Hamburg. Zuwendungen aus Umfeld der Warburg-Bank an Politik werfen Fragen auf. Opposition unterstellt Zusammenhang zu Cum-Ex-Geschäften.
Nach dem Abendblatt-Bericht über die Spenden aus dem Umfeld der Warburg-Bank an die Hamburger SPD werden die Rufe nach politischer Aufklärung lauter. Auch die Grünen als Regierungspartner der SPD forderten am Montag eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses, in der der Senat noch vor der Bürgerschaftswahl am Sonntag Auskunft über eventuelle Zusammenhänge zu den umstrittenen Cum-Ex-Geschäften geben soll.
„Es ist der Eindruck der politischen Einflussnahme auf Steuerstrafverfahren entstanden, der dringend ausgeräumt werden muss“, sagte Farid Müller, Haushaltsexperte und parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Joachim Seeler kritisierte den unterschwelligen Vorwurf, die Stadt könnte als Gegenleistung für Parteispenden in Höhe von 45.500 Euro auf eine Steuerrückforderung von 47 Millionen Euro verzichtet haben, dagegen als „vollständig abwegig“. Wir beantworten dazu die wichtigsten Fragen.
Um welche Vorwürfe geht es?
Es geht um drei Punkte: Erstens soll die Hamburger Steuerverwaltung 2016 darauf verzichtet haben, 47 Millionen Euro von dem Bankhaus M. M. Warburg zurückzufordern. Das hatten „Die Zeit“ und das NDR-Magazin „Panorama“ berichtet und dargestellt, dass das Bundesfinanzministerium und die Staatsanwaltschaft Köln Hamburg auf die Verjährung Ende 2016 hingewiesen hätten. Die mögliche Forderung resultierte demnach aus „Cum-Ex-Geschäften“, deren Ziel darin bestand, sich Steuern erstatten zu lassen, die man nie gezahlt hat.
Zweitens sollen dem Bericht zufolge Warburg-Inhaber Christian Olearius und der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sich im November 2017 getroffen und auch über diese Thematik gesprochen haben – was der Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linkspartei vom November 2019 widerspricht.
Drittens hatte das Abendblatt berichtet, dass aus dem Warburg-Umfeld insgesamt 45.500 Euro an die Hamburger SPD gespendet wurden.
Wer hat wann an wen gespendet?
Es hat immer wieder Spenden der Warburg-Bank oder von zur Warburg-Gruppe gehörenden Unternehmen an Parteien gegeben. Am meisten profitierte die Hamburger CDU, die regelmäßig fünfstellige Beträge von Warburg bekam. Auch die FDP bekam Spenden, die SPD dagegen erhielt nach eigenen Angaben mindestens seit 2010 kein Geld aus dem Hause Warburg. Das änderte sich 2017 schlagartig. Insgesamt 45.500 Euro bekamen die Genossen nun plötzlich, wie sie auf Abendblatt-Anfrage mitteilten.
Demnach gingen am 31. Januar 2017 15.000 Euro von der laut SPD mit Warburg verbundenen Atalanta Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG an den Kreis Mitte, in dem der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs Kreisvorsitzender ist. Auch dieser hatte sich nach eigenen Angaben mehrfach mit Olearius getroffen.
Am 13. Februar flossen weitere 10.000 Euro von der laut SPD ebenfalls zu Warburg gehörenden Setubal Vermögensverwaltung an den Kahrs-Kreis – und am 11. September gab es für die Mitte-Genossen noch einmal 13.000 Euro, diesmal von dem Warburg-Unternehmen Vigor Beteiligungsgesellschaft. Zusätzlich spendete M.M. Warburg & CO am 26. April 2017 einmalig 7500 Euro an die SPD-Landesorganisation Hamburg. Die CDU Hamburg erhielt im selben Jahr dagegen mit 15.000 Euro den doppelten Betrag von M.M. Warburg & Co.
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Wie begründet Warburg die Spenden?
„Zur Förderung der Parteiendemokratie hat M.M.Warburg & CO im Jahr der Bundestagswahl 2017 7500 Euro an die SPD und 15.000 Euro an die CDU gespendet“, bestätigte ein Sprecher der Bank und betonte: „Die Beträge sind nicht ungewöhnlich und angemessen für ein Unternehmen unserer Größe, was der Blick in die öffentlichen Rechenschaftsberichte der Parteien zeigt.“ Zu Spenden verbundener Unternehmen könne er sich nicht äußern.
Warum erklärt der Senat nicht, aus welchen Gründen auf die 47 Millionen Euro verzichtet wurde?
Das darf er nicht, da das Steuergeheimnis es verbietet, über Einzelfälle zu berichten. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der von 2011 bis 2018 Finanzsenator war, hatte aber mehrfach klargestellt, dass man solche Forderungen „nicht nur vermuten, sondern auch belegen“ müsse.
Mit anderen Worten: Mutmaßlich waren sich die Hamburger Finanzbeamten nicht sicher genug, das Geld zurückfordern zu dürfen. Aus der SPD hieß es dazu: „Solche Entscheidungen müssen auch in einem gerichtlichen Verfahren Bestand haben, sonst drohen der Stadt große finanzielle Schäden durch Verzinsungsansprüche, Prozess- und Beraterkosten und möglicherweise auch Amtshaftungsansprüche.“
Gibt es einen Beleg für eine politische Einflussnahme?
Nein. CDU-Fraktionschef André Trepoll spricht – ähnlich wie andere Oppositionspolitiker – von dem „Eindruck, man könnte seine Steuerschulden durch Spenden an die SPD wegzaubern“. Aber belegen können sie diese Unterstellung nicht. Tschentscher, Scholz und andere SPD-Politiker haben immer wieder betont, dass es keine politische Einflussnahme auf die Steuerverwaltung gibt.
Wie läuft die politische Aufklärung?
Die Linkspartei fordert einen Untersuchungsausschuss, der aber erst in der nächsten Wahlperiode eingesetzt werden könnte. Außer den Grünen fordern auch CDU und FDP eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses noch vor der Wahl. Doch der Ausschussvorsitzende Matthias Petersen (SPD) lehnt das als „Wahlkampfgetöse“ ab.
Nachdem sich das Gremium bereits 2018 intensiv mit den Cum-Ex-Geschäften befasst habe, habe er „keine Hoffnung“, etwas Neues zu erfahren, sagte Petersen dem Abendblatt und betonte: „Das ist ein laufendes Verfahren, dazu darf sich der Senat gar nicht äußern.“ Sein Appell: Die Politik solle doch erst mal den Ausgang des Gerichtsverfahrens abwarten und dann entscheiden, ob und was aufzuklären sei.
Wie liefen Cum-Ex-Geschäfte ab?
Es geht dabei um das Hin- und Herschieben von Aktien mit (lateinisch „cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch rund um den Dividendenstichtag, an dem mehrere Akteure im In- und Ausland beteiligt sind. Das führte dazu, dass Finanzämter eine nur einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf die Dividenden mehrfach erstatteten.
Allein in Deutschland soll der Steuerschaden mehr als 30 Milliarden Euro betragen. Bis heute ist nicht höchstrichterlich geklärt, ob Cum-Ex-Geschäfte illegal waren. Die bundesweit erste Anklage in einem derartigen Fall erhob im Mai 2018 die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Schon im Juni 2017 wurde ein Untersuchungsbericht des Bundestages vorgestellt, wonach die Bundesregierung für die Geschäfte keine Rechtsgrundlage sah.
Wie viele Banken sind in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt?
Die Justiz ermittelt gegen mehr als 100 Banken in Europa. Unter den deutschen Instituten war nach Angaben der Finanzaufsichtsbehörde BaFin eine „kleine zweistellige Zahl“ von Banken in solche Transaktionen verwickelt. Einige Geldhäuser, darunter die Hamburg Commercial Bank (früher: HSH Nordbank), die HypoVereinsbank, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) oder die DZ Bank haben bereits zusammen mehrere Hundert Millionen Euro an den Fiskus zurückgezahlt, ohne dass sie dazu verurteilt worden wären.
Welche Rolle spielt Warburg in dem Prozess vor dem Landgericht Bonn?
Angeklagt sind dort zwei britische Staatsbürger, denen besonders schwere Steuerhinterziehung in den Jahren 2006 bis 2011 vorgeworfen wird. Die beiden waren zunächst als Aktienhändler für die HypoVereinsbank in London tätig, später als Selbstständige. Fünf Geldhäuser, darunter M. M. Warburg, sind sogenannte Nebenbeteiligte in dem Verfahren.
Sie waren in die Cum-Ex-Geschäfte der Angeklagten involviert. Vor Gericht soll geklärt werden, ob sie zu der Steuerhinterziehung beigetragen haben. Ihnen droht auch die „Einziehung“ von Gewinnen.
Gibt es weitere Ermittlungen?
Nach einem Bericht der „Welt“ prüft die Staatsanwaltschaft Hamburg die Strafanzeige eines Bürgers, die vergangene Woche eingegangen ist. Darin gehe es um das Verjähren der Steuerforderungen. In diesem Zuge sollen auch die Spenden der Bank untersucht werden.
Wie wehrt sich die Warburg-Bank gegen die Vorwürfe?
„Diese gehaltlosen Unterstellungen verdienen keinerlei Respekt“, heißt es in einer Erklärung der Anwälte der Bank-eigentümer Max M. Warburg und Christian Olearius. Die Anwälte äußern darin den Verdacht, dass „die Bürgerschaftswahlen in der Hansestadt in manipulierender, unzulässiger Weise beeinflusst werden sollen“.
Zudem verweisen sie erneut darauf, dass eigentlich die Deutsche Bank als Depotbank bei den Cum-Geschäften die betreffende Kapitalertragssteuer hätte abführen müssen – was die Deutsche Bank zurückweist.
Sind die 47 Millionen endgültig weg?
Nein – heißt es jedenfalls aus der Finanzbehörde. Sowohl infolge der strafrechtlichen Entscheidung als auch durch ein Urteil des Bundesfinanzhofs könnten auch verjährte Forderungen noch geltend gemacht werden.