Hamburg. Auch nach homophoben Äußerungen der Initiatorin unterstützt die Union die Initiative. Diese seien “Privatmeinung“ von Sabine Mertens.

Nass, kalt, matschig: Das Hamburger Schmuddelwetter am Sonnabend lädt nicht gerade dazu ein, die Wohnung zu verlassen. Dennoch wuseln am Heußweg in Eimsbüttel am Vormittag einige Menschen umher, um ihre Einkäufe im Supermarkt zu erledigen oder sich ein Franzbrötchen beim Bäcker zu holen. Eine kleine Personengruppe steht wacker um einen Infostand herum, mit Regenschirmen und Kapuzen gewappnet: Die CDU sammelt an mehr als 30 Ständen in Hamburg Unterschriften für die Initiative „Schluss mit der Gendersprache in Verwaltung und Bildung“.

CDU Hamburg unterstützt Initiative gegen Gendersprache weiterhin

„Wir haben jetzt zwei Listen voll“, sagt Philipp Heißner, Kreisvorsitzender des CDU Eimsbüttel. Die Uhr zeigt 10:45 Uhr, um 10 Uhr hat Heißner mit neun weiteren Parteimitgliedern den Stand aufgebaut, bis 12 Uhr soll die Unterschriftensammlung gehen. Er betont schnell, dass es in dieser Gegend Hamburgs ohnehin nicht ganz einfach sei für die CDU: Das schlechte Wetter komme noch dazu. „Ich bin gespannt – wenn jetzt selbst hier die Leute kommen, dann bin ich sehr optimistisch.“

Drei CDU-Mitglieder sprechen vorbeigehende Menschen an und versuchen, sie für eine Unterschrift zu gewinnen. Ein paar von ihnen bleiben kurz stehen und hören zu – die meisten gehen freundlich kopfschüttelnd vorbei. Die 67-jährige Karim lässt jedoch gerne ein Autogramm auf der Liste. „Dieser Eingriff in die Sprache, das macht alles umständlicher und es klingt auch nicht gut“, sagt sie. Geschlechterneutrale Bezeichnungen wie „Studierende“ finde sie gut, doch das Sternchen empfindet sie als „sprachlich erschwerend.“

Gender-Befürworter Lautmann: „Sieht vielleicht doof aus, aber nur ungewohnt“

Marco Lautmann ist da anderer Meinung: Der 47-Jährige ist mit Kinderwagen und seinem kleinen Sohn unterwegs. „Ich finde es entscheidend für betroffene Menschen, wie sie wahrgenommen und genannt werden wollen.“ Er habe auch nichts dagegen, dass in Schulen geschlechtersensible Sprache verwendet wird: „Ob mein Sohn jetzt die Formen er und sie oder vielleicht noch das Gendern lernt – das wird der auch hinkriegen.“

Marco Lautmann hat nichts gegen Gendersprache.
Marco Lautmann hat nichts gegen Gendersprache. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Lautmann selbst ist manchmal noch „zu faul“ um zu Gendern, wie er sagt. „Mich stört es nicht, aber es selber anzuwenden finde ich schon mühsam. Ich würde es gerne anders machen.“ Und er kommt zu dem Entschluss: „Es sieht vielleicht noch ein bisschen doof aus, aber es ist eventuell auch nur ungewohnt.“

CDU Hamburg sammelt trotz homophober Äußerungen Unterschriften

Die Volksinitiative möchte das Gendern in Hamburger Schulen und in den Behörden verbieten. Hierfür sollen 10.000 Unterschriften gesammelt werden. Seit Sommer 2021 erlaubt der Senat eine geschlechtersensible Sprache: Eine Verpflichtung gibt es nicht. Die Initiative spricht auf ihrer Internetseite dennoch von einer „verordneten“ Sprache, welche die „Gesellschaft als Ganzes“ spalte.

Zuletzt haben homophobe Äußerungen der Sprecherin der Initiative, Sabine Mertens, für Aufsehen gesorgt. Gegenüber dem Abendblatt sprach Mertens von der „Tatsache, dass sich normalerweise Männer und Frauen zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen.“ Und weiter sagte sie: „Wenn wir jetzt alle schwul, lesbisch und trans werden sollen, dann ist die Evolution zu Ende.“ Bei der SPD, den Grünen und der Linken stießen die Aussagen auf Empörung. Nur die AfD bot ihre Solidarisierung an, welche von der Initiative abgelehnt wurde. Auch CDU-Fraktionsvorsitzender Dennis Thering distanzierte sich von Mertens' queerfeindlichen Äußerungen – aber nicht von der Initiative selbst.

"Privatmeinung von Frau Mertens ist ihre Sache"

„Wir unterstützen das Anliegen der Volksinitiative – die Privatmeinung von Frau Mertens ist ihre Sache und nicht Gegenstand der Initiative“, so sieht es auch Heißner am Sonnabend. Seiner Meinung nach lenke die Diskussion vom Thema ab – es sei der Versuch, die CDU in die rechte Ecke zu stellen.

Die Hamburger FDP ist ebenfalls gegen das Gendern, doch der Initiative möchte sie nicht zur Seite stehen. „Die homo-, bi- und transfeindlichen Aussagen der Initiative und ihr konservativer Kulturkampf gegen Minderheiten stehen der Idee des Liberalismus diametral entgegen“, heißt es in einer Mitteilung. Heißner hat zu der Reaktion der FDP eine klare Meinung: „Ein solches Herumeiern halte ich für unklug.“

Petra Thiele empfindet Gender-Sprache als zu kompliziert

Die 62-jährige Petra Thiele bleibt interessiert am CDU-Stand stehen und hat Zeit für eine Unterschrift. An ihrem blauen Rucksack hängt ein halbes Dutzend kleiner Kuscheltier-Anhänger, ihre Brille ist durch den Regen mit Wassertropfen bedeckt. Warum sie gegen das Gendern ist? „Weil ich das einfach abgehackt finde, manchmal zu kompliziert und nicht eindeutig. Ich weiß ja, dass Sprache lebt – aber die muss auch nicht überfordert werden.“ Mit Frauenfeindlichkeit hat das für sie nichts zu tun. Im Gegenteil: „Solange die Rechte nicht gleich sind für Männer, Frauen und Diverse, ist mir dieses Gendern viel zu unwichtig. Da müssten eher andere Sachen angegangen werden.“

Petra Thiele findet die Gendersprache zu kompliziert.
Petra Thiele findet die Gendersprache zu kompliziert. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Dass es wichtigere Dinge als das Gendern gibt, findet auch Christian. Und das bringt er lautstark zum Ausdruck, nachdem ein CDU-Mitglied ihn im Vorbeigehen mehrfach anspricht: „Gibt es denn nicht größere Probleme als das Gendern? Wie wärs, wenn Sie sich mal damit beschäftigen?“ Christians Wut ist deutlich zu spüren – eigentlich möchte er mit seiner kleinen Tochter sofort weiterziehen, doch auf ein kurzes Gespräch lässt er sich trotzdem ein.

CDU Hamburg: Passant wirft der Union "Fischen am rechten Rand" vor

„Die CDU macht für mich den Anschein, als ob sie am rechten Rand fischen will. Das Gendern ist meiner Meinung nach ein Thema, das von der Partei absichtlich genutzt wird. Mir platzt da der Kragen,“ sagt der 39-jährige Ingenieur. Er selbst gendere im beruflichen Kontext, doch er mache sich nicht so viel daraus: „Es gibt so viele andere Themen, die für mich Priorität haben – Klimawandel, Inflation, Infrastruktur. Wie wär’s mal mit Lösungen für Themen aus diesem Jahrhundert?“

Um kurz nach 12 Uhr wird der Stand abgebaut: Es regnet nun stärker. Wer nicht unter einem Regenschirm stand, ist mittlerweile durchnässt. 60-70 Unterschriften wurden an diesem Sonnabend gegen das Gendern gesammelt. Heißner ist zufrieden, für Eimsbüttel sei das überraschend viel. Wie es weitergeht mit der Volksinitiative gegen die Gendersprache in Hamburgs Verwaltung, bleibt abzuwarten.