Hamburg. Hamburg soll Baugrundstücke günstig an Projektentwickler verkauft haben. Was die Kontrolleure außerdem beanstanden.
Zumindest „mangelhaft“ würde in einem Schulzeugnis stehen: Jedenfalls die Unterrichtsfächer Haushalts- und Konzernrechnung hat der Senats nicht gewissenhaft gelernt – so die Kritik des städtischen Rechnungshofs, der am Montag seinen Jahresbericht veröffentlichte und auf fehlende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in zahlreichen Fällen sowie auf erhebliche Mängel in der Aktenführung hinweist. Vor allem bei den Themen Oberbillwerder und Hochwasserschutz sei nicht einwandfrei gearbeitet worden.
Nach der HafenCity ist das 118 Hektar große Oberbillwerder das zweitgrößte hamburgische Stadtentwicklungsvorhaben, hier sollen 6000 bis 7000 Wohnungen entstehen, dazu 4000 bis 5000 Arbeitsplätze. Zur Umsetzung gründete die IBA Projektentwicklung eigens das Tochterunternehmen IPEG, doch „es bestehen Mängel in der Projektorganisation, die besonders auf einer fehlenden Gesamtprojektsteuerung, einer unklaren Rollenverteilung und deren unzureichenden Verpflichtung der Beteiligten auf verbindliche Standards beruhen“, urteilt jetzt der Rechnungshof.
Oberbillwerder: Kosten für Projektentwicklung haben sich nahezu verdoppelt
Das ist eine heftige Rüge für die Behörde für Stadtentwicklung. Sie habe bislang keine einheitlichen Regelungen für städtebauliche Projektentwicklungen erarbeitet und zudem eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung versäumt. Es kommt noch dicker: „Bei der Veräußerung von Grundstücken an die IPEG hat der Landesbetrieb für Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) Grundstücke unter Wert verkauft“, beanstanden die Prüfer den Verkauf für 78,5 Millionen Euro. Der Wert der Grundstücke habe 2019 nach Beschluss des Masterplans (und damit vor dem Verkauf) über dem Ende 2016 geschätzten Wert gelegen.
Die Kontrolleure legen noch drauf: Über die finanziellen Auswirkungen des Projekts sei die Bürgerschaft „nur unzureichend informiert“ worden, zuletzt im Februar 2019, wobei sich allein die Kosten der Projektentwicklung inzwischen mit 439 Millionen Euro nahezu verdoppelt hätten. Eine Information sei „im Sinne der Transparenz geboten gewesen“.
Kostenexplosion beim Hochwasserschutz
Ähnliche Fehler finden sich beim Thema Hochwasserschutz auf der 103 Kilometer langen Hauptdeichlinie: Hatte der Senat im Jahr 2012 ein etwa 550 Millionen Euro teures Bauprogramm beschlossen, um innerhalb von 25 Jahren die öffentlichen Hochwasserschutzanlagen zu erhöhen, seien die Kosten inzwischen erheblich gestiegen – um 140 Prozent: Mit mindestens 1,3 Milliarden Euro und einer zeitlichen Verzögerung (Fertigstellung erst im Jahr 2050) sei nunmehr zu rechnen, so die Kontrolleure und mahnen die Umweltbehörde: Sie habe „die Bürgerschaft und die Öffentlichkeit über diese Entwicklung unzureichend informiert“ und sollte den Hochwasserschutz nun in das Bau-Monitoring aufzunehmen.
Da noch immer das kostenstabile Bauen nicht umfassend umgesetzt werde, führe dies zu Kettenbeauftragungen mehrerer städtischer Realisierungsträger, unklaren Verantwortlichkeiten, zusätzlichem Abstimmungsaufwand und unnötigen Kosten. So habe die Umweltbehörde etwa dem Landesbetrieb für Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) „unbegründete Honorare für Baumaßnahmen“ gezahlt, die gar nicht vom LSBG, sondern von der Hamburg Port Authority durchgeführt wurden. Zudem habe die Behörde auch hier keine einheitlichen Bau- und Qualitätsstandards für den Hochwasserschutz vorgegeben und müsse „ihrer Gesamtverantwortung als Bedarfsträgerin stärker nachkommen“.
Alster-Schwimmhalle teurer, Sanierungsstau im Gefängnis
Ebenfalls an die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft richtet sich eine Kritik an der Modernisierung der Alster-Schwimmhalle: Hierfür plane allein die Bäderland GmbH rund 80 Millionen Euro ein, aber es fehle eine rechtzeitige baufachliche Beratung für Bäderland. Die GmbH habe zudem Unterlagen eingereicht, die „auf einer veralteten Kostenberechnung ohne Grunderwerbskosten basieren“.
Auch die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz habe Fehler gemacht und legt vielleicht wenig Wert auf die Werterhaltung der Hamburger Gefängnisse. Jedenfalls beklagt der Rechnungshof fehlende Grund- und Folgeerhebungen: „Deren Notwendigkeit zeigen zwei Gutachten, die zur Vorbereitung der Überführung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder und der JVA Fuhlsbüttel ins Mieter-Vermieter-Modell dienten.“ Sie würden immerhin einen Sanierungsstau von rund 30 Millionen Euro beziffern.
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In der Schulbehörde habe es ebenso reichlich gezwickt. Sie verbesserte zu Corona-Zeiten zwar die IT-Ausstattung der Schulen, verzichtete aber vorab auf eine Bestandsaufnahme. Zudem sei der Verteilungsschlüssel über die Höhe der Mittel, die den Schulen zur Verfügung stehen, missverständlich.
Für Hamburgs CDU ist der Bericht ein „Anlass zur Sorge“, so Thilo Kleibauer. Durch die Mängel werde das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Verwaltung nachhaltig gestört: „Hier müssen dringend das Controlling und die Transparenz verbessert werden, um Risiken für die Steuerzahler zu begrenzen“, so der haushaltspolitische Sprecher seiner Fraktion.