Hamburg. Homeoffice, Baumarkt, Bio-Kiste, Kleingarten, Fahrrad kaufen, wandern und eine Geste von Obama: Was uns 2020 auf Trab hielt.
2020 ist das Jahr, in dem viele ihr Zuhause völlig neu kennengelernt haben. Wer hätte ahnen können, wie viel Zeit wir plötzlich in unseren vier Wänden verbringen dürfen und müssen? Die tägliche Fahrt zur Arbeit, das Büro, der feste Schreibtisch: Das ist von heute auf morgen kein Thema mehr. Plötzlich sind fast alle im Homeoffice. Corona hat auf so vieles Auswirkungen gehabt. Welche Entwicklungen es gab und welche nachwirken, darum geht es in diesem Rückblick.
- Homeoffice: Die Entdeckung der Heimarbeit
- to-home anstatt to-go
- Urlaub an Nordsee und Ostsee
- Von Frischluftfanatikern und der neuen Lust am Wandern
- Camping wird zum Corona-Trend 2020
- Das Symbol für mehr Abstand: die Gettofaust
Homeoffice: Die Entdeckung der Heimarbeit
Bei Videokonferenzen lernen wir unsere Kollegen im Homeoffice von einer anderen Seite kennen. Es gibt private Einblicke ins das Leben der Anderen. Kinder springen ins Bild. Baulärm übertönt die Konferenz („Die Nachbarin bekommt eine neue Küche“ Aha). Der Dresscode passt sich automatisch der neuen Arbeitssituation an. Casual ist manchmal gar kein Ausdruck mehr. Die Corona-Mode ist deutlich zweckmäßiger, um es hübsch auszudrücken. So verzeichnet das Unternehmen Görtz beispielsweise einen deutlichen Bedarf nach Hausschuhen anstatt High-Heels.
Was wir aus dieser Zeit mitnehmen und zwangsweise lernen: Homeoffice funktioniert, weil es eben funktionieren muss. Allerdings die Technik nicht immer. Videokonferenzen, ob nun mittels Zoom, Cisco oder Jitsi, werden zur Geduldsprobe. Und die sozialen Kontakte kann ein Treffen im Internet nicht ersetzen. Ob Berufstätige oder Schüler im Homeschooling: Vielen fehlt der direkte Austausch. Man lernt zu schätzen, was man nun nicht hat. Nähe.
Und weil wir so viel Zeit Zuhause verbringen, stellen wir auch gleich fest: Da gibt es einiges zu tun. In 2020 ist Heimwerken plötzlich der neue Fitnesssport. Gut, dass die Baumärkte zumindest im ersten Lockdown geöffnet sind. Blumenbeete werden umgegraben. Keller und Dachböden aufgeräumt und ausgemistet. Gartenhäuschen gestrichen. Zimmer renoviert. Altkleider so massenhaft entsorgt, dass Container abgebaut werden müssen.
Wer aufgrund von geschlossenen Restaurants, Kneipen, Diskotheken, und Fitnesscentern nach anderen Beschäftigungen strebt, der entdeckt die Handarbeit für sich. In 2020 wurde so viel gestrickt, genäht und selbst gekocht – wie lange nicht mehr. Besonders beliebt: Das Schneidern von individuellen Masken.
Kreative Masken-Designs: Für jeden Typ ist ein Modell dabei
Plötzlich stehen Menschen Schlange vor Stoffläden wie &Erna in Ottensen. Und einmal auf den Geschmack gekommen, werden auch Tücher, Decken und Kleidung genäht. Wenn die Nähmaschine nicht rattert, klappert der Kochlöffel. Da viele Kinder im Lockdown daheim sind und auch von Zuhause gearbeitet wird, herrscht in der Küche Hochbetrieb. Leider wirkt sich Corona auch nicht gerade förderlich auf die Gleichstellung aus. Frauen sind oft die Leidtragenden. Der Trend geht zurück zu alten Rollenbildern.
to-home anstatt to-go
Die Sache mit der Plastikreduzierung und dem Umweltschutz gerät 2020 angesichts der Coronakrise plötzlich in Vergessenheit. Mit dem viel genutzten Lieferdienst kommt auch der Plastikmüll nach Hause,. Der Mehrwegbecher für to-go steht ungenutzt herrum. Nach Hause geliefert wird alles, Getränke, Gemüse, Möbel, Kleidung… Die Zusteller sind im Dauereinsatz, während viele Biolieferanten Aufnahmestopps verhängen müssen. Denn wir essen plötzlich nicht nur gern und viel zu Hause, sondern ernähren uns bewusster. Hofläden profitieren. Gesunde und bewusste Ernährung ist ein Trend, der durch das Virus und seine Folgen, bestärkt wird.
Nordsee und Ostsee: Systeme zählen Strandgäste
Das Zuhause rückt auch "urlaubstechnisch" plötzlich in ein neues Licht. Statt weit-weit-weg, heißt es 2020 Urlaub vor der Haustür machen. Eine Fernreise ist da schon ein Ausflug an die See, wenn es denn überhaupt erlaubt und möglich ist. Denn Ost- und Nordsee erfreuen sich einer solchen Beliebtheit, dass teilweise Orte für Touristen abgeriegelt werden, Systeme erfassen die Besucher am Strand.
Da die Urlaube bereits eingereicht und die Fernreisen storniert sind, erfreuen sich besonders kleine Orte nahe der überlaufenen Touristenhochburgen großer Beliebtheit. 2020 geht der Urlaubstrend zur Bescheidenheit. Anstatt 14 Tage am Strand von Ägypten, urlauben die Hamburger dann eben in Westerdeichstrich nahe Büsum oder schauen sich statt der großen, weiten Welt das kleine gleichnamige Örtchen nahe St. Peter Ording an.
Von Frischluftfanatikern und der neuen Lust am Wandern
Überhaupt ist auffällig, dass vielen nun die Decke auf den Kopf fällt. Wer nicht über das Glück eines eigenen Gartens oder eines Balkons verfügt, dem wird diese Misslichkeit in Corona-Zeiten umso bewusster. Besonders Kleingartenvereine spüren dies. Noch nie war die Zahl der Anfragen so hoch wie 2020. Der Trend zum eigenen Gartenreich mit selbstangebautem Gemüse wird durch Corona enorm angekurbelt.
So spießig Kleingärten einst galten, die sich nun so großer Beliebtheit erfreuen, so sehr ist auch das Wandern plötzlich im Kommen. Auch Jüngere schnüren ihre Schuhe und schnappen sich einen Stock und entdecken den Harz oder Lüneburger Heide.
Camping wird zum Corona-Trend 2020
Auffällig ist auch der Trend zum Urlaub auf Rädern. Camper und Wohnwagen erfreuen sich eines reißenden Absatzes. 15 Prozent mehr als im Vorjahr – ein Rekord. Auch die Fahrräder werden aus den Schuppen geholt. Radwandern oder mit dem Pedelec zur Arbeit oder durch die Stadt düsen: Das ist besonders gefragt, da die Ansteckungsgefahr geringer eingeschätzt wird als in Bus oder Bahn.
Viele stellen dabei gleich fest, dass der alte Drahtesel auch seine beste Zeit hinter sich hat. Allein im ersten Halbjahr wurden laut Zweirad-Industrie-Verband 3,2 Millionen Fahrräder verkauft – darunter 1,1 Millionen E-Bikes. Das sind 9,2 Prozent mehr als im Vorjahr.
Das Symbol für mehr Abstand: die Gettofaust
2020 erfreut sich eine Geste Beliebtheit, die wohl wie keine andere auch den neuen Abstand symbolisiert: die Gettofaust. In der Verzweiflung, den Anstand trotz Abstands zu wahren, nutzen sie nun viele zur Begrüßung. Die Begrüßung per Faust, die durch den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama an Bekanntheit gewann, gilt als hygienischer als das Händeschütteln.
Da andere Zahlmethoden als hygienischer gelten, hat das Bargeld 2020 fast ausgedient. Viele Geschäfte bitten um Kartenzahlung zum Schutz der Mitarbeiter. Was in anderen Ländern übrigens schon deutlich weiter verbreitet ist. So könnte einem auch dieser Trend zum bargeldlosen Bezahlen erhalten bleiben, wie so manches aus dem Corona-Jahr 2020.
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Ob wir allerdings wirklich bald nur noch zu Hause sitzen werden, in Hausschuhen und Jogger und uns nur noch virtuell mit den Freunden treffen?
Eine Prognose: 2021 dreht sich der Trend um. Sobald Corona uns nicht mehr so fest im Griff hat, geht es weit in die Ferne, raus aus dem Haus, rein ins schicke Kleid. Nur die Sache mit den Klopapier-Hamsterkäufen könnte einen bleibenden Schaden hinterlassen...