Hamburg. Ausgaben für Deiche in Hamburg haben sich mehr als verdoppelt. Rechnungsprüfer kritisieren absurdes Kompetenz-Wirrwarr.

Der Hochwasserschutz hat für eine am Wasser gebaute Stadt eine existenzielle Bedeutung. Das sieht auch der Landesrechnungshof so. Dennoch nehmen die unabhängigen Wächter über Hamburgs Finanzen in ihrem Jahresbericht das Hochwasserschutzprogramm der Stadt auf 15 Seiten akribisch auseinander.

Das beginnt mit dem Zeitplan und den Kosten: Der Rechnungshof verweist darauf, dass der Senat 2012 beschlossen hatte, Deiche, Schleusen und andere Schutzbauwerke innerhalb von 25 Jahren für grob geschätzte 550 Millionen Euro zu verstärken. Mittlerweile liege aber eine Kostenprognose des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) über rund 1,318 Milliarden Euro vor – eine Steigerung um 140 Prozent. Mit einer Fertigstellung sei erst im Jahr 2050 zu rechnen – 13 Jahre später als ursprünglich geplant.

Rechnungshof: Senat hat über Kostenexplosion „unzureichend informiert“

Die Umweltbehörde habe die Bürgerschaft und die Öffentlichkeit „über diese Entwicklung unzureichend informiert“, kritisiert der Rechnungshof. Es sei „dringend geboten“, das gesamte Hochwasserschutzprogramm in das Bau-Monitoring der Stadt aufzunehmen und dort nicht nur über einzelne Maßnahmen zu berichten.

Rechnungshofpräsident Stefan Schulz nahm zudem die verwirrende Rollenverteilung bei dem Thema ins Visier. Da sei zum einen die Umweltbehörde als übergeordnete „Bedarfsträgerin“, die also die politische Verantwortung hat und Aufträge vergibt. Sie habe aber erklärt, sie sei „nicht in der Lage“, diese Rolle „vollständig und eigenständig auszufüllen“, so der Bericht des Rechnungshofs.

„Kettenbeauftragungen“ verursachen zusätzlichen Aufwand und Kosten

Stattdessen trete auch die der Wirtschaftsbehörde unterstellte Hamburg Port Authority (HPA) stellenweise als „Bedarfsträgerin“ auf und vergebe Aufträge – zum Beispiel an die städtische Projekt-Realisierungsgesellschaft ReGe Hamburg. Und dann ist da noch der zur Verkehrsbehörde gehörende LSBG ...

Im Ergebnis führe das zu „Kettenbeauftragungen“, unklaren Verantwortlichkeiten, zusätzlichem Abstimmungsaufwand und unnötigen Kosten, so der Rechnungshof, der das an einem Beispiel verdeutlichte: Mit der „Ertüchtigung Cranzer und Neuenfelder Hauptdeich“ habe die Umweltbehörde zunächst den LSBG betraut, der damit die HPA beauftragte, die das Geschäft wiederum der ReGe gab, die schließlich private Firmen damit beauftragte.

Landesbetrieb kassierte 1,8 Millionen Euro Honorar – für nichts

Dabei seien auch „unbegründete Honorare“ zwischen städtischen Stellen geflossen. So seien rund 1,8 Millionen Euro Honorar beim LSBG verblieben, „obwohl er hierfür keine eigenen Leistungen erbracht hat“, so der Bericht. Wie Rechnungshof-Direktorin Birgit Fuhlendorf erläuterte, sei das Geld schließlich in den Haushalt der Verkehrsbehörde geflossen – was auch hinsichtlich des Budgetrechts der Bürgerschaft problematisch ist, denn die hatte die Mittel ja der Umweltbehörde genehmigt.

Ein weiterer absurder Fall aus dem Bericht: In der Sozialbehörde werden zwei Stiftungen verwaltet, die im Schnitt mit insgesamt gut 5000 Euro pro Jahr die Gesundheit von Beschäftigen in Verwaltung und Krankenhäusern fördern. Die Verwaltung der Stiftungen kostet aber 15.500 Euro jährlich – also das Dreifache der Fördersumme. Da stelle sich „schon die Frage, welchen Sinn das macht“, so Rechnungshof-Direktor Joachim Mose.

Aktenführung der Behörde im Prinzip „nirgendwo vollständig in Ordnung“

Zudem beklagten die Prüfer zum wiederholten Mal die Aktenführung städtischer Stellen. So seien in der Sozialbehörde nur 42 Prozent der geprüften Akten „beanstandungsfrei“ gewesen. Im Prinzip seien sie „nirgendwo vollständig in Ordnung“, so Mose.

Er erkläre sich das damit, dass die Verwaltung aufgrund der vielen Krisen enorm unter Druck stehe, da gerate die Aktenführung schon mal „unter die Räder“. Dabei bestehe jedoch die Gefahr, dass Fehler aus Papierakten nun auch sukzessive in die elektronische Datenführung übernommen würden.

Rechnungshof hält geplante Investitionen von zwei Milliarden Euro für „unrealistisch“

Kritisch sahen die Prüfer auch die 4,2 Milliarden Euro an „Resten“, die der Senat vor sich herschiebe. Dabei handelt es sich um genehmigte, aber noch nicht getätigte Ausgaben. Dass der Senat dennoch auch für dieses Jahr mit Investitionen von mehr als zwei Milliarden Euro plane, sei daher „unrealistisch“, sagte Rechnungshof-Direktor Philipp Häfner.

Insgesamt erteilten die Prüfer dem Konzernabschluss der Stadt daher, wie in den Vorjahren, nur einen „eingeschränkten Bestätigungsvermerk“.

Rechnungshof-Bericht offenbart "deutliche Mängel", so die CDU

„Der Bericht des Rechnungshofs weist erneut auf deutliche Mängel in der Haushaltsführung hin“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. „Hier muss der Senat schnell handeln und die Missstände beheben“. Besonders auffällig seien „die schwerwiegenden Defizite im Verantwortungsbereich der Umweltbehörde“ wie die gravierenden Probleme und Kostensteigerungen beim Hochwasserschutz, so Kleibauer. „Hier müssen dringend das Controlling und die Transparenz verbessert werden, um Risiken für die Steuerzahler zu begrenzen.“

Der haushaltspolitische Sprecher der AfD, Thomas Reich, sagte: „Der Senat ist Hamburgs größte Katastrophe. Der Rechnungshof weist der Umweltbehörde große Defizite nach.“ Der für Hamburg so wichtige Deichschutz sei „sträflich vernachlässigt“ worden. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) beschäftige sich wohl „lieber mit dem globalen Klimaschutz“, so reich. „Das muss sich ändern.“

„Der Bericht des Rechnungshofs weist erneut auf deutliche Mängel in der Haushaltsführung hin“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. „Hier muss der Senat schnell handeln und die Missstände beheben“. Besonders auffällig seien „die schwerwiegenden Defizite im Verantwortungsbereich der Umweltbehörde“ wie die gravierenden Probleme und Kostensteigerungen beim Hochwasserschutz, so Kleibauer. „Hier müssen dringend das Controlling und die Transparenz verbessert werden, um Risiken für die Steuerzahler zu begrenzen.“