehört, die am Tage der notariellen Beurkundung geplatzt sind, weil die Bank die Darlehenszusage zurückgezogen hat. „Die Banken gucken jetzt auch ganz stark, ob man sich eine Immobilie als Rentner noch leisten kann oder bis dahin abbezahlt hat“, berichtet Matthias Conze. Wobei er diese Rechnung für zu hart hält: „Wenn die Kinder ausziehen, wollen viele nicht mehr im großem Haus wohnen und verkleinern sich, oder es hat sich in 20 Jahren ihre finanzielle Situation verbessert. Für eine junge Familie sieht die Rente häufig leider noch nicht so rosig aus, verbessert sich aber hoffentlich.“ Grundsätzlich gelte: „Monatlich in Eigentum zu investieren, zu tilgen, die Immobilie schick zu machen und dann in 15 Jahren zu schauen, was man damit macht – das ergibt auch Sinn. Dann wird die Immobilie wahrscheinlich auch mehr wert sein als jetzt.“ Generell rät er, so zu kaufen, dass man sich nicht übernimmt, dass auch Geld für anstehende Reparaturen und anderes übrig bleibt. Conze: „Die Generation unserer Eltern, die hat sich eine Immobilie gekauft, und dann ist der Urlaub fünf Jahre ausgefallen. Das will heute kein Mensch mehr. Die Ansprüche sind viel höher geworden.“
Conze empfiehlt, schon in sehr jungen Jahren, idealerweise mit Anfang 20, in Wohneigentum zu investieren, und sei es nur in eine Einzimmerwohnung. „Ich finde es toll, wenn das jemand schafft“, sagt er, „und dann ist der irgendwann Mitte 30 und hat schon richtig viel Eigenkapital aufgebaut. Für den ist es sehr leicht, den nächsten Schritt zu gehen mit der größeren Immobilie.“
Eigentumswohnung in Bergedorf ist immer eine gute Wahl
Welcher Immobilientyp aber ist nach Einschätzung der Experten besonders gefragt? „Die Eigentumswohnungen in Bergedorf, egal, ob alt oder neu“, sagt Julia Bentin. „Die lässt sich auch in Krisenzeiten gut verkaufen, weil es eine große Zielgruppe gibt. Man kann selbst einziehen oder vermieten, vom Risiko ist es überschaubar. Das war schon immer so.“ Matthias Conze hält die Lage für entscheidend. „Wenn etwas im Villenviertel reinkommt, wo jeder sucht, dann geht das auch gut. Altersgerechte Wohnungen mit Tiefgarage und Aufzug funktionieren aber auch.“ Katrin Eggers bringt zusätzlich noch das Neubaugebiet ins Spiel, das unverändert beliebt sei: Ob es nun die Doppelhaushälfte oder das Einfamilienhaus in Escheburg oder Börnsen ist, zehn Jahre oder 20 Jahre alt oder ganz neu – das Angebot sei da.
Tipp: Haus so bauen, dass es auch anderen gefallen würde
Wer ein Haus baue, das eines Tages weiterverkauft werden soll, achte laut den Experten tunlichst darauf, es so zu bauen, dass andere auch etwas damit anfangen können. Ein Grund übrigens, weshalb Einfamilienhäuser aus den 50er- und 60er-Jahren laut Katrin Eggers „schwierig“ sind: „Weil sie nach heutigen Ansprüchen verbaut sind, zu viele kleine Räume haben.“
Klar scheint: Das eine Einfamilienhaus fürs Leben, das irgendwann an die Kinder vererbt wird, ist offenbar ein gar nicht mal mehr so verbreitetes Modell. „Es gibt inzwischen viele, die sagen: Jetzt habe ich meine Kinder, jetzt möchte ich gern ein Einfamilienhaus haben, und wenn die Kinder ausgezogen sind, dann verkaufe ich und gehe sowieso wieder zur Miete in die Stadt“, sagt Julia Bentin.
Wie weit werden die Immobilienpreise noch sinken?
Das erklärt, warum es auch bei sinkenden Preisen ein großes Angebot gibt. Dabei handelt es sich nach Beobachtung des Engel & Völkers-Mannes Conze nicht um Notverkäufe, sondern um das, was er „natürliche Gründe“ nennt: Erbschaften, Umzüge, Scheidungen. Trotzdem: Wer jetzt verkaufen möchte, muss seine Ansprüche etwas herunterschrauben. „Mit Preisen zu rechnen, die wir Ende 2021 generiert haben, das ist schlecht“, sagt Julia Bentin. Ihre Empfehlung: „Letztlich sollten viele Verkäufer ihre Position überdenken. Das fällt ihnen sehr schwer. Aber wenn man eine Immobilie heute nah am Verkehrswert berechnet, dann kommt man auch in die richtige Richtung, dann kommt man auch zum Verkauf.“ Matthias Conze warnt: „Wenn ich eine Immobilie zu teuer ansetze, laufe ich Gefahr, dass ich sie am Markt kaputtmache.“
Dass die Preise für Wohnraum völlig einbrechen werden, halten die Branchenkenner für unwahrscheinlich. Striktere Vorgaben der Banken und Baukostensteigerungen werden ihrer Einschätzung nach dazu führen, dass viele Neubauvorhaben nicht umgesetzt werden können. „Es wird in den nächsten Jahren leider zu wenig neuer Wohnraum entstehen“, sagt Matthias Conze. „Und fallen dann die Preise?“
Vermieten ist ein heikles Thema, das viele scheuen
Zu den Verkäufern von heute gehören nach den Worten der Immobilienexperten auch Erben, die ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung haben. „Mancher verkauft dann vielleicht auch aus Angst, dass die Preise doch noch weiter sinken. Oder es stehen Sanierungen an“, so Katrin Eggers. „Das mag dann der letzte Anstoß sein zu sagen: Ich verkaufe, anstatt zu vermieten, wenn ich gerade ein Haus leer stehen habe.“
Vermieten ist ein heikles Stichwort, Julia Bentin sieht es durchaus skeptisch: „Vermiete ich? In der Situation, die mir das Gesetz vorschreibt? Vermiete ich wirklich ein Einfamilienhaus?“ Sie habe gerade ein Objekt übernommen, in dem der Mieter „Schindluder getrieben“ habe. Schaden: 30.000 Euro. „Das amortisiert sich nie wieder“, sagt Bentin. Hinzu komme die Verwaltung, vor der sich viele Eigentümer fürchteten, etwa das Erstellen einer korrekten Nebenkostenabrechnung. Nicht zuletzt „pusht der Mieterverein die Mieter eben auch sehr hoch. Vermietung ist großes Risiko!“
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Apropos Risiko: Ein riesengroßer Problemfall sind nach Ansicht von Immobilienexperten Erbpachtgrundstücke. Hamburg verkauft sie nicht mehr und verlängert auch die Verträge erst kurz vor Ablauf der Laufzeit von 99 Jahren. „Unverkäuflich“ bei Kunden, die höher finanzieren müssen, urteilt Matthias Conze für den Fall, dass die Restlaufzeit unter 20 bis 25 Jahren liege. „Da lässt die Stadt Hamburg die Erbpachtnehmer sehr allein und reduziert deren Werte maximal.“
„Punkt 11 – Stunde der Entscheider“: Das ist die Serie
Zu „Punkt 11 – Stunde der Entscheider“ kommen in loser Folge – aber immer um elf am Vormittag – Experten jeweils einer Branche in unsere Redaktionsräume in der Chrysanderstraße 1 in Hamburg-Bergedorf, um sich über wichtige Themen der Gegenwart auszutauschen. Für die nächste Folge dieser Serie begrüßen wir Vertreter des Handwerks.