Hamburg. Probebohrungen entlang der 25-Kilometer-Strecke. Erfolgreiche Geheimgespräche zwischen Hamburger Hochbahn und Klägern?

Wer in Hamburg eine U-Bahn baut, der beißt schon mal auf Granit. Die beiden schweren Brocken, die Dr. Margarita Lieberum gerade in den Händen halten kann, stammen aus dem Lokstedter Untergrund nahe NDR und Tierpark Hagenbeck, durch den in einigen Jahren die U5 sausen soll. Die Frau mit weißem Helm und gelber Warnweste ist Projektmanagerin für Infra- und Geotechnik und überwacht im Auftrag der Hochbahn die Probebohrungen für das Hamburger Prestigeprojekt.

An mehreren Punkten der geplanten, rund 25 Kilometer langen Strecke von Bramfeld über City Nord, Winterhude, Hauptbahnhof, Grindel, Hoheluft, UKE und Lokstedt bis zu den Arenen im Volkspark wird die Tiefe erkundet. Zunächst 20 Meter geht es hier in Lokstedt runter – und die Erkenntnisse sind wie überall. Hier finden sich nicht weit unter dem Asphalt Gesteine, die zum Teil mehr als eine Million Jahre alt sind. Darunter sind Brocken wie die aus Granit, die mit der letzten Eiszeit aus Skandinavien zu uns rübergeschoben wurden. „Geschiebemergel“ heißt das. Der „Alte Schwede“ vom Elbstrand hat viele tiefgründige Gesteinsgenossen.

Bau der U5 in Hamburg: Teilstrecken früher fertig?

Was sich bei dem für den Senat bedeutenden Mega-Projekt U5 jetzt abzeichnet: Planungen und Gespräche mit Experten, Partnern, Beteiligten, Anwohnern und Klägern sind viel weiter als gedacht. Und: Bislang nahm man an, die U5 frisst sich unterirdisch jetzt von Bramfeld zur Sengelmannstraße und bei grünem Licht von Bund und Senat weiter Richtung City. Jetzt bestätigte die Hochbahn dem Abendblatt Überlegungen, an anderen Orten des geplanten Streckenverlaufs schon deutlich vor Abschluss des Gesamtprojektes Ende der 2030-er Jahre Teile der U5 in Betrieb zu nehmen. Das könne, sagte Philipp Elsner, einer der Projektleiter der U5-GmbH, auch in Lokstedt Sinn machen. Er sprach von „sinnvollen Teilinbetriebnahmen“.

Von hier soll die U5 nach Westen Richtung Volkspark (Stadion und Arena) und nach Osten und Süden Richtung UKE und Hoheluft führen. Mit der bestehenden Station Hagenbecks Tierpark (U2) gebe es eine U-Bahn-Kreuzung, die auch ohne einen komplett fertigen Weiterbau der U5 bis in die City Sinn ergebe. Elsner und Lieberum müssen derzeit am kompletten Streckenverlauf Probebohrungen machen. Nur so kann man verhindern, dass sich im Bau irgendwo die Erde plötzlich absenkt oder hebt, wenn sich eine der gigantischen Tunnelvortriebmaschinen unterirdisch voranfrisst.

U5: Das ist der Streckenverlauf durch Hamburg

Obwohl nahezu alle Bahnhöfe in „offener Bauweise“ errichtet werden, also mit enormen Baugruben von mehr als 100 Meter Länge, laufe die Planung vergleichsweise „flach“. In Lokstedt etwa betrage die Tiefe an der geplanten Station Behrmannplatz von der „Geländeoberkante“ bis zum Gleis voraussichtlich nur 13 Meter. Jeder Meter weniger Tiefe macht die U5 für alle zugänglicher. Gleichzeitig nutzen die Planer für die führerlosen Züge einen Trick der Schwerkraft. Aus den Bahnhöfen heraus senken sich die Gleise dezent nach unten, es geht leicht „bergab“. So spare man Energie, sagt Elsner, und reduziere „bergauf“ zur nächsten Haltestelle den Verschleiß an den Bremsen.

Probebohrungen für die U5 in Hamburg Lokstedt: Dr. Margarita Lieberum zeigt Granitsteine, die in 20 Meter Tiefe gefunden wurden.
Probebohrungen für die U5 in Hamburg Lokstedt: Dr. Margarita Lieberum zeigt Granitsteine, die in 20 Meter Tiefe gefunden wurden. © HA

Die Hochbahn bestätigte ebenfalls erstmals, dass es schon Gespräche mit der Deutschen Bahn über einen S-Bahn-Tunnel vom Hauptbahnhof Richtung Diebsteich gebe. Dieser bislang nur in Verkehrs-Visionen verankerte „Verbindungsbahnentlastungstunnel“ soll seinem Namen entsprechend die Verbindungsbahn für den Regional- und Fernverkehr freiräumen.

Klagen gegen die U5: Außergerichtliche Einigung?

Die S-Bahn würde vom Hauptbahnhof Richtung Holstenstraße unter die Erde gelegt – und dabei eben irgendwo am Dammtor die U5 kreuzen, die ebenfalls im Reich der Tiefe schnurren soll. Hier würden, so die Hochbahn, die Pläne beider Projekte bereits übereinandergelegt.

Die Sprecherin der U5-GmbH, Pia Seidel, sagte dem Abendblatt, man sei auch optimistisch, mit allen Klägern gegen die Planfeststellung zur U5-Ost eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Wie berichtet, laufen die Arbeiten zwischen Bramfeld und der City Nord unter dem Vorbehalt der Klagen, die beim Oberverwaltungsgericht liegen. Nach Abendblatt-Informationen hat ein weiterer Anwohner zurückgezogen, sodass es nunmehr sechs juristisch begründete Einwände von Einzelpersonen oder Eigentümergemeinschaften gibt. Ob Einigung zwischen Hochbahn und Klägern nun finanzielle Entschädigung für jahrelangen Baulärm oder gar Planungsänderung bedeutet, ist unklar.

Offenbar gehen in den Geheimgesprächen jedoch beide Seiten aufeinander zu. Ein Gerichtssprecher bestätigte: „Mit Blick auf außergerichtliche Gespräche zur Beilegung der Streitigkeiten wurde das Gericht in allen Verfahren seitens der Beteiligten gebeten, von einer Förderung und Entscheidung der Verfahren einstweilen abzusehen.“ Für U-Bahnfahrer heißt das übersetzt: „Packen Sie die Klagen bitte erst einmal ganz unten in den Aktenberg.“