Hamburg. Im Norddeutschen Haus in Altengamme trank man schon seit 1646 Bier. Nun zieht die achte Generation einen Schlussstrich. Die Gründe.

Wer bei der Fahrt über den langen Hauptdeich eine Stärkung brauchte, der wurde seit mindestens 376 Jahren im Altengammer Elbdeich 42 fündig. Bis 1646 ist die Existenz einer Gastwirtschaft an der Stelle belegt, vermutlich reicht die Geschichte sogar noch weiter zurück. Unter dem Namen Norddeutsches Haus wird sie dort nun aber zu Ende gehen: Die Gastwirtschaft schließt – und zwar für immer. „Zum Jahresende ist Schluss“, bestätigt Marc-René Pastel, der das Norddeutsche Haus seit 2014 in achter Generation gemeinsam mit seinem Onkel Karl-Hermann Dietrich geführt hat.

Traditionslokal in Hamburg schließt: Pandemie hat die Leichtigkeit genommen

Marc-René Pastel war das Gesicht des Norddeutschen Hauses hinter dem Tresen, während sein Onkel in der Küche die Speisen zubereitete. Vor allem für Gerichte wie Bauernfrühstück und Scholle sowie Stint im Frühjahr oder Grünkohl in der kalten Jahreszeit war das Norddeutsche Haus eine beliebte Adresse. Nun aber verabschiedet sich Karl-Hermann Dietrich mit 68 Jahren in den Ruhestand. Und auch sein Neffe hat entschieden, dass er seine berufliche Zukunft nicht mehr in der Gastronomie sieht.

Das Norddeutsche Haus um das Jahr 1910. Schon damals konnten die Gäste der Gaststätte am Altengammer Elbdeich draußen sitzen.
Das Norddeutsche Haus um das Jahr 1910. Schon damals konnten die Gäste der Gaststätte am Altengammer Elbdeich draußen sitzen. © Norddeutsches Haus | Pastel

Die Entscheidung sei nicht von heute auf morgen gefallen, erklärt der 42-Jährige. Schon zum Jahreswechsel von 2020 auf 2021 habe es erste Überlegungen gegeben, wie es nach dem Ausscheiden des Onkels weitergehen werde. Zu der Zeit hatte es noch diverse Einschränkungen durch die Corona-Pandemie gegeben. „Wir waren überhaupt nicht sicher, wie es weitergeht“, erinnert sich Marc-René Pastel. Dennoch wurden verschiedene Szenarien durchgespielt – am Ende sei man aber doch an den Punkt gelangt, einen Schlussstrich zu ziehen.

Die Pandemie habe dabei schon eine Rolle gespielt: „Ich habe in der Zeit schon an Leichtigkeit und Mut verloren“, gibt Marc-René Pastel zu. In Summe seien es aber eine Reihe von Faktoren gewesen, habe auch die Energiekrise und angespannte Personalsituation eine Rolle gespielt. Es ging von einer Krise in die nächste: „Entspannung war nicht in Sicht“, sagt Marc-René Pastel. Das Traditionslokal zu schließen sei vor allem aber auch eine Entscheidung für die Familie gewesen, erklärt der Vater zweier Söhne.

Heimat von Familienfeiern, Theater und Kneipengottesdienst

Die Gastwirtschaft am Altengammer Elbdeich existierte in ihrer jetzigen Form 155 Jahre. Das Vorgänger-Gebäude brannte um 1860 ab. 1774 hatte ein direkter Vorfahre von Marc-René Pastel, sein Ururururgroßvater, den Betrieb übernommen und von Generation zu Generation weitergereicht. Auch Marc-­Renés Mutter, Ursula Pastel, geborene Dietrich, arbeitete einst in dem Lokal an der Seite ihres Bruders Karl ­Hermann Dietrich. Er hatte es als Sohn von den Eltern vererbt bekommen. Nun ist das Haus verkauft.

Der Saal wurde gern für Feiern genutzt: Es gab Familien, die dort sowohl für Taufe, Hochzeit und auch Beerdigung zusammenkamen. Zudem nutzte die Speeldeel Fründschaft Altengamme den Saal für ihre plattdeutschen Theateraufführungen oder verlegte die Kirchengemeinde St. Nicolai ihren Gottesdienst einmal im Jahr von der Kirche in die Kneipe. Beim nächsten geplanten Termin am 8. Januar 2023 geht es nun wieder zurück ins Gotteshaus: Dort beginnt der Gottesdienst allerdings nicht morgens, sondern erst um 20 Uhr.

Hoffnung auf Ende der Gerüchteküche

Marc-René Pastel ist in Altengamme aufgewachsen und arbeitete als ausgebildeter Hotelfachmann bereits in Travemünde, Hamburg, London und Dubai. Nun soll es beruflich in seiner Heimat weitergehen. Bei „Elbmeer“, einer Firma für Veranstaltungs- und Medientechnik, die ebenso am Altengammer Elbdeich ansässig ist, wird er künftig tätig sein, verrät der 42-Jährige, der mit seiner Familie auch nur wenige Kilometer weiter in Voßmoor lebt. „Ich freue mich, weiterhin Teil der Dorfgemeinschaft zu sein, wenn auch nicht mehr als Gastronom“, sagt Marc-René Pastel.

Von den Stammgästen hat sich das Führungs-Duo vom „Norddeutschen Haus“ bei einem letzten Öffnungsabend kurz vor Weihnachten verabschiedet und für die langjährige Treue und schönen Momente bedankt. Marc-René Pastel hofft, dass damit auch die Gerüchteküche im Landgebiet endlich erkaltet. Denn da machten in den vergangenen Wochen einige falsche Informationen die Runde, sodass sich sowohl das Landhaus Voigt in Ochsenwerder als auch der Krauler Kroog in Kirchwerder dazu gezwungen sahen, die Schließungsgerüchte öffentlich auf Facebook zu dementieren.