Hamburg. Die Bank weist den Vorwurf der Einflussnahme zurück. Auch andere Parteien erhielten Spenden von dem Geldhaus.
Warum hat die Hamburger Steuerverwaltung im Jahr 2016 darauf verzichtet, im Rahmen des Skandals um die Cum-Ex-Geschäfte 47 Millionen Euro von dem Bankhaus M. M. Warburg zurückzufordern? Während die Opposition und auch die mitregierenden Grünen Aufklärung fordern und Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) beteuert, dass es keinerlei politischen Einfluss auf dieses oder ähnliche Verfahren gab, kommen nun weitere Fakten ans Licht.
So haben Tochterfirmen oder mit der Warburg-Gruppe verbundene Unternehmen 2017 mehrfach Geld an die Hamburger SPD gespendet. Laut einem Bericht des Bundestags, dem Spenden an Parteien ab 10.000 Euro anzuzeigen sind, hat die Vigor Beteiligungsgesellschaft 13.000 Euro gespendet und die Atalanta Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG 15.000 Euro. Beide Spenden gingen an den SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte – das bestätigte auch die Hamburger SPD auf Abendblatt-Anfrage.
Beteiligungsgesellschaft spendete auch an andere Parteien
Ihren Angaben zufolge spendete zudem die Setubal Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH 10.000 Euro und zwar ebenfalls an den Kreis Mitte. Weitere 7500 Euro seien direkt von M.M. Warburg & Co an die SPD Hamburg geflossen. Insgesamt gingen also 45.500 Euro aus dem Warburg-Umfeld an die SPD Hamburg, davon allein 38.000 an den Kreis Mitte.
Die Beteiligungsgesellschaft Vigor hat allerdings auch an andere Parteien gespendet, so etwa 25.000 Euro im Jahr 2014 an die FDP und 40.000 Euro 2016 an die CDU – das geht aus den Berichten des Bundestags hervor. André Trepoll, CDU-Fraktionschef in der Bürgerschaft, übte dennoch Kritik: „Dass der SPD-Senat das Parlament belogen hat, als jegliches Treffen zwischen Stadt und Bankern in einer Anfrage verneint wurde, steht mittlerweile fest. Neben dem ominösen Treffen verschiedener Hamburger Sozialdemokraten steht jetzt aber noch zusätzlich die Frage im Raum, ob es hier einen Zusammenhang mit einer Parteispende im gleichen Zeitraum an die Hamburger SPD gibt.“
Parteispenden: Regeln bei SPD deutlich strenger
SPD-Sprecher Lars Balcke verwies darauf, dass die Regeln der Hamburger SPD deutlich strenger seien, als es das Parteiengesetz vorgebe: „Damit Entscheidungen der öffentlichen Funktionsträger in jedem Fall unabhängig von Spenden und Spendern sind, nehmen Bürgermeister, Senatorin oder Senator, Staatsrätin oder Staatsrat, Bezirksamtsleiterin oder Bezirksamtsleiter nie an Beratung und Beschlussfassung des Geschäftsführenden Landesvorstands über Spenden teil.“ Auch die Landesvorsitzende, Sozialsenatorin Melanie Leonhard, habe daher „keinerlei Kenntnis darüber gehabt, wer 2017 gespendet hat“.
Wie berichtet, wurden bei den umstrittenen Cum-Ex-Geschäften Aktien mit (lateinisch: „Cum“) und ohne („Ex“) Ausschüttungsanspruch rund um den Dividendenstichtag rasch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Das führte dazu, dass Finanzämter Kapitalertragssteuern erstatteten, die gar nicht gezahlt worden waren. Europaweit soll der Steuerschaden 55 Milliarden Euro betragen.
Wie die „Zeit“ und der NDR berichtet hatten, sollen die Steuerbehörden in Hamburg 2016 darauf verzichtet haben, 47 Millionen von der Warburg-Bank zurückzufordern, obwohl sie vom Bundesfinanzministerium und von der Staatsanwaltschaft Köln, die die bundesweiten Ermittlungen führt, zuvor bestärkt worden seien, die Forderung einzuziehen.
Hamburger Senat hat sich bislang nicht geäußert
Unter Verweis auf das Steuergeheimnis hat sich der Senat bislang nicht zu dem Einzelfall geäußert. Bürgermeister Tschentscher, der von 2011 bis 2018 Finanzsenator war, hatte jedoch mehrfach betont, dass weder er noch andere Senatsmitglieder politischen Einfluss genommen hätten, und angedeutet, dass aus Sicht der Steuerbehörden die Sachlage wohl nicht so eindeutig war, wie andere sie darstellen. „Solche Entscheidungen müssen auch in einem gerichtlichen Verfahren Bestand haben“, sagte SPD-Sprecher Balcke, „sonst drohen der Stadt große finanzielle Schäden durch Verzinsungsansprüche, Prozess- und Beraterkosten und möglicherweise auch Amtshaftungsansprüche.“
Zusätzliche Brisanz bekam die Angelegenheit, weil der Senat noch im Herbst 2019 auf eine Anfrage der Linkspartei auf die Frage, ob es in der Causa Warburg Treffen zwischen dem Senat und Bank-Vertretern gegeben, schlicht mit „Nein“ geantwortet hatte. Aus Tagebuchaufzeichnungen des Warburg-Inhabers Christian Olearius war jedoch hervorgegangen, dass es doch ein Treffen von Olearius und Hamburgs damaligem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im November 2017 gegeben habe. Auf Abendblatt-Anfrage räumte ein Scholz-Sprecher dies auch ein, betonte aber gleichwohl, dass Scholz „zu keinem Zeitpunkt politischen Einfluss auf diese Angelegenheit genommen“ habe.
Kahrs hat Treffen mit Olearius eingeräumt
Auch der Kreisvorsitzende der SPD Hamburg-Mitte, der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, räumte gegenüber dem Abendblatt Treffen mit Olearius ein: „Als zuständiger Wahlkreisabgeordneter rede ich seit über 20 Jahren mit jedem Bürger oder Unternehmen, also auch mit Vertretern von Banken. Mit Herrn Olearius habe ich in den letzten Jahren häufiger gesprochen, es ging immer um die Rolle der Deutschen Bank als Depot-Bank. Am Ende werden Gerichte diese Frage entscheiden.“
Die Haupteigentümer der Warburg Bank wiesen am Wochenende die Vorwürfe der Einflussnahme auf Steuerangelegenheiten scharf zurück: „Die Bank hat sich nie mit unzulässigen, rechtswidrigen Forderungen oder Wünschen an die Fiskalverwaltung oder Politikerpersönlichkeiten gewandt“, hieß es in einem Schreiben der Anwälte der wirtschaftlichen Haupteigentümer, Max M. Warburg und Christian Olearius. Darin versicherten sie zudem, beim Kauf von Cum-Aktien den Kaufpreis samt der Kapitalertragssteuer an die Depotbank bezahlt zu haben. Die Deutsche Bank habe aber die Steuer nicht an den Fiskus abgeführt. „Würde die Warburg Bank die 47 Millionen Euro entrichten, würde sie zwei Mal bezahlen“, so die Anwälte.
CDU-Fraktionschef Trepoll forderte die Sozialdemokraten auf, „zur vollständigen Aufklärung“ beizutragen: „Denn eines darf nicht passieren, dass der Eindruck bestehen bleibt, man könnte seine Steuerschulden durch Spenden an die SPD wegzaubern.“