Hamburg. Wohnung von Johannes Kahrs und Räume der Finanzbehörde durchsucht. Gegen wen außerdem ermittelt wird – und weswegen.
Razzien im Zusammenhang mit der in die Cum-Ex-Affäre verwickelten Warburg-Bank in Hamburg: Die Staatsanwaltschaft Köln hat am Dienstag die Privatwohnung des langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und Räume der Finanzbehörde von Senator Andreas Dressel (SPD) in Hamburg durchsuchen lassen. Die Ermittlungen stehen in Zusammenhang mit der Hamburger Warburg-Bank. Hintergrund ist nach Auskunft der Kölner Ermittler der „Anfangsverdacht der Begünstigung“.
Das Verfahren werde gegen drei Beschuldigte geführt, Grundlage der Razzia seien „Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Köln vom 22. September 2021, die neben Privaträumen auch Räumlichkeiten Hamburger Finanzbehörden betreffen“.
Cum-Ex: Gegen wen außer Johannes Kahrs ermittelt wird
Die bisherigen Ermittlungen hätten „Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten der Beschuldigten im Zusammenhang mit verfahrensgegenständlichen ‚Cum/Ex-Geschäften‘ eines in Hamburg ansässigen Kreditinstituts ergeben.“ Die Durchsuchung der Räumlichkeiten der Behörden „dient zunächst der Sicherstellung beweisrelevanter Unterlagen und beweiserheblicher Kommunikation“, so die Kölner Staatsanwaltschaft weiter.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich bei den drei Beschuldigten neben Kahrs um den ehemaligen Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk und eine Beamtin in der Finanzbehörde, die für die Warburg-Bank zuständig war.
Cum-Ex-Affäre: CDU-Ministerium löste Razzien aus
Wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" unter Berufung auf Justiz- und Ermittlerkreise berichtet, habe die Leitung der Staatsanwaltschaft in Köln die Ermittlungen, die nun zu den Durchsuchungen geführt haben, zunächst einstellen wollen – der Anfangsverdacht sei zu vage gewesen, um weitere Schritte zu rechtfertigen.
Erst auf Bitte um eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen beim CDU-geführten Justizministerium in Nordrhein-Westfalen wurde der Fall weiter verfolgt. Dieses habe die Staatsanwaltschaft "unmissverständlich angewiesen, den Fall strafrechtlich zu verfolgen", so der "Stadt-Anzeiger" weiter. Anders als zuvor die Strafverfolgungsbehörden sei das Ministerium zu dem Schluss gekommen, dass der Anfangsverdacht für weitere Ermittlungen ausreiche.
Cum-Ex-Affäre: Razzia bei Johannes Kahrs und Finanzbehörde
Laut einem „Bild“-Bericht stehen im Mittelpunkt der Ermittlungen Spenden von 45.500 Euro des Bankhauses Warburg an die SPD und den Kreisverband Mitte von Kahrs aus dem Jahr 2017, über die das Abendblatt 2020 als Erstes berichtet hatte. Hintergrund ist die Diskussion darüber, warum die Hamburger Steuerverwaltung im Jahr 2016 zunächst darauf verzichtete, im Rahmen des Skandals um die Cum-Ex-Geschäfte 47 Millionen Euro von dem Bankhaus M. M. Warburg zurückzufordern.
Der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) musste sich zuletzt wegen mehrerer Treffen mit Bankchef Christian Olearius von einem Untersuchungsausschuss in Hamburg befragen lassen. Dabei ging es um die Frage, ob Scholz Einfluss auf die Entscheidung der Finanzverwaltung genommen haben könnte, zunächst auf die Millionen-Rückforderung zu verzichten. Scholz hatte jede Einflussnahme dementiert und sich in Detailfragen bei der Befragung auf Erinnerungslücken berufen.
Finanzsenator Dressel: "Keinerlei politische Einflussnahme"
„Bei der heute erfolgten Durchsuchung der Staatsanwaltschaft Köln und des LKA Düsseldorf in den Räumlichkeiten der Hamburger Finanzbehörde handelt sich um eine Durchsuchung bei Dritten und ausdrücklich nicht beim Beschuldigten“, betonte SPD-Finanzsenator Andreas Dressel auf Abendblatt-Nachfrage.
„Wie der Untersuchungsausschuss können auch die Strafverfolgungsorgane selbstverständlich umfassend Einblick in die Akten und behördeninternen Abläufe nehmen. In der Vergangenheit hat die Finanzbehörde bereits dem Landgericht Bonn, dem Untersuchungsausschuss und der Staatsanwaltschaft nicht nur alle Unterlagen zur Verfügung gestellt, die angefordert wurden, sondern auch darüber hinaus vollständig kooperiert. Dies tun wir selbstverständlich auch in diesem Fall."
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Zum Sachverhalt habe die Finanzbehörde, aber auch zuständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits detailliert Stellung genommen – auch als Zeuginnen und Zeugen im Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft. Dressel: "Es hat keinerlei politische Einflussnahme auf das konkrete Steuerverfahren gegeben. Neue Anhaltspunkte hierzu wurden nicht vorgetragen.“
Cum-Ex: Tschentscher äußert sich zu Razzia bei Kahrs
In der Landespressekonferenz am Dienstag sagte Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) auf Nachfrage zu der Razzia: "Mir wurde berichtet, dass es sich um Untersuchungen bei Dritten handelt, nicht bei Beschuldigten. Ich wiederhole noch einmal: Es gab keine politische Einflussnahme auf die Entscheidungen der Steuerverwaltung."
Die Entscheidungen seien in einem komplizierten Verfahren ausschließlich nach fachlichen und rechtlichen Gesichtspunkten getroffen worden. "Alle Zeugen im Parlamentarischem Untersuchungsausschuss haben ausgesagt, dass es keine politische Einflussnahme auf die Steuerverwaltung gab", so Tschentscher.
CDU und Linke: Verdacht gegen SPD durch Razzia untermauert
„Das sozialdemokratische Mantra, es habe keine politische Einflussnahme oder Verquickung im Cum-Ex-Steuergeldskandal zwischen Hamburger SPD-Politikern und Eignern der Warburg Bank gegeben, hat nun endgültig riesige Risse bekommen“, sagte der CDU-Obmann im PUA, Richard Seelmaecker. „Die heutigen Durchsuchungen untermauern den Verdacht, dass aus der Politik Einfluss auf die damalige Entscheidung des Finanzamts genommen wurde.“
Auch Norbert Hackbusch, Obmann der Linksfraktion im PUA betonte, dass die Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft Köln deutlich zeigten, dass die Begünstigungen der Warburg-Bank immer noch hochaktuell seien. "Zur Erinnerung: Die Warburg-Bank übergab aufgrund von Hinweisen der Herren Pawelczyk und Kahrs ein Schreiben an Olaf Scholz und dann an Peter Tschentscher", so Hackbusch.
Fabio De Masi übt Druck auf Finanzbeamtin aus – via Twitter
Fabio De Masi, stellvertretender Vorsitzender der Linken-Fraktion im Bundestag, kommentierte die Durchsuchung bei Johannes Kahrs ebenfalls mit deutlichen Worten. "Die Razzia straft Olaf Scholz Lügen. Insbesondere der Staatssekretär von Olaf Scholz im Finanzministerium, Wolfang Schmidt, hat immer wieder öffentlich behauptet, Olaf Scholz werde durch Aussagen der Hamburger Finanzbeamten entlastet." Nun gebe es eine Razzia bei der zentralen Entlastungszeugin von Olaf Scholz.
Am Abend legte De Masi via Twitter nach: Der Finanzbeamtin, die zum Kreis derjenigen gehören soll, gegen die ermittelt wird, würde er raten, wenn er ihr Anwalt wäre, "jetzt zu kooperieren und nicht das Risiko einzugehen, für ein paar Herren in den oberen Etagen Gefängnis zu riskieren", schrieb der Linken-Politiker.
De Masi: Kahrs sollte Scholz im Auftrag der Warburg-Bank lobbyieren
Über Johannes Kahrs sagte De Masi: "Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete ist immer da, wo Geld stinkt. Sein Job war es, Olaf Scholz im Auftrag der Warburg Bank zu lobbyieren", so De Masi. Daher rücke der Skandal mit der Razzia an den potenziellen Bundeskanzler heran. "Wie aus einer Anfrage von mir hervorgeht, frühstückten Johannes Kahrs, der Warburg-Bankier Christian Olearius und der Staatssekretär Jörg Kukies noch nach der Warburg-Affäre gemeinsam."
Johannes Kahrs war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.