Bergedorf. Statt nur Parkplatze zu bieten, sollen die Mobility Hubs lebendige Quartierzentren und Nachbarschaftstreffs werden.
Die Parkhäuser der Zukunft bilden das Rückgrat, an dem Oberbillwerders Träume von einem autoarmen Stadtteil hängen. Die sogenannten Mobility Hubs sollen schaffen, was bisher keinem Stadtplaner gelang: Das Thema Mobilität mitten ins Zentrum zu holen und dabei gleichzeitig Stück für Stück vom privaten Pkw in Richtung Fahrrad, Roller, Lastenrad, geteilter Auto-Nutzung, Bus und Bahn zu verschieben.
Oberbillwerder: Hamburgs neuer Stadtteil bekommt 13 Mobility Hubs
„Es wird in Oberbillwerder keine einzige Tiefgarage geben, auch kein Parkdeck. Und nirgends die üblichen Stellplätze am Fahrbahnrand. Sämtliche Pkw von Bewohnern, ihren Gästen und auch den Besuchern der Geschäfte, Kitas, Schulen oder sonstigen Einrichtungen, selbst die Transporter der hier ansässigen Gewerbebetriebe stehen in den bis zu 13 Mobility Hubs“, beschrieb Sabine de Buhr das Mobilitätskonzept des Zukunftsstadtteils, das am Mittwoch ein wichtiges Stück sichtbarer wurde.
Die Chefin des städtischen Oberbillwerder-Entwicklers IBA Hamburg stellte zusammen mit Oberbaudirektor Franz-Josef Höing und Bergedorfs Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann die Architektenentwürfe für die ersten beiden Parkhäuser der Zukunft vor.
Oberbillwerder: Bundesbauministerium fördert Mobility Hubs
„Mobility Hubs tun gar nicht mehr weh“, schwärmte Höing von der Qualität der Sieger-Entwürfe, die nach drei Jahren Arbeit an der Konzeptstudie dieser Parkhäuser der Zukunft jetzt vorliegen. Vom Bundesbauministerium im Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ gefördert, wurden am Mittwoch, 1. Februar, zunächst die Entwürfe vorgestellt, die die bis zu 80 Meter langen, gut 33 Meter breiten und wohl durchschnittlich sechs Stockwerke hohen Bauwerke in Aussehen und Funktion sichtbar machen. Betreiber-Konzepte, Wirtschaftlichkeit und Staffelung der Parkgebühren sollen bis Ende 2023 stehen. Der erste Mobility-Hub soll gleich mit dem Baustart von Oberbillwerders ab 2027 stehen.
„Natürlich wird das Auto auch in Zukunft zur Lebensrealität der Menschen gehören, auch in Oberbillwerder“, stellte Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann klar. „Was wir hier mit der Konzeptstudie tun, ist einerseits bezahlbare Lösungen für die Bewohner und die Besucher des künftigen Stadtteils zu schaffen, andererseits das Umsteigen zwischen den verschiedenen Mobilitätsformen zu erleichtern.“ Insofern sei es wichtig, dass gleich der erste Mobility Hub richtig gut funktioniere.
Kein Parken im Erdgeschoss – Cafés und Geschäfte
Dass dabei Pionierarbeit geleistet werden muss, weiß Oberbaudirektor Höing genau: „Funktional müssen wir es schaffen, dass der gesamte Parkverkehr ohne Staus hinein und auch wieder hinaus fließt. Gleichzeitig ist entscheidend, dass sich die ja tatsächlich nicht gerade kleinen Mobility Hubs architektonisch gut in ihre Umgebung einfügen. Schließlich sollen sie der Motor sein, um den jeweils angrenzenden Platz zu einem lebendigen Quartierszenturm für die Nachbarschaft zu machen.“
Der Weg dahin führt über die Grundidee, dass die Parkhäuser der Zukunft im Erdgeschoss gar kein Parken für Pkw vorsehen. Dafür sind hier – je nach Lage der Immobilie – Cafés und Drogerien, ein Jugendclub oder ein Fahrradladen, eine Paketstation, ein Bäcker, ein Kulturtreff oder Büros, in denen jeder einen Schreibtisch oder Internet-Arbeitsplatz anmieten kann.
Erste Mobility-Hub entsteht an Oberbillwerders Fußgängerzone
Die zwei nun als Entwürfe vorliegenden Mobility Hubs liegen im zentralen Oberbillwerder Bahnhof-Quartier, das gleich nördlich der S-Bahnstation Allermöhe ab 2027 als Erstes entstehen wird. Es handelt sich einerseits um das Parkhaus zwischen der zentralen Einkaufsstraße und dem östlich angrenzenden Campus des künftigen Standorts der Lohbrügger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) mit dann 5000 Studenten. Das Parkhaus muss also beide Funktionen abdecken, zudem die Autos der Besucher des nahen Schwimmbads aufnehmen und mit seinen Mietern im Erdgeschoss nicht zuletzt auch den direkt angrenzenden Platz als Teil der Fußgängerzone beleben.
Der zweite Mobility Hub liegt rund 200 Meter Luftlinie entfernt Richtung Nordwesten zwischen Wohngebäuden an einem „normalen“ Quartiersplatz. Ins Erdgeschoss könnte ein Nachbarschaftstreff ziehen, vielleicht auch ein Bäcker oder eine Kultureinrichtung. Das Parken soll hier vollautomatisch erfolgen: Die Nutzer fahren ihren Pkw in eine Übergabezone bei den fünf bis sieben Aufzügen in der Mitte der Immobilie, steigen aus und überlassen das Parken dann der Technik.
Architekten planen Parkhäuser als multifunktionale Oase mitten in der Stadt
Die am Mittwoch vorgelegten Entwürfe für dieses Pilotprojekt verstehen sich bisher als Ideengeber. Schließlich werden hier die Bagger kaum vor 2029 anrücken. Zu den Ideen gehört neben der Fassade und der inneren Gestaltung nicht zuletzt auch die Frage, wie denn eine solche Immobilie umgestaltet werden könnte, wenn in Zukunft tatsächlich weniger private Autos Parkplätze in Oberbillwerder benötigen. Kommt es dazu, würden die Architekten die im Zentrum der Immobilie vorgesehenen Auto-Aufzüge ausbauen, um einen grünen Innenhof zu schaffen, der das Umgestalten der nun überflüssigen Parketagen zu Wohnungen attraktiv macht.
Doch schon vorher gleichen die Mobility Hubs weit weniger einem Parkhaus, als einer multifunktionalen Oase mitten in der Stadt. So werden die Dächer neben der Energiegewinnung durch Photovoltaik-Anlagen in Teilen als geräumige Dachterrasse gestaltet, andere Bereiche als grüne Landschaft für Pflanze und Tiere. Selbst Urban Gardening, also Gemüseanbau für den Eigenbedarf, vielleicht sogar in Gewächshäusern, erscheint sinnvoll.
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Auch für die Fassaden haben die Architekten Konzepte entwickelt. So soll mit viel Glas und hellen Farben, mit Begrünung und auf der Südseite natürlich mit Sonnenenergie-Kollektoren gearbeitet werden. Grundsätzlich wird sehr großzügig geplant, etwa mit großem Foyer oder ausladenden Fassaden, sodass kaum etwas an ein Parkhaus erinnert.
Zahl der Stellplätze ist klar begrenzt und soll maximal 5000 betragen
Wer die Mobility Hubs bauen und wer sie letztlich betreiben wird, steht nach den Worten von Sabine de Buhr vom städtischen Projektentwickler IBA Hamburg noch nicht fest: „Unser Ziel ist es, alle elf bis 13 Objekte, die bis Ende der 2030er-Jahre entstehen, von einem Bauherrn errichten zu lassen. Auch der Betrieb soll nach Möglichkeit in einer Hand liegen, wobei wir auf sozialverträgliche Preise achten werden.“
Die Zahl der Stellplätze sei allerdings klar begrenzt und werde maximal 5000 betragen, gern auch weniger. Wie im Masterplan festgeschrieben, liege der Schlüssel bei 0,6 je Wohnung, also rund 3900 Langzeitvermietungen für die gut 6500 geplanten Wohnungen plus etwa 1100 Kurzzeitplätze für Besucher und Menschen, die in Oberbillwerder arbeiten.