Hamburg. Stadtreinigung sitzt auf Bergen von Billigmode, für die es keine Abnehmer mehr gibt. Wo man gut erhaltene Sachen spenden kann.
Manchmal reicht ein Bild, um ein großes Problem im Kleinen anschaulich zu machen. So etwa dieses: eine stattliche Gebirgslandschaft aus Klamottensäcken, die sich durch die Altonaer Stilbruch-Lagerhalle zieht, und obendrauf ein Betriebsleiter, der nicht mehr weiß, wohin damit. Und das, obwohl es doch das Geschäftsmodell von Stilbruch ist, als Tochterunternehmen der Stadt gut erhaltene, gebrauchte Waren zu sammeln und weiterzuverkaufen.
Bei Stilbruch landet im Grunde alles, was sich so in einem Haushalt ansammelt. Möbel, Elektrogeräte, Bücher. Und eben auch ausgetragene Kleidung. Doch die Mengen übersteigen schon seit einiger Zeit die Kapazitäten. In den vergangenen Wochen hat sich die Lage weiter zugespitzt.
Altkleidercontainer: Hamburg baut alle 120 ab
Denn seitdem die Stadtreinigung Hamburg angekündigt hat, bis Ende August alle 120 Altkleidercontainer in der Stadt abzubauen und auch das Deutsche Rote Kreuz seine Container gesperrt hat, ist die Altkleidermenge bei Stilbruch noch einmal deutlich gestiegen – die Qualität allerdings nicht: „Die Klamotten, die abgegeben werden, sind oft in einem schlechten Zustand oder aus Materialien, mit denen man nichts mehr anfangen kann.“
Und das ist ein entscheidender Punkt: Denn nur etwa 20 bis 25 Prozent der abgegebenen Kleidung landen auch in einem der drei Stilbruch-Kaufhäuser der Stadt. Alles andere geht an Abnehmer, die die Textilien anders weiterverwerten. Die Putzlappen daraus machen oder Dämmstoffe. So weit die Theorie.
„Aber aus minderwertigen Materialien kann man eben auch nichts Wertiges mehr machen“, sagt Hottgenroth. „Es wird immer schwerer, Abnehmer zu finden, denn auch der Zweit- und Drittmarkt hat keinen Bedarf mehr.“
Das Elend mit den Fast-Fashion-Unternehmen
Doch während die Altkleiderberge in den Lagerhallen weiterwachsen, läuft die Billigmodenproduktion ungebremst weiter. Und sie findet ihre Abnehmer. „Die Deutschen kaufen so viele Klamotten wie nie zuvor“, sagt auch Kay Goetze von der Hamburger Stadtreinigung. „Die großen Fast-Fashion-Unternehmen produzieren alle paar Wochen neue Kollektionen, die Menschen kaufen im Schnitt rund 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr. Und die Halbwertszeit eines Kleidungsstückes sinkt immer mehr.“
Immer mehr Altkleider in Hamburg – nicht nur wegen Corona
Und so quollen die Altkleidercontainer der Stadtreinigung bisweilen über. Von Januar bis April dieses Jahres sind rund 40 Tonnen mehr Altkleider abgegeben worden als im Vorjahreszeitraum. „Sicher gab es da auch einen kleinen Corona-Effekt, aber wir glauben, dass die Mengen auch ohne Corona gestiegen wären. Das zeigt der Trend der vergangenen Jahre.“
Weiteres Problem: „Es landeten leider auch Sachen im Altkleidercontainer, die dort nichts zu suchen haben, darunter Essensreste und Dinge, die deutlich weniger appetitlich sind“, so Goetze weiter. „Und ist die Kleidung erst einmal vermüllt und verschmutzt, können auch unsere Abnehmer nichts mehr damit anfangen.“
Ein Problem, das sich nicht nur in Hamburgs Lagerhallen zeigt. „Der Markt ist bundes- und europaweit zusammengebrochen“, so Goetze. Er appelliert: „Jeder sollte sich fragen, ob es nicht besser wäre, weniger und dafür bessere Qualität zu kaufen und besser zu sortieren, bevor man Dinge an den falschen Stellen abgibt.“
DRK-Container bleiben vorerst gesperrt
Kleidung, die löchrig und verwaschen ist, gehöre etwa nicht zu Stilbruch, sondern auf einen der zwölf Recyclinghöfe, die auch bisher rund zwei Drittel der Altkleidermenge gesammelt hätten. „Dort kann durch den persönlichen Kontakt eine bessere Qualitätskontrolle gewährleistet werden.“
Anders als die Stadtreinigung hat das Deutsche Rote Kreuz seine Container nicht dauerhaft abgebaut, sondern nur bis auf Weiteres abgesperrt. Auch hier waren gestiegene Mengen und schlechte Qualität der Grund für diesen Schritt. Rainer Barthel, Sprecher des DRK-Landesverbandes, sieht Corona als entscheidenden Faktor. „Aktuell führen wir das tatsächlich darauf zurück, dass die Menschen mehr zu Hause sind und ausmisten.“
Wie lange die Container noch abgesperrt bleiben? Ungewiss.
Hier kann man Altkleider loswerden
Barthel verweist darauf, dass die DRK-Kleiderkammern (etwa am Behrmannplatz in Lokstedt) und die DRK-Kiloshops (zum Beispiel Neue Große Bergstraße in Altona) aber weiterhin Kleidung annehmen würden. Auch die Kleiderkammer der Caritas nimmt Spenden an. Eine weitere Möglichkeit, um ausgetragene und gut erhaltene Klamotten abzugeben, sind traditionell Secondhandshops. Aber auch die klagen zum Teil über ein Überangebot. So sagt etwa Arancha Guercke vom „Mano a Mano“ in Ottensen: „Wenn wir alles annehmen würden, was wir bekommen, bräuchten wir 30 Extravollzeitangestellte.“
Bei anderen Secondhandgeschäften werden Kleiderspenden weiterhin regulär angenommen, wie beispielsweise beim Branchenriesen Humana. Hier ist die Warenabgabe sowohl in den Geschäften als auch über die rund 200 Kleidercontainer in Hamburg weiterhin uneingeschränkt möglich. Dennoch betont Sprecherin Julia Breidenstein: „Die gesamte Branche des Textilrecyclings steht derzeit unter enormem Druck.“
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Was also tun? Einen möglichen Ansatz, die Flut der Billigmode doch noch verwerten zu können, zeigt die Hamburger Stadtreinigung. „Eine Lösung könnte es sein, aus vermeintlich minderwertiger Textilqualität doch noch mehr herauszuholen“, sagt Sprecher Kay Goetze. „Ab Herbst untersuchen wir gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut die gesammelten Textilien und dessen Zusammensetzung bis in die Fasern, um nach Lösungen für die Zukunft zu suchen.“