Hamburg. Hamburgs Milliarden-U-Bahn wird für massive Beeinträchtigungen sorgen. Wo schon gearbeitet wird und wie es jetzt weitergeht.
Der Bau der U 5 in Hamburg ist das größte U-Bahn-Projekt Deutschlands. Für die Realisierung hat die Hochbahn ein eigenes Tochterunternehmen gegründet, die U5 Projekt GmbH, die mit 100 Mitarbeitern in die City Nord gezogen ist – und damit ganz nah an die Riesenbaustelle, an der im September der Spatenstich für Hamburgs erste vollautomatische U-Bahn erfolgte.
Dort stellten die Verantwortlichen am Donnerstag vor, was in den vergangenen acht Monaten geschafft wurde und wie es weitergeht. „Man kann sagen, dass wir einen Meilenstein erreicht haben“, sagte Petra Welge, die kaufmännische Geschäftsführerin der Projektgesellschaft.
U 5 in Hamburg: Ende Mai sichtbarer Baustart der neuen U-Bahn
„Wir konnten ein EU-weites Ausschreiben beenden, haben mit der ARGE U5 Ost einen international agierenden Spezialisten im Bereich Spezialtief- und Ingenieurbau gefunden und beginnen Ende Mai mit dem sichtbaren Baustart.“
Bislang sind nur die vorbereitenden Maßnahmen sichtbar. Etwa am Überseering, wo gerade Fernwärmeleitungen verlegt werden, um Platz zu schaffen für die geplante Haltestelle City Nord (Stadtpark). Oder zwischen den Haltestellen Ohlsdorf und Sengelmannstraße, wo unter anderem 700 Bäume gefällt wurden, um hier zunächst den gigantischen, mehr als 120 Meter langen Tunnelbohrer aufbauen und später eine Betriebswerkstatt mit Fahrzeug- und Waschhalle errichten zu können.
U 5: Tunnelbohrer mit elf Metern Radius muss noch gebaut werden
Der Tunnelbohrer, auch Vortriebsmaschine genannt, hat einen Radius von elf Metern und kann damit eine Röhre erstellen, die groß genug für zwei nebeneinander liegende Gleise ist. Fast die gesamte Strecke von 5,8 Kilometern auf diesem Abschnitt wird unterirdisch erstellt, also mit dem Bohrer.
Noch gibt es ihn nicht, er muss von der Firma, die ihn einsetzt, erst zusammengebaut werden. „Wahrscheinlich aus Teilen von Maschinen, die vorher für andere Projekte im Einsatz waren“, vermutet Klaus Uphoff, der technische Geschäftsführer der U5 Projekt GmbH.
U 5: Das ist der Streckenverlauf
Nur ein Abschnitt von wenigen Hundert Metern sowie die vier neuen Haltestellen (dazu gehören auch Barmbek-Nord und Steilshoop) werden in offener Bauweise erstellt. Diese würden zunächst – unabhängig vom Tunnel – als „feste Kästen“ aus Beton erstellt, erklärt Uphoff. Der Tunnelbohrer würde sich dann durch die Wände „knabbern“, sobald er auf sie treffe.
Inmitten dieses „offenen Bauabschnitts“ liegt die Haltestelle Sengelmannstraße. Die bestehende U-1-Haltestelle wird für die U 5 umgestaltet und um einen Bahnsteig zum großen Umsteigebahnhof erweitert. Ähnlich wie an der Kellinghusenstraße werden die Züge der einen Linie an den inneren Bahnsteigkanten halten (U 5), die der anderen außen (U 1).
Haltestelle Sengelmannstraße kommt besondere Bedeutung zu
Doch auch sonst kommt der Station Sengelmannstraße eine besondere Bedeutung zu. Sie wird die erste Haltestelle in Hamburg sein, die für den vollautomatischen U-Bahnbetrieb ausgelegt ist. Dafür erhält sie sogenannte „platform screen doors“: in gläserne Trennwände eingelassene Türen zwischen Fahrtrasse und Bahnsteig genau an den Stellen, an denen sich die Türen der U-Bahnen öffnen werden.
Die Umgestaltung beginnt noch in diesem Frühjahr. Als Lärmschutz für die Anwohner wird die Haltestelle mit Beton „eingehusst“ und zwischen den Gleisen und den Wohnhäusern am Rotbuchenweg eine Lärmschutzwand errichtet. Zusätzlich werden die Enden der Bahnsteige wie die gesamte überirdische Strecke mit Zäunen abgesperrt.
„Das ist eine Sicherheitsmaßnahme, die dem vollautomatischen U-Bahnbetrieb geschuldet ist“, sagt Dirk Pastoors, Projektleiter für den Abschnitt Sengelmannstraße bis City Nord. „Sobald sich nämlich ein Mensch oder ein Tier in der Gleisanlage befindet, wird der gesamte Betrieb sofort eingestellt.“
U 5: Vollautomatischer Betrieb erfordert spezielle Sicherheitsmaßnahmen
Weil die Haltestelle Sengelmannstraße schon 1975 mit einem zusätzlichen Bahnsteig für eine weitere, aber nie realisierte U-Bahnlinie angelegt wurde, ist ein Teil der benötigten, wenn auch veralteten Infrastruktur bereits vorhanden. Und das spart der Hochbahn Geld. Selbst ein Komplettumbau des Bahnsteigs sei immer noch günstiger als hier einen Tunnel zu bauen.
Bei den Arbeiten muss nicht nur der laufende Betrieb der U 1, sondern auch der Verkehr der Güterumgehungsbahn beachtet werden. Da war es von Vorteil, dass die Deutsche Bahn die Güterzugstrecke von Anfang April bis Anfang Mai gesperrt hatte und die U-1-Haltestelle Alsterdorf für den barrierefreien Ausbau eine Zeit lang gesperrt war.
In dieser Zeit konnten zwei Behelfsbrücken für die Güterzüge errichtet werden, unter denen dann bald der Trog für die Gleise der U 5 angelegt wird. Der weitere Verlauf der Strecke führt dann ein kurzes Stück zwischen zwei Bürogebäuden der City Nord durch – genauer: zwischen Tchibo und der derzeit als Flüchtlingsunterkunft genutzten ehemaligen Postbank-Zentrale – und erhält nach dem Bau einen „Deckel“.
U 5: Kosten für ersten Bauabschnitt um 60 Prozent erhöht
Ab 2027 soll hier erstmalig eine vollautomatisch betriebene U-Bahn fahren und zwei Jahre lang getestet werden. Die Strecke mit ihren Tunnelabschnitten, oberirdischen Strecken, Rampen, Abstellanlagen und der Umsteigehaltestelle Sengelmannstraße sowie dem Zusammenspiel von konventioneller (U 1) und neuer Betriebstechnik (U 5) bietet dafür die besten Bedingungen. Ab 2029 werden dann die ersten mit Fahrgästen besetzten Züge verkehren.
Inflationsbedingt haben sich die prognostizierten Kosten für diesen ersten Bauabschnitt von bisher veranschlagten 1,75 Milliarden Euro auf nun 2,86 Milliarden Euro um rund 60 Prozent erhöht. „Das hat uns das erste Mal vor Augen geführt, wie stark die Kosten in der Baubranche gestiegen sind“, so Geschäftsführer Klaus Uphoff.
Großes Interesse für Haltestellen im Westen der U 5
An den geplanten Haltestellen des Mega-Projektes U 5 wächst das Interesse für die neue U-Bahn. Die Hochbahn hat einen wahren Informations-Marathon begonnen, es gibt eine Internetseite und Plakataktionen in den Stadtteilen. Zuerst in Alsterdorf, dann in Lokstedt mit neuem Anschluss an das UKE gab es Bürgerveranstaltungen, die die U 5 bewerben sollten.
Wichtiger noch: Gleich im Vorwege wollen Hochbahn und Mobilitätswendesenator Anjes Tjarks (Grüne) die bekannten Argumente gegen die U 5 und für eine Straßenbahn entkräften. Es steht viel auf dem Spiel: Milliardenkosten, die weiter steigen werden, die (fragliche) Förderung durch den Bund und Klagen von Privatpersonen. Einige dieser juristischen Einwendungen hat die Hochbahn auf dem ersten Abschnitt zwischen Bramfeld und City Nord bereits befrieden können.
U 5 in Hamburg: Was ist mit der Haltestelle UKE?
Und auch beim Info-Abend in Lokstedt im Kletterzentrum des Deutschen Alpenvereins waren die Hochbahn-Moderatoren extrem samtpfötig bemüht, alle Fragen, Einwände und leise Kritik ernst zu nehmen.
Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger schien der U 5 gegenüber positiv eingestellt. Denn: Eine Ost-West-Verbindung Richtung Stellingen und Arenen könnte den Autoverkehr im Stadtteil reduzieren helfen. Und der täglich überlastete 5er-Bus, Europas meistgenutzte Linie, müsste vielleicht nicht mehr in dem engen Takt den Lokstedter Steindamm Richtung City dieseln.
U 5: Tiefe Baugruben werden Betrieb am UKE beeinträchtigen
Doch was ist mit dem UKE? Erstmals hat die Hochbahn die Lage der Haltestelle auf dem Gelände erklärt: mittendrin. Der gigantische Tunnelbohrer frisst sich zwar unterirdisch von Hoheluft zum Uniklinikum. Doch hinter ihm muss der Aushub weggefahren werden.
Die Baugrube für den UKE-Stopp wird etwa 120 Meter lang, möglicherweise 30 Meter breit und 20 Meter tief. Dass dabei Krankenhaus-, Forschungs- und Lehrbetrieb beeinträchtigt werden, ist allen klar. Nur: Wie lange?
U-Bahn Hamburg: jahrelang offene Baugruben
Der Bau dürfte auf diesem Abschnitt Ende der 2020er-Jahre starten. Für eine offene Baugrube rechnet die Hochbahn mit mehreren Jahren Arbeit daran. Eine UKE-Sprecherin sagte dem Abendblatt, man freue sich auf die U 5. Mit Baustellen auf dem Gelände habe man Erfahrung. Im Konzept UKE 2050 hat die neue Schienenanbindung einen festen Platz.
Anders kompliziert wird es bei den Baugruben Hagenbecks Tierpark und Behrmannplatz (Nähe Siemersplatz). Hier will die Hochbahn die Haltestellen halbseitig offen bauen, damit der vierspurige Autoverkehr zumindest zweispurig fließen kann: Grube auf, Grube zu, nächste Hälfte.
U 5: Hamburger Hausbesitzer werden kontaktiert
Eine jahrelange Sperrung zwischen Kieler Straße und Siemersplatz käme einem Verkehrsinfarkt gleich. Doch auch das muss abgestimmt werden mit den Haltestellen, die an der Gärtnerstraße (Hoheluftchaussee) und am Grindel geplant sind. Beobachter erwarten über Jahre Einschränkungen für den Auto- und Busverkehr.
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Der Tunnelbohrer dreht sich nach Auskunft der Hochbahn rund sieben Meter unter der Straße durch den steinigen Grund. Wenn ein drei Meter tiefer Keller komme, dann eben sieben Meter darunter. Alle Hausbesitzer entlang der Strecke müssten kontaktiert werden. In einem Beweissicherungsverfahren werden Messpunkte festgelegt, um zu sehen: Hat der Tunnelbau Folgen für die Gebäude darüber?
Die U-5-Bauer tasten sich nach eigenen Angaben behutsam vor. Veränderungen sind ihr Tagesgeschäft. Info-Tour und Bürgerbeteiligung sind weitere Kernelemente ihrer Arbeit. Und so ist es kein Wunder, dass die Streckenführung rund um Hoheluft, UKE und Lokstedt aussieht wie ein Fragezeichen.